Wenn wir über eine Reform der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung reden, dann geht es nicht um den Abbau des Sozialstaates, wohl aber um seinen Umbau. Wer eine Kurskorrektur fordert, betreibt keinen sozialen Kahlschlag, sondern handelt - im Gegenteil - verantwortungsbewusst.
Es liegen inzwischen verschiedene Vorschläge zur Reform der Einnahmenseite der Krankenversicherung vor. Eines betrifft das Konzept der Pauschalprämie. Was heißt das? - Das bedeutet: Jeder zahlt den Preis für Krankenversicherung am Markt. Einkommen, die dadurch überfordert sind, bekommen einen Zuschuss von der Solidargemeinschaft. Kinder werden beitragsfrei versichert; ihre Krankheitskosten tragen alle Deutschen gemeinsam aus Steuermitteln.
(Meta Janssen-Kucz [GRÜNE]: Wie steht es mit den ausländischen Ar- beitnehmern? - Gegenruf von Ernst- August Hoppenbrock [CDU]: Die Fra- gen kommen nachher!)
- Aus Steuermitteln von allen Deutschen und allen denjenigen, die in diesem Land Steuern zahlen. Gerne mit eingebunden, gerne mit eingebunden! Wer hier am Sozialwesen und an der Leistung, die Erziehende für die nächste Generation erbringen, partizipiert, soll sich durchaus an den Steuermitteln beteiligen, die für die nächste Generation gezahlt werden.
Meine Damen und Herren, es gibt kein sozial gerechteres Umverteilungssystem als das Steuersystem, weil durch die Progression im Steuertarif höhere Einkommen stärker herangezogen werden und weil Familien weniger und gar keine Steuern zahlen, je mehr Kinder sie haben. Das Prinzip, wonach jeder denselben Markpreis zahlt und Gerechtigkeit über das Steuersystem hergestellt wird, ist wohl bekannt und hat in Deutschland einen guten Namen. Es ist das Prinzip der sozialen Markwirtschaft.
Ich sage deshalb: Die Gesundheitsprämie ist gerechter, die Gesundheitsprämie ist solidarischer, die Gesundheitsprämie schafft Transparenz, und sie schafft Arbeit.
Sie ist gerecht, weil sie alle Einkommen vom Start an zur Finanzierung heranzieht, und zwar nach Leistungsfähigkeit. Die Gesundheitsprämie unterscheidet nicht zwischen Arbeitseinkommen, Mietund Zinseinkommen, wie dies die Bürgerversicherung tut.
Zum ersten Mal werden auch Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze belastet. Nicht umsonst titelt der Spiegel zur Pauschalprämie: „Umverteilung von oben nach unten.“
Bei der Bürgerversicherung dagegen endet die soziale Gerechtigkeit an der Beitragsbemessungsgrenze. Bei der SPD hört bei 3 500 Euro die Umverteilung auf, bei den Grünen ist man sich noch nicht so ganz sicher, ob die Umverteilung bei 3 500 Euro oder bei 5 100 Euro aufhört. Zur Finanzierung werden zwar Sparer teilweise und lohnabhängige Arbeit vollständig herangezogen, Mieteinnahmen aber dagegen gar nicht.
Am treffendsten kommentiert dies der SPD-Berater Professor Lauterbach in seinem Interview im Handelsblatt vom 31. August 2004. Auf die Frage, warum Erwerbs- und Kapitaleinkommen in der Bürgerversicherung so belastet werden, sagt er:
„Ich gebe zu, dass das ein Ungleichbehandlung ist. Völlige Beitragsgerechtigkeit gibt es in einem System
mit Beitragsbemessungsgrenzen nicht. Sie gibt es nur, wenn wir das Gesundheitssystem über Steuern finanzieren.“
- Die Gesundheitsprämie ist nun einmal das Konkurrenzmodell zur Bürgerversicherung. Wenn Sie fragen, wie die Finanzierung der Einnahmeseite der Krankenversicherung auf die Dauer auf sichere Füße gestellt werden kann, dann habe ich das Recht, dies differenziert darzustellen.
„Niemand würde auf die Idee kommen, die Miete für eine gleiche Wohnung nach dem Einkommen des Mieters zu berechnen. Wenn die Miete zu hoch ist, gibt es einen Zuschuss aus dem Steuersystem. Warum sollte diese Philosophie nicht auch im Gesundheitswesen gelten?“
Diese Feststellung stammt von Herrn Professor Rürup, und der ist Ihr Berater und hat Ihr Parteibuch.
Die Pauschalprämie reduziert die beschäftigungsfeindliche Anbindung der Krankheitskosten an die Arbeitskosten. Sie alle kennen ja das Zitat des Sachverständigenrates vom vergangenen Jahr:
„Die Tendenz ist eindeutig: Die Pauschalprämie erhöht die Beschäftigung. Die Bürgerversicherung verringert die Beschäftigung.“
In diesem Jahr hat der Sachverständigenrat ein ähnliches Votum abgegeben. Aber darüber werden wir sicherlich gleich noch diskutieren.
Auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen lehnt die Bürgerversicherung ab - immerhin 29 Wissenschaftler, von Hans Eichel handverlesen. Sie befürworten die Gesundheitsprämie.
Etwas Gutes hat diese Diskussion gehabt. Jetzt kann man die Konturen der Bürgerversicherung klarer erkennen. Die Beitragsgerechtigkeit wird völlig verlassen, wenn Sparer und Lohneinkommen belastet, aber Hausbesitzer entlastet werden. Die Verteuerung der Arbeitsplätze in Deutschland wird nicht gestoppt. Die volle Last der Krankenversicherung liegt weiterhin auf dem Faktor Arbeit. Die Ungerechtigkeit, dass Familien ihren eigenen Lastenausgleich selbst mitfinanzieren, wird auch nicht aufgehoben.
Im Unionsmodell der Gesundheitsprämie erfolgt der Familienlastenausgleich über das Steuersystem. Im Steuersystem wirken Kinder steuermindernd. Wer Kinder hat, der zahlt weniger.
Außerdem ist die Krankenversicherung völlig losgelöst von der Frage - das müsste gerade Sie von den Grünen interessieren -, ob es in einer Ehe einen oder zwei Verdiener gibt, ob diese Verdiener in Teilzeit - z. B. eine Dreiviertelstelle haben - oder in Vollzeit arbeiten. Dagegen wird bei der Bürgerversicherung Familien der Beitrag prozentual abgezogen, völlig unabhängig davon, ob und wie viele Kinder erzogen werden. Wenn in einer Ehe der zweite Ehepartner auch eine Arbeit aufnimmt, dann gibt es sofort eine Strafsteuer auf diese Arbeit. Der Staat mischt sich eben in die Frage ein, ob das Haushaltseinkommen von einem oder von beiden Ehepartnern verdient wird, indem er in der Bürgerversicherung die Einverdiener-Ehe begünstigt.
Meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen, eines muss man Ihnen in diesem Punkt lassen: Sie sind wirklich strukturkonservativ. Das ist fürwahr nicht der richtige Schritt zur verbesserten Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
In der Bürgerversicherung werden alle Probleme des heutigen Systems mitgeschleppt, bereichert um eine gigantische Bürokratie. Ich kann da nur den Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Arbeit und Wirtschaft, Rainer Wend, SPD, zitieren, der in der Welt vom 2. Juni fragt: „Muss man dann nur eine Steuererklärung oder auch eine Sozialversicherungsbeitragserklärung abgeben?“
In der Bürgerversicherung werden erst einmal alle Einkünfte danach unterschieden, ob es sich um Mieten, Pachten oder Kapitaleinkommen handelt. Dann wird bestimmt, ob und welche Freibeträge
(Zuruf von der SPD: Donnerwetter! Doch schon! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Auf die Frage muss sie doch antworten! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)
„Sozialministerin von der Leyen und auch der Ministerpräsident treten fortlaufend öffentlich für eine Umstrukturierung des System der gesetzlichen Krankenversicherung, also weg vom lohnbezogenen Beitragssystem hin zum Kopfpauschalenprämiensystem, ein.“,
dann habe ich das Recht, in der Antwort der Landesregierung genau auf diesen Anwurf zu reagieren. Und das tue ich hier.
Zu Frage 1: Die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder soll neu auch über das Steuersystem im Sondervermögen finanziert werden. Dies sind nach öffentlichen Berechnungen von Experten - ich nenne einige, damit die Unverdächtigkeit dieser Zahl auch klargestellt ist -, Rürup, Wille, Bork, Schnabel, Schneider, Ulrich, rund 16 Milliarden Euro.
Zu Frage 2: Auf der Basis der Steuerreform von Merz-Faltlhauser soll eine Absenkung des Spitzensteuersatzes von 42 % auf 39 % statt bisher 36 % erfolgen. Das ergibt 8 Milliarden Euro. Der zweite Teil ergibt sich aus dem Sondervermögen.
Zu Frage 3: Der Arbeitgeberbeitrag wird bei 6,5 % eingefroren und direkt in das Sondervermögen der Finanzverwaltung eingestellt.