Protokoll der Sitzung vom 18.11.2004

„und treibt das Land in die Kreisreform.“

Alle Prämissen in diesen fünf Zeilen sind falsch. Die Verwaltungsreform spart mehr, als sie kostet. Sie sorgt für eine ordentliche Verwaltungsstruktur: nämlich zweistufig, mutig, modern, vorangehend. Sie vollendet die unklaren Debatten der Vergangenheit über die Zuordnung von Aufgaben. Sie sorgt dafür, dass die Bürger in Zukunft unter einem Dach von der jeweils zuständigen Stelle umfassend beraten werden und nicht mehr von unterschiedlichen Behörden unterschiedliche Genehmigungen oder Bewilligungen zu erwarten haben. Das beinhaltet das Gutachten von Professor Hesse.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, dass man einen Fortschritt bei Professor Hesse darin erkennen kann, dass er seine jetzige Begutachtung zu einem Modellfall auch für die anderen Flächenländer, also auch für BadenWürttemberg, erklärt hat. Viele Bundeskongresse haben sich seitdem auch aufgrund dieses Gutachtens dafür entschieden, dass man in Deutschland auch in Flächenländern zu einer zweistufigen Verwaltung kommen sollte. Manchmal setzt sich in der Wissenschaft am Ende eines Prozesses ein Modell durch. Dies wird das niedersächsische Modell sein. Darauf sollten wir stolz sein.

Herr Professor Lennartz, ich erkenne bei Ihnen ausdrücklich an, dass Sie früher als andere erklärt

haben, man könne die Bezirksregierungen abschaffen. Das war für mich immer sehr wertvoll, weil Sie selber Regierungspräsident gewesen sind. Wenn ein ehemaliger Präsident des Regierungsbezirks Hannover auch bei den Grünen den Reformprozess vorantreibt und mit der Landtagsfraktion der Grünen hier sehr sachdienliche Hinweise gibt, bedeutet das auch eine Ermutigung, und zwar in der Hinsicht, dass es diese und jene gibt, nämlich diejenigen, die sich von erlebten Strukturen lösen können, und diejenigen, die eine bestimmte Struktur erlebt haben und sich eine andere Struktur gar nicht mehr vorstellen können. Wir konnten das glücklicherweise. An die neue Struktur werden Sie sich auch gewöhnen können. Dieser Gang in die Freiheit ist manchmal der Gang ins Neuland.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD)

- Ich meine das gar nicht so tierisch ernst - das passt jetzt wörtlich -, wie es manchmal bei Ihnen ankommt. Man muss sich manchmal auf Neuland vorwagen, auch wenn man noch Ängste davor hat, weil man nicht weiß, ob alles so sein wird, wie man es bisher kennen gelernt hat und wie es bisher war, und ob dabei etwas schief gehen könnte. Wenn man mit der Prämisse morgens aufsteht, dass man auch hinfallen könnte, wenn man losläuft, dann wird man ewig auf der Stelle treten. Manchmal muss man aber auch loslaufen, nur dann kommt man zum Ziel. Das ist einfach so im täglichen Leben. Unterstützen Sie uns doch bei dem Weg der Verwaltungsreform und legen uns nicht ständig Ihre Ängste, Sorgen und Nöte hier auf offenem Tisch aus, sodass wir sie dann stundenlang abarbeiten müssen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da sich alle darauf verständigt haben, diese Formulierung zurückzunehmen, nehme ich selbstverständlich auch meinen Ordnungsruf zurück, Herr Dr. Lennartz.

Zwei weitere Fragen liegen noch vor. Die zweite und damit für ihn letzte Frage stellt jetzt Herr Harden.

Ist der Landesregierung wirklich nicht bekannt, dass Professor Hesse die Bildung von Großkreisen

als zwingende Folge der Abschaffung der Bezirksregierungen bezeichnet hat?

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie kön- nen nicht einerseits uns die Kreisre- form vorwerfen, die angeblich kommt, und sie andererseits fordern!)

Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Heister-Neumann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einige Redner und Fragesteller haben immer wieder darauf hingewiesen, worum es bei dieser Diskussion geht: Es geht um die Aufgabenübertragung auf Kommunen, es geht um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bezirksregierungen, es geht darum, wo sie künftig arbeiten werden, welche Aufgaben sie haben werden. Ich möchte Sie jetzt bitten, wieder zum Thema dieser Dringlichen Anfrage zurückzukommen und den Rest vielleicht an einer anderen Stelle noch einmal neu zu behandeln. Das hat hiermit, glaube ich, nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die letzte Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Helmhold. Das ist ebenfalls ihre zweite und damit letzte Frage.

Aus der Bemerkung des Ministerpräsidenten, er beneide all die Kinder, die zukünftig von den Förstern unterrichtet werden, schließe ich, dass er die Kinder bedauert, die weiterhin bei den bisherigen Lehrkräften Unterricht haben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - La- chen bei der CDU und bei der FDP)

Ich frage die Landesregierung, ob sie aus dieser Einsicht Rückschlüsse für die zukünftige Ausbildung von Lehramtsanwärtern in diesem Bereich ziehen will.

Frau Kollegin Helmhold, vor dem Hintergrund, dass das in einer Antwort gesagt worden ist, könnten wir jede Dringliche Anfrage auf alle möglichen Fachbereiche ausweiten. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass wir versuchen sollten, uns wieder auf den wahren Kern der Dringlichen Anfrage zu konzentrieren.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Frau Präsi- dentin, wie viele Ermahnungen sollen wir noch kriegen?)

Ich sehe aber, der Herr Ministerpräsident möchte Ihnen gerne konkret eine Antwort geben. Bitte schön, Herr Ministerpräsident!

(Sigmar Gabriel [SPD]: Können Sie auch noch beantworten, woher Sie wissen, dass alle Förster singen kön- nen?)

Frau Vizepräsidentin, ich widerspreche dem Präsidium ungerne. Aber dass ich die Frage gerne beantworte, kann ich nicht unbedingt sagen. Ich würde mich beneidenswert finden, wenn ich sie nicht beantworten müsste, weil sie nach meiner Meinung nicht sehr zielführend ist. Man kann Dinge beneiden, man kann Menschen beneiden, aber muss deswegen nicht rückblickend bedauern. Man kann sich also auf das Wesentliche konzentrieren, man kann gönnen, ohne neiden zu müssen, und man kann beneiden, ohne bedauern zu müssen. Ich denke, das sollte uns allen ermöglicht sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt.

Vereinbarungsgemäß rufe ich die beiden folgenden Tagesordnungspunkte zusammen auf:

Tagesordnungspunkt 15: Zweite Beratung: Rückschritt auf dem Weg der notwendigen Hochschulreform verhindern und Juniorprofessur im Hochschulrahmengesetz (HRG) zügig absichern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1339 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 15/1404

und

Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung: Habilitation, Juniorprofessur und andere Qualifikationswege als gleichwertige Alternativen ermöglichen, Rechtssicherheit herstellen und die Befristungsregeln rückwirkend absichern - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/1422

Die Beschlussempfehlung des Ausschuss für Wissenschaft und Kultur zu dem Antrag der SPDFraktion in der Drucksache 1339 lautet auf Ablehnung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich von der CDU-Fraktion Herr Kollege Thümler. Bitte schön!

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn heute über die Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU und der FDP sowie der SPD-Fraktion zum Thema Juniorprofessur und/oder Habilitation diskutiert werden soll, dann lassen Sie mich zunächst etwas über den Anlass und die Ursache dieser Diskussion sagen.

Der Anlass ist klar: Das Bundesverfassungsgericht hat die Änderung des Hochschulrahmengesetzes, mit der Frau Bulmahn den Juniorprofessor einführen und die Habilitation abschaffen wollte, als verfassungswidrig abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass die Bundesregierung hier eindeutig ihre Gesetzgebungskompetenzen überschritten hat.

Damit komme ich schon zur Ursache der ganzen Problematik, die dieses Urteil ausgelöst hat: Die Ursache sitzt in Berlin, gelegentlich auch in Hannover, und heißt Edelgard Bulmahn. Frau Bulmahn glaubte, sie könne mit der Einführung der Juniorprofessur endlich einen Markstein auf ihrem Weg zur großen Bildungsreformatorin setzen. Das bedeutet natürlich auch, dass die ehrgeizige Innovationspolitikerin Bulmahn den Erfolg ganz für sich allein haben wollte. Deswegen hielt sie es auch nicht für nötig, die Betroffenen, nämlich die Universitäten und die Hochschulangehörigen, in ihre Überlegungen mit einzubeziehen. Viele Hochschulangehörige waren gegen die Juniorprofessur und wollten lieber den herkömmlichen Weg der Habilitation. Innerhalb kürzester Zeit sammelte der Deutsche Hochschulverband 3 700 Unterschriften gegen die Juniorprofessur.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Thümler, einen Augenblick, bitte. - Wir sollten uns wirklich daran halten: Wenn man nicht ganz leise reden kann, sollte man nicht an die Regierungsbank treten und die Debatte stören. Ich achte jetzt wirklich darauf. Das geht so nicht, vor allen Dingen wenn noch der eigene Mann redet.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das gilt für die eigene Frau auch!)

Herr Thümler, fahren Sie bitte fort.

Damit überschritt sie aber ihre Kompetenz. Schon angesichts dieser Entwicklung blieb Frau Bulmahn gar nichts anderes übrig, als die Habilitation als Alternative zur Juniorprofessur zu verbieten, um ihr persönliches Prestigeobjekt zu retten. Damit überschritt sie aber eindeutig ihre Kompetenz und griff verfassungswidrig in die Rechte der Länder ein, was das Bundesverfassungsgericht ja bestätigte.

Frau Bulmahns Politik ist ein schönes Beispiel für die Arbeit der rot-grünen Bundesregierung. Mit viel Innovationsgeklingel wurde schon wieder eine Jahrhundertreform auf den Weg gebracht und an die Wand gefahren.

(Beifall bei der CDU)

Nun stelle ich aber fest, dass die Ansicht von Frau Bulmahn auch in Hannover bei der SPD auf

fruchtbaren Boden gefallen ist. Ich möchte, wenn es der Herr Präsident erlaubt, aus dem Redebeitrag von Frau Dr. Andretta vom 29. Oktober zitieren:

„Damit sich der neue Karriereweg zur Professur im doch eher konservativen Wissenschaftssystem auch wirklich gegen die Habilitation durchsetzen kann, sollte die Habilitation zum Auslaufmodell werden.“

(Zustimmung bei der SPD)

Anscheinend wird die Durchsetzungsfähigkeit der Juniorprofessur von Ihnen selbst bezweifelt; sonst hätten Sie ja diese Politik nicht gutgeheißen. Wir wollen mit dieser Frage aber wesentlich offener umgehen als die SPD. Wir wollen die Juniorprofessur und die Habilitation als gleichwertige Qualifikationswege etablieren - und das aus gutem Grund. So können die einzelnen Wissenschaftszweige den Qualifikationsweg wählen, der zu ihrem Fach am besten passt. Jedes Fach hat seine eigene Methodik und damit auch seinen eigenen Ausbildungsgang. Überlassen Sie es doch den Fachleuten zu entscheiden, was sie für angemessen halten. Es ist ja nun wahrlich nicht so, dass die Habilitation, nur weil sie im 19. Jahrhundert eingeführt wurde, den wissenschaftlichen Ansprüchen der Gegenwart nicht mehr genügt. Oder, meine Damen und Herren von der SPD, wollen Sie etwa behaupten, unsere derzeitigen habilitierten Hochschulkräfte seien unqualifiziert?

(Zurufe von der SPD: Das hat damit doch gar nichts zu tun! Darum geht es doch gar nicht!)