Protokoll der Sitzung vom 17.11.2004

Ihre Vision vom Wohlfühlland ist für Wendländer nur Hohn und Spott. Soll hier auf Jahre hinaus zweierlei Recht gelten? Stellen Sie sich endlich der Debatte im Wendland, und beteiligen Sie sich an einer ergebnisoffenen Endlagersuche!

An dieser Stelle betone ich, dass wir den Entschließungsantrag der SPD-Fraktion begrüßen, den wir morgen beraten werden. Der Endlagersuchprozess orientiert sich an den Erfahrungen der Schweden. Er zielt auf Beteiligungsverfahren, die die Menschen mit- und sie ernst nehmen. Unsere Generation - darin sind wir uns wieder einig - muss das Problem verantwortlich lösen.

(Hermann Eppers [CDU]: Das ist ja toll!)

Dauerhafte Polizeieinsätze in dieser Frequenz, Stringenz und Stärke sind aber eines Rechtsstaates unwürdig, zumal sich der einfache Bürger fragen muss - hier zitiere ich sinngemäß aus der Zeit vom 11. November dieses Jahres -, wie Frankreich und andere Länder die Sicherheit seiner Atomanlagen garantieren will, wenn es noch nicht einmal gelingt, eine Bahnstrecke unter Kontrolle zu bringen, von terroristischen Anschlägen ganz zu schweigen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Wider- spruch bei der CDU und von Minister Walter Hirche)

Für die CDU-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Zachow das Wort.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das wird kein glücklicher Tag heute, Herr Wen- zel!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wenzel, auf den, der mit dem Finger auf andere zeigt, zeigen bekanntlich immer drei Finger zurück. In diesem Falle zeigen die drei Finger auf Berlin, wo im Grunde genommen gar keine Energiepolitik mehr stattfindet. Es fehlen Antworten auf die drängendsten Fragen. In den nächsten 15 bis 20 Jahren wird jede Menge Kraftwerke vom Netz genommen werden, weshalb dringlichst neue Kraftwerke geplant und gebaut werden müssen. In diesem Zusammenhang sprechen wir über 40 000 MW.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Soll das der Staat machen?)

Zusätzlich wollen Sie aus der Kernenergie aussteigen. Sie verfügen aber über kein Programm, wie all dies gemeistert werden soll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie sind auch in der Endlagerfrage kein Stück weitergekommen, obwohl sie es vorhatten.

Nun werfen Sie uns vor, dass wir neue Kernkraftwerke wollten. Ich wüsste nicht, dass sich die CDU irgendwo für neue Kernkraftwerke ausgesprochen hätte.

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

- Für die Verlängerung der Laufzeiten, aber nicht für neue Kernkraftwerke. Außerdem wird die Politik nie Kernkraftwerke bauen; dies wird die Wirtschaft tun.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD)

Auch aus der Wirtschaft kommen dafür derzeit keine Anzeichen. Das heißt, in Deutschland steht das Thema neue Kernkraftwerke nicht auf der Tagesordnung.

Wenn Sie dann behaupten, wir wollten mehr CASTORen, meine Damen, meine Herren von den Grünen, dann liegen Sie auch wieder völlig falsch. Es gibt völkerrechtliche Verträge, wonach wir die CASTORen aus Frankreich zurücknehmen müssen. Wie bindend diese Verträge sind, haben Sie 1998 nach dem Regierungswechsel erfahren müssen: Seinerzeit wollte Herr Trittin die Wiederaufarbeitung in Frankreich stoppen; er hatte aber keine Chance, damit durchzukommen. Auch dieser Vorwurf trifft also überhaupt nicht zu. Außerdem ist, wie wir alle wissen, die zuständige Genehmigungsbehörde eine Bundesbehörde, das Bundesamt für Strahlenschutz.

(Beifall bei der CDU)

Nun haben Sie uns vorgeworfen, wir wollten zwei Atommülllager. Ich bitte Sie, auch an dieses Thema etwas differenzierter heranzugehen. Wir sagen ein eindeutiges Ja zu Schacht Konrad. Dieses Lager ist planfestgestellt. Die so genannten Zwischenlager quellen über, müssten aber, wenn es nach Ihren Plänen ginge und wir nur ein Endlager bekämen, noch mindestens 30, wenn nicht 40 Jahre reichen. Sie reichen aber nicht aus; wir müssten neue Zwischenlager bauen und Abfälle umkonditionieren lassen. Dadurch würde viel Geld hinausgeworfen, obwohl Schacht Konrad zur Verfügung steht.

(Hermann Eppers [CDU]: Zu Konrad hat er nichts gesagt! Von wem wurde es genehmigt?)

Bei Gorleben, meine Damen, meine Herren, ist es ganz eindeutig - dies werden Sie von uns immer wieder hören -: Wir wollen die Erprobung bis zum Ende durchführen. Zurzeit ist Gorleben ein Erkundungsbergwerk. Erst dann, wenn die Erkundungen

abgeschlossen sein werden und die Geeignetheit des Bergwerks nachgewiesen oder auch nicht nachgewiesen sein wird, kann man seine Schlüsse ziehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Von uns werden Sie auf Ihre immer gleichen Einwürfe diese immer gleiche Antwort bekommen.

Allerdings haben Sie, Herr Wenzel - jetzt mache ich Ihnen ein Kompliment -, dieses Thema heute völlig neu verpackt und eine prähistorische Variante hineingebracht. Unterschätzen Sie aber die Dinosaurier nicht: Sie haben viele Millionen Jahre gelebt und sind bis heute echte Sympathieträger. Kein Kinderzimmer ohne Dinos! Genau aus diesem Grund, Herr Wenzel, schenke ich Ihnen für Ihr Zimmer einen Dino.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP - Anneliese Zachow [CDU] überreicht Stefan Wenzel [GRÜNE] ein Dinosauriermodell)

Für die FDP-Fraktion hat Dr. Rösler um das Wort gebeten. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor wenigen Minuten haben wir noch über Toleranz gesprochen. Nun haben wir es mit einem sehr schönen Beispiel dafür zu tun, wie tolerant SPD und Grüne in Wirklichkeit sind. Vor ein paar Wochen habe ich zu einem Umdenken in der Energiepolitik aufgefordert; meine Aussagen standen unter der Überschrift „Für eine Diskussion ohne Tabus“. Die Reaktion vonseiten der SPD war bezeichnend: Rösler will Niedersachsen zum Atomklo machen. - Auch die Äußerungen der Grünen waren gleichermaßen intolerant: FDP auf der Schleimspur der Atomindustrie. - Dies sind zwar harte Worte,

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Aber zu- treffend!)

meine sehr verehrten Kollegen, aber sie zeigen, dass die Opposition in diesem Hause inhaltlich total ausgelutscht ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deutschland braucht jetzt eine sichere Energieversorgung und wird sie auch künftig brauchen. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass wir auch künftig unsere Energie selbst produzieren können. Andere Staaten haben dies für sich längst erkannt; Deutschland wird mit Sicherheit nachziehen müssen. Zu einer ehrlichen Politik gehört es, den Menschen zu sagen, dass diese Energieproduktion nicht gänzlich ohne fossile Brennstoffe und nicht ohne Kernenergie auskommen kann, da auf absehbare Zeit regenerative Energien allein den Energiebedarf einer Industrienation wie Deutschland nicht decken können. Wer dies glaubt, ist naiv, und wer dies behauptet, handelt verantwortungslos.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Gerade derjenige, der wie die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP auf den Klimaschutz setzt, weiß, dass es zum jetzigen Zeitpunkt keine Alternative zur Kernenergie geben kann. Finnland und Frankreich haben dies längst erkannt und bauen sogar neue Kernkraftwerke; Sie aber handeln unredlich, wenn Sie in Deutschland von einem Ausstieg sprechen und dabei stillschweigend in Kauf nehmen, dass wir künftig unseren Energiebedarf womöglich bei diesen europäischen Nachbarstaaten werden decken müssen. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist keine auf Zukunft gerichtete Energiepolitik für Deutschland.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Momentan reden wir nicht von einem Neubau von Kernkraftwerken, wenngleich wir ihn auch nicht gänzlich ausschließen können. Heute geht es aber sehr wohl darum, über eine Verlängerung von Nutzungs- und Laufzeiten zu reden. Deswegen müssen wir von Ihrem so genannten Atomkonsens weg. Wir Freien Demokraten fordern den Ausstieg aus dem Ausstieg.

(Beifall bei der FDP)

Die Politik der Grünen sieht ganz anders aus: Erst machen Sie den Menschen Angst,

(Widerspruch von Enno Hagenah [GRÜNE])

und dann bieten Sie für die Probleme der Menschen nur naive Lösungen an. Dies bringt Ihnen zwar kurzfristig Erfolg, schadet auf Dauer aber den Menschen; denn die künftige Energieversorgung

bleibt dabei genauso wie der Klimaschutz auf der Strecke.

Noch viel schlimmer ist, dass Ihr Bundesumweltminister Trittin an Endlagerung kein echtes Interesse hat.

(David McAllister [CDU]: Richtig!)

Solange die Endlagerung ein Problem ist, ist auch die Kernenergie ein Problem, mit dem Sie gemütlich auf Stimmenfang gehen können. Unabhängig davon, wie man auch zur künftigen Nutzung von Kernenergie steht, muss man doch wenigstens die Frage beantworten, wie man mit dem Müll der jetzigen und der Vorgängergeneration umgehen will. 40 Jahre Zwischenlagerung können hier überhaupt keine Lösung sein. Wer so handelt, der handelt nicht nachhaltig und schon gar nicht im Interesse der nachfolgenden Generationen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir bleiben deshalb bei unserer Position. Wir fordern Jürgen Trittin auf, das Gorleben-Moratorium aufzuheben. Außerdem fordern wir eine ergebnisoffene - ich betone noch einmal: eine ergebnisoffene - Erkundung Gorlebens. Wir stehen nach wie vor für einen technologieoffenen Energiemix aus fossilen Brennstoffen, regenerativen Energien und Kernenergie, wie dies übrigens 52 % der Menschen in Deutschland auch tun. Das hat eine Emnid-Studie, die im September in der Welt veröffentlicht wurde, eindeutig belegt. Wenn hier also einer zu den Dinosauriern zählt - das wurde von Frau Zachow ja eindrucksvoll bewiesen -, dann sind es die Grünen, die die Probleme lieber nicht selbst lösen, sondern eher auf ihre Enkel verschieben. Wenn hier also jemand zu den Dinosauriern zählt, dann sind es die Grünen. Die Dinosaurier waren auch früher schon grün. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Dehde ums Wort gebeten. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Frau Zachow, ich weiß nicht, wer Ihnen noch sagen muss, dass Sie den Bau von Kernkraftwerken in Zukunft wollen müssen. Das hat

Herr Stoiber versucht; auch Herr Wulff versucht es. Und die FDP macht es schwarz auf weiß. Auch sie stellt diese Forderungen auf. Ich werde gleich noch ein bisschen detaillierter darauf eingehen. Wenn Sie sich hier im Parlament hinstellen und behaupten, dass es diese Forderung nicht gebe, dann weiß ich nicht, wen Sie mit dieser Aussage hinters Licht führen wollen. Mit uns werden Sie das nicht machen können.