Protokoll der Sitzung vom 17.11.2004

Herr Stoiber versucht; auch Herr Wulff versucht es. Und die FDP macht es schwarz auf weiß. Auch sie stellt diese Forderungen auf. Ich werde gleich noch ein bisschen detaillierter darauf eingehen. Wenn Sie sich hier im Parlament hinstellen und behaupten, dass es diese Forderung nicht gebe, dann weiß ich nicht, wen Sie mit dieser Aussage hinters Licht führen wollen. Mit uns werden Sie das nicht machen können.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte dem Kollegen Wenzel in einem Punkt widersprechen. Er hat beschrieben, wie es den Menschen in Lüchow-Dannenberg und im Wendland insgesamt geht. Wir haben gesehen: Die Bevölkerung dort ist auf der Straße und drückt ihren Willen gegen die Atomkraft aus. Sie drückt ihren Willen gegen diese Politik aus, die meint, Gorleben um jeden Preis geeignet machen zu müssen.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist nicht richtig, Herr Dehde!)

Lieber Kollege Wenzel, der Ausnahmezustand herrscht dort nicht erst seit einer Woche, sondern - ich lebe dort - schon länger. Das belastet die Menschen zunehmend. Allerdings hält es sie auch nicht davon ab, wieder vermehrt auf die Straße zu gehen, wie die letzten CASTOR-Proteste gezeigt haben.

Ich will jetzt noch ein Zweites sagen. Tatsache ist, dass nicht nur die Bevölkerung bei uns den Ausstieg aus der Atomenergie für richtig hält und es eigentlich gern sehen würde, wenn er noch schneller vollzogen würde. Ich weiß nicht, welche Umfrage Sie, Herr Rösler, aus der Welt zitiert haben. Ich kenne aus den letzten Jahren bis in dieses Jahr hinein nur Umfragen, die besagen, dass drei Viertel der deutschen Bevölkerung den Ausstieg aus der Kernenergie für richtig halten und meinen, dass er schneller vonstatten gehen müsse.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich glaube, dass dies die richtige Position ist. Herr Rösler, in Ihrem Beitrag hat am Anfang der Begriff „Nachhaltigkeit“ gefehlt. Sie haben ihn glücklicherweise wieder gebracht. Das Einzige, was ich bei Ihnen an Nachhaltigkeit erkenne, ist die Fortsetzung der Albrecht- und Hirche-Atompolitik der 80er-Jahre.

(Beifall bei der SPD)

Das, meine Damen und Herren, ist ohne Frage nicht unser Politikmodell.

Hier ist - insofern bin ich richtig dankbar dafür, dass der Vorsitzende der FDP-Fraktion hier selbst gesprochen hat - von einer Energiediskussion ohne Tabus gesprochen worden. Nun kenne ich dieses Papier ja auch. In diesem Papier schreibt er - das hat er in seinem Beitrag eben auch wieder eindrucksvoll untermauert - unter anderem folgenden Satz:

„Verlogen ist auch die jetzige Behelfslösung zur oberirdischen Lagerung radioaktiver Abfälle in Gorleben.“

(Zustimmung bei der FDP)

Ein wörtliches Zitat, das er eben wiederholt hat. Ich halte es für gut, dass Sie jubeln und diese Aussage mit Beifall bedenken. Allerdings sage ich der FDP: Eine Diskussion ohne Tabus ist in Ordnung, ohne Kenntnisse wird sie aber schwierig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eines, meine Damen und Herren, steht doch fest: Selbst wenn Sie heute an irgendeiner Stelle schon ein Endlager für atomare Abfälle hätten, dann könnten Sie dort heute keinen einzigen der CASTOR-Behälter, die in Gorleben stehen, einlagern, weil diese Geräte erst einmal Jahre oder gar Jahrzehnte stehen und abklingen müssen, um ausreichend abzukühlen. Insofern hilft es manchmal - das hat im Übrigen auch nichts mit einer wie auch immer gearteten Haltung zur Nutzung der Atomkraft zu tun, wie Ihnen sogar die Leute von der BLG oder von der DBE bestätigen werden -, sich mit Fakten auseinander zu setzen und das Ganze nicht immer nur in einer populistischen und ideologischen Weise unter die Leute zu bringen, weil Sie die Renaissance der Atomkraft herbeireden wollen.

(Widerspruch von Dr. Philipp Rösler [FDP])

Ich sage Ihnen eines: Die bemerkenswerten Begriffe „verlogen“ und „unredlich“ sind die Begriffe, die der Vorsitzende der FPD-Fraktion hier gebraucht hat. Meine Damen und Herren: Zum Thema Endlagersuche empfehle ich die Lektüre eines Beschlusses Ihres Landesparteitages vom April 2004. Seinerzeit hat der FDP-Landesparteitag die

Forderung erhoben, neben Gorleben mindestens noch zwei weitere Standorte zu erkunden.

(Minister Walter Hirche: Das wüsste ich aber! - Hermann Eppers [CDU]: Welche Landesregierung war das? Welche Landesregierung hat Konrad planfestgestellt?)

- Na ja, wenn Sie die Beschlüsse der FDP nicht kennen, dann erwarte ich aber, dass wenigstens die FDP sie kennt

(Beifall bei der FDP)

und das Ganze auch tatsächlich ernst nimmt. Meine Damen und Herren, wenn Sie vor Ort in Gorleben gewesen wären, hätten Sie sich mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem FDP-Kreisverband Lüchow-Dannenberg unterhalten können, die Ihnen vorhalten, dass Sie die Beschlüsse offensichtlich nicht akzeptieren wollen, sondern die Beschlüsse - so die FDP Lüchow-Dannenberg offensichtlich verfälscht nach Berlin schicken. Dazu kann ich Sie nur darauf hinweisen, wie es hier heißt: Geschockt vom Rösler-Vorstoß, GorlebenAntrag des FDP-Kreisverbandes umgedeutet. Das, meine Damen und Herren, sind die Redlichkeit und die Ehrlichkeit von Herrn Rösler und der FDP im Umgang mit diesem Thema.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Heh, heh, heh!)

Meine Damen und Herren, ich komme gerne zum Schluss. Ich gebe zu und wende mich noch einmal an den Kollegen Wenzel: Die Dinosaurier sind mir, ehrlich gesagt, eigentlich zu harmlos gewesen. Auch meine kleine Tochter hat einen. Mir fällt angesichts der Haltung der FDP-Fraktion eigentlich nur ein, dass Biedermänner hier zum Teil offensichtlich versuchen - so könnte man es sagen -, sich hier als Atombrandstifter zu gerieren. Das aber lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Sander das Wort.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wann spricht der Ministerpräsident? Hat der sich auch gemeldet?)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man die Überschrift Ihres Antrags zur Aktuellen Stunde liest, Herr Wenzel, dann fällt einem eigentlich nur der Spruch ein: Es blüht so grün, wenn Wenzels Blütenträume blühen.

(Beifall bei der FDP)

Sie wollen diese Worthülse im Grunde genommen nicht nur benutzen, um als Besserwisser der Nation dazustehen und um das zu bekräftigen, sondern jetzt wird es noch bemerkenswerter. Sie versuchen jetzt sogar, zu wissen, was die Koalitionsfraktionen wissen und wollen. Das, Herr Kollege Wenzel, ist mehr als bemerkenswert.

Weniger bemerkenswert ist - damit gehen Sie ja sehr großzügig um -, dass Sie die Wahrheit häufig etwas anders oder nur sehr selektiv wahrnehmen. Meine Damen und Herren, im Grunde genommen spielt es bei Ihnen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, auch keine Rolle mehr, ob Sie das mit Vorsatz oder nur fahrlässig tun. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Sie die Realität angesichts des dicken grünen Staubes, der auf Ihrer Brille sitzt, manchmal nicht mehr wahrnehmen.

(Heidrun Merk [SPD]: Reden Sie doch mal zur Sache! Sie sollten einmal über die Inhalte reden! Stattdessen aber beleidigen Sie immerzu nur! - Glocke des Präsidenten)

Herr Minister Sander, fahren Sie bitte fort.

Herr Kollege Wenzel, das ist für mich nur der Beweis dafür - das hat eben auch der Kollege Dr. Rösler gesagt -, dass Sie das Spiel mit den Ängsten der Menschen einfach brauchen. Diese Spiel haben Sie in der Vergangenheit immer wieder bewusst eingesetzt. Dieses Ritual pflegen Sie. Auch nachdem Ihre Kollegin aus dem Wendland nun im Europäischen Parlament sitzt, meinen Sie, dass Sie dieses Spiel fortsetzen müssten. - Es wäre sehr viel sinnvoller, Sie würden in dieser Frage zur Versachlichung beitragen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD)

- Frau Kollegin Merk, Ihre Beiträge kommen in der Form nicht immer an; man kann sie nur von der Lautstärke her wahrnehmen, aber inhaltlich bringen sie nichts.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich verstehe, dass die Meinung, die wir vertreten, von Ihnen unter Umständen nicht toleriert wird. Aber Sie müssen doch auch zur Kenntnis nehmen, dass es Meinungsumfragen gibt, wie z. B. die in der Welt vom 11. September veröffentlichte.

(Zuruf von der SPD)

- Wenn es Ihnen nicht gefällt, versuchen Sie, es durch Lautstärke niederzumachen. - In dieser Meinungsumfrage hat der Meinungsforscher Schöppner festgestellt, dass 52 % der Deutschen für einen Energiemix sind. Nicht mehr und nicht weniger predigt diese Regierung seit 15 Monaten. Nichts anderes ist in dieser Frage bisher unsererseits geschehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich darf aus eigener Erfahrung noch hinzufügen - das müsste Ihnen, Herr Kollege Wenzel, eigentlich bekannt sein -: Auf einer Veranstaltung der Umweltminister der CDUund FDP-geführten Länder in Brüssel ist uns von der Kommission klar und deutlich gesagt worden, dass auch europaweit - es ist klar, dass andere europäische Länder, wie die Diskussionen dazu in Frankreich oder Finnland zeigen, diese Frage ganz anders sehen - gilt, sich für die Kernenergie in einem Energiemix auszusprechen, unter der Voraussetzung, dass die Endlagerfrage geklärt ist. Meine Damen und Herren, Sie wissen das alles ganz genau, aber im Prinzip brauchen Sie diesen Verschiebebahnhof. Das wissen Sie auch, Herr Wenzel. Wenn Sie dieses Thema nicht mehr haben und es zu einer Versachlichung kommt, haben Sie ein ideologisches Thema weniger, mit dem Sie Wahlkampf betreiben können. Das ist die Wahrheit, Herr Wenzel.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Dehde, was erzählen Sie für Märchen? - Wenn Sie aus dem Wendland kommen, dann müssten Sie die Dinge eigentlich etwas besser wahrnehmen.

(Zuruf von der SPD)

- Ich habe gerade zu der direkt gewählten Abgeordneten aus dem Wendland geschaut. Das ist doch nicht Herr Dehde. Ich wollte ihre Reaktion hören.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nun zu der Endlagerfrage. Sie wollen mit Ihrem Entschließungsantrag im Grunde genommen von der von Ihnen vorgefassten Meinung, wir bräuchten zwei Endlagerstandorte, Abschied nehmen. Dass das sachlich und fachlich in Ordnung ist, wissen Sie ganz genau. Doch Sie machen Folgendes: Unter dem Umweltminister der letzten Landesregierung, Herrn Jüttner, wird Schacht Konrad planfestgestellt mit der Genehmigung des grünen Bundesumweltministers. Wenn Sie Konrad für schwachradioaktive Abfälle nicht mehr benötigen, dann fordern Sie Ihren Umweltminister doch auf, den Planfeststellungsbeschluss zurückzunehmen. Das ist doch das Mindeste, das Sie ehrlicherweise sagen müssten.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Fordern Sie bitte Ihren Umweltminister in Berlin, der dafür zuständig ist, auch auf, nicht nur auf Parteitagen anzukündigen, dass er die Endlagerung in anderem Wirtsgestein bzw. die Erkundung an vier Standorte will, sondern diese vier Standorte auch zu benennen. Nennen Sie doch diese vier Standorte! Oder haben Sie davor Angst, dass Sie damit auf die Nase fallen, weil die Bevölkerung es satt hat, dass mit diesen Ängsten weitergespielt wird?