Protokoll der Sitzung vom 18.11.2004

(Zurufe von der SPD: Das hat damit doch gar nichts zu tun! Darum geht es doch gar nicht!)

- Doch, das hat sehr viel damit zu tun. - Wenn nun gegen die Habilitation angeführt wird, sie dauere zu lange und die Habilitierten seien zu alt, liegt das vielleicht weniger an der Habilitation an sich.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das liegt dann wohl an Edelgard Bulmahn in Berlin!)

Vielleicht ist es ein Problem unseres gesamten Bildungssystems, dass man zu lange braucht, um einen Abschluss zu bekommen.

(Zustimmung bei der CDU)

Daran ändert allerdings auch die Einführung der Juniorprofessur, die ebenso auf der Dissertation aufbaut, nichts; denn der Wunsch der meisten

frisch Promovierten geht trotz der Juniorprofessur doch immer noch dahin, zunächst eine PostdocPhase zu machen, um weitere Erfahrungen im Wissenschaftsbetrieb zu sammeln.

Eine Reform der Habilitation wäre zudem möglich gewesen, wie die zwischen Universitäten und Land einvernehmliche Reform der Habilitation in Bayern zeigt. Der Deutsche Hochschulverband hatte zudem 2001 vorgeschlagen, die Assistenten mit einem Regelalter von 29 Jahren einzustellen. Innerhalb von sechs Jahren sollten sie dann die Habilitation anfertigen. Aber davon wollte Frau Bulmahn anscheinend nichts wissen; es ging eben doch nur darum, ihr Programm durchzusetzen.

Frau Dr. Andretta, es ist nun wenig Erkenntnis fördernd, die Habilitation einfach als „Fossil“ zu bezeichnen, die Juniorprofessur dagegen als Wundermittel der Hochschulkultur des 21. Jahrhunderts auszurufen. Solche schönen Attribute sagen doch gar nichts über die Tauglichkeit einer Struktur. Nur darum geht es uns. Die Juniorprofessur soll dem jungen Nachwuchswissenschaftler eine volle Selbstständigkeit gewährleisten. Der Juniorprofessor soll seine eigenen Mittel selbst verwalten, er übernimmt Lehrveranstaltungen und bekommt das Recht, Promotionen anzunehmen. Schon nach drei Jahren muss er seine Tätigkeit bewerten lassen.

Ich glaube, dies ist schon eine sehr hohe Herausforderung für jemanden, der gerade dem Doktorandenstadium entwachsen ist. Selbstständigkeit ist immer auch ein Stück Erfahrung, und manchmal ist es gut, solche Erfahrungen an einem Lehrstuhl zu sammeln, bevor man in die volle Verantwortung entlassen wird. Es werden wohl gerade die verwaltungsspezifischen Fragen sein, die insbesondere in der ersten Zeit der Juniorprofessur viel Zeit und Arbeitskraft absorbieren. Und wo bleibt dann die Forschung? Ich glaube, dass man es auch hier mit vielen Kinderkrankheiten zu tun hat.

Wir wollen der Juniorprofessur schon deshalb eine Chance geben, weil sie in bestimmten Fächern zunehmend bevorzugt wird. Für Ingenieurs- und Naturwissenschaften bietet sich die Juniorprofessur eben eher an als für Historiker. In Niedersachsen liegt der Schwerpunkt der Juniorprofessuren in den Naturwissenschaften, während die Fachbereiche Rechts- und Wirtschaftswissenschaften immer noch die Habilitation bevorzugen.

Welchen sinnvollen Grund sollte es nun geben, diese Entwicklung einfach zu übergehen? Es leuchtet mir überhaupt nicht ein, wieso die SPD gegenüber diesen Realitäten die Augen verschließt. Sie selbst und insbesondere Herr Oppermann haben doch in der letzten Legislaturperiode immer wieder eine höhere Selbstständigkeit der Universitäten gefordert. Und da fällt Ihnen jetzt nichts Besseres ein, als wieder nach bundeseinheitlichen Regelungen zu rufen, anstatt die Universitäten endlich in die Freiheit zu entlassen, die sie für eine erfolgreiche Wissenschaft benötigen? Das hat mit „Kleinstaaterei“, wie Frau Dr. Andretta es ausdrückt, im Übrigen überhaupt nichts zu tun. Wir wollen Wettbewerb und Eigenständigkeit fördern.

Die SPD fordert immer die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Hochschulen im internationalen Rahmen. Sie fordern Selbstständigkeit und Mobilität, nur im eigenen Land greifen Sie immer wieder zum Instrument des bürokratischen Zentralismus. Das passt nicht zusammen. Die Sorge um einen bildungspolitischen Flickenteppich halte ich daher für völlig unbegründet.

Frau Dr. Andretta glaubt weiter, Deutschland müsse im internationalen Wettbewerb der Wissenschaft mit einer Stimme sprechen. Wir aber sind der Auffassung, dass die Internationalisierung von Forschung und Lehre nicht über die Nationalstaaten, sondern über die einzelnen Universitäten führt. Man geht schließlich nicht nach Oxford wegen des britischen Hochschulsystems, sondern man geht dorthin wegen der Exzellenz der Universität Oxford, die international diesen Ruf genießt. Deshalb müssen wir unseren Universitäten die Freiheit geben, die sie brauchen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Der Wettbewerb im eigenen Land ist der erste Schritt dazu.

CDU und FDP werden daher einen anderen Weg gehen als die SPD. Wir werden hier in Niedersachsen gemeinsam mit den Hochschulen ein neues niedersächsisches Hochschulgesetz auf den Weg bringen und die Juniorprofessur und die Habilitation gleichermaßen verankern.

(Dr. Kuno Winn [CDU]: Der einzige Weg!)

Aus diesem Grund werden wir dem Reparaturgesetz zum HRG zustimmen, weil nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und auf Druck der Länder die Habilitation neben der Juniorprofessur wieder als gleichwertiger Qualifikati

onsweg anerkannt wird. Wir werden dem Reparaturgesetz zustimmen, um den Zustand der Rechtsunsicherheit, der die schon eingerichtete Juniorprofessur belastet, zu beseitigen. Wir werden dem Reparaturgesetz zustimmen, obwohl die notwendigen Änderungen im Befristungsrecht, z. B. für die Beschäftigten in Forschungsvorhaben, die aus Drittmitteln finanziert werden, immer noch nicht vorgenommen worden sind. Dies gehört zu den grundlegenden Blockaden der Bundesregierung bei den Reformbemühungen in Deutschland.

Ich darf für die CDU-Fraktion erklären, dass wir die Sorgen der Betroffenen in den Hochschulen und der Hochschulen als Institution ernst nehmen und sie in unsere Überlegungen mit einbeziehen. Wenn auch die ganze Verantwortung für die jetzige Verunsicherung bei der rot-grünen Bundesregierung liegt, so können sie versichert sein, dass wir sie nicht im Regen stehen lassen werden.

Lassen Sie mich abschließend noch eines hinzufügen: Wenn wir dem Reparaturgesetz zur Änderung des HRG unsere Zustimmung nicht verweigern,

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Und wa- rum Sie haben Sie unserem Antrag beim letzten Mal nicht zugestimmt?)

so tun wir das nur, um den Betroffenen wieder Rechtssicherheit zu verschaffen. Die Bundesregierung sollte sich daher nicht in Sicherheit wiegen und glauben, wir würden den hochschulpolitischen Zentralismus, den sie ausruft, länger als nötig hinnehmen. Unsere Perspektive bleibt die Abschaffung des HRG und die Etablierung eines Wettbewerbsföderalismus.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Abschließend darf ich für die Fraktionen von CDU und FDP sofortige Abstimmung beantragen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, bevor ich der Abgeordneten Frau Graschtat für die SPD-Fraktion das Wort erteile, stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Frau Graschtat, Sie haben das Wort

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem im letzten Plenarsitzungsabschnitt unklar geblieben war, wie es aus Sicht der CDU-Fraktion mit der Juniorprofessur weitergehen soll, haben wir sehr gespannt auf den für die Sitzung des Wissenschaftsausschusses angekündigten Änderungsantrag gewartet. In der Ausschusssitzung kam dann, wie erwartet, nichts,

(Widerspruch von Björn Thümler [CDU])

außer der machtvollen Ankündigung eines eigenen Entschließungsantrages, weil man ja eigene Prioritäten setzen wolle. Der Entschließungsantrag liegt nun vor, und man stellt fest: Es kreißte der Berg und gebar ein Mäuslein.

(Beifall bei der SPD)

Nachdem es am 29. Oktober noch hieß, man wolle und brauche keine bundeseinheitliche Regelung zur Juniorprofessur und das HRG sei vollständig überflüssig, hört sich das heute immerhin schon anders an. Hier hat wohl zumindest in kleinen Teilen die Vernunft gesiegt. Vermutlich hat auch Wissenschaftsminister Stratmann interveniert.

Nun zu den Inhalten Ihres Antrages und zu den Punkten, in denen wir anderer Auffassung sind: Wir wollen eine klare bundeseinheitliche Rahmenregelung und nicht etwas, das die Süddeutsche Zeitung als „Weg ins Fiasko“ bezeichnet hat, nämlich einen kleinstaaterischen Flickenteppich mit völlig unterschiedlichen Länderregelungen. Wir wollen keine neue und überflüssige Bürokratie durch unterschiedliche Regelungen in den Bundesländern mit der Notwendigkeit von Koordinierungsund Anerkennungsgremien. Das hätte nichts mit Wettbewerb zu tun, sondern wäre schlicht Unsinn, ausgetragen auf dem Rücken junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

(Björn Thümler [CDU]: Das hat aber Frau Bulmahn vorgesehen!)

Wir wollen vor allem die erfolgreiche Einführung der Juniorprofessur in Niedersachsen nicht dadurch gefährden, dass die international unübliche Habilitation wieder eingeführt wird.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist falsch!)

Wenn man sich ansieht, in welchen Fachrichtungen die Juniorprofessur bisher wenig genutzt wur

de, stellt man fest, dass dies in den eher konservativ strukturierten Bereichen Jura und Wirtschaftswissenschaften der Fall ist.

(Björn Thümler [CDU]: Bei Historikern auch!)

Dort sitzen offensichtlich besonders viele gesetzte Herren,

(Björn Thümler [CDU]: Damen auch!)

die tief in der Denkweise „Wir mussten da durch, dann sollen andere das auch“ verhaftet sind. Einen sachlichen Grund gibt es nicht;

(Dr. Kuno Winn [CDU]: Richtig ver- standen haben Sie das noch nicht!)

denn die wissenschaftlichen Leistungen, auch zum Beispiel das so genannte Zweite Buch, eine weitere große Schrift nach der Dissertation, werden eine zentrale Rolle bei der Beurteilung der Qualifikation in den Berufungsverfahren der aufnehmenden Hochschulen spielen. Das wollen wir. Was wir nicht wollen, ist ein Prüfungsverfahren an der bisherigen Hochschule mit allen damit verbundenen Abhängigkeiten, die nichts bringen - außer vertaner Zeit.

(Beifall bei der SPD)

Studien belegen eindeutig, dass die noch vorhandenen Akzeptanzprobleme der Juniorprofessur nicht im Modell selbst begründet liegen, sondern in seiner Umsetzung auf Hochschulebene. Insofern ist die Feststellung in Ihrem Antrag unzutreffend, die Juniorprofessur sei nicht für alle Fächergruppen geeignet.

(Björn Thümler [CDU]: Das stimmt aber!)

Das ist keine Frage der Eignung, sondern des Bewusstseins in den Köpfen.

(Beifall bei der SPD)

Wir alle wissen doch, wie Berufungsverfahren laufen. Das gilt natürlich - wie wir seit dem letzten Plenarsitzungsabschnitt wissen in besonderer Weise für den geschätzten Kollegen Professor Zielke. Unsere Auffassung entspricht im Übrigen ausdrücklich der Forderung des Wissenschaftsrates nach Verlagerung der Eignungsfeststellung auf das Berufungsverfahren. Lassen Sie also bitte die Mottenkiste der Habilitation dort stehen, wo sie hingehört, nämlich in der Ecke.

(Björn Thümler [CDU]: Unverschämt!)