Protokoll der Sitzung vom 19.11.2004

(Heidrun Merk [SPD]: Sie sitzen doch in der Landesmedienanstalt! Warum fragen Sie?)

Die Landesmedienanstalt finanziert sich aus 2 % der Rundfunkgebühren und hat in diesem Jahr 744 000 Euro nicht verbraucht, die an den NDR zurückgeführt werden.

(Heidrun Merk [SPD]: Das weiß sie doch!)

- Frau Kollegin Merk, Sie sind doch auch nicht erst seit vorgestern hier. Dass hier Fragen gestellt werden, deren Antworten man erahnen kann, dürfte auch Ihnen in den letzten Jahrzehnten schon einmal aufgefallen sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es werden in diesem Jahr also 744 000 Euro zurückgereicht. Dieser Betrag wird vom NDR im Sinne der Gebührenzahler eingesetzt. Sie kommen also den Gebührenzahlern zugute. Weil wir eine gewisse De-luxe-Ausstattung der Landesmedienanstalten - das war wohl mit Ihrer Fragestellung intendiert - und eine besonders hohe Zahl von Landesmedienanstalten sehen, haben wir klugerweise im Landesmediengesetz geregelt, dass in Zukunft jährlich 600 000 Euro für den Bereich der Musikförderung zur Verfügung stehen. Diese Mittel können für Projekte, die ausstrahlungsfähig sind, z. B. im Bereich unserer Jugendklangkörper wie dem Landesjugendsinfonieorchester, eingesetzt werden. Da sind wir auf gutem Wege, sodass diese Überschüsse zukünftig geringer ausfallen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Behr, bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, wie in der

Rückschau die so genannte SMS-Initiative - benannt nach den drei Ministerpräsidenten aus Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen - bewertet wird. Dort ist ja die Rundfunkgebührenerhöhung mit Strukturveränderungen beim öffentlichrechtlichen Rundfunk verbunden worden. Ist das eher ein Erfolg gewesen, oder ist diese Initiative eher gescheitert?

Herr Ministerpräsident!

Die eben genannte SMS-Initiative war sicherlich unter dem Gesichtspunkt erfolgreich, dass jetzt mit großer Aufmerksamkeit öffentlich über strukturelle Veränderungen des öffentlich-rechtlichen Bereichs diskutiert wird. Sie war sicherlich insofern noch nicht erfolgreich, als es noch nicht zu diesen Strukturveränderungen gekommen ist. Man muss die Initiative also sehr differenziert betrachten. Aber auch das ist Bestandteil eines Kompromisses. Selbstverständlich hat der Kollege Steinbrück bestimmte Positionen zusammen mit Herrn Stoiber vertreten, die uns nicht in jedem Fall gepasst haben. Aber wir haben es dann ja hinbekommen, dass uns am Ende das Ergebnis besonders gut passt, sodass unsere etwas lautlosere Initiative sicherlich erfolgreicher war.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Wiegel, bitte!

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Nachfrage. Die Überlegungen der KEF, auf deren Grundlage sie auf den Vorschlag von 1,09 Euro gekommen ist, sind in ihrem Bericht nachvollziehbar. Ich frage die Landesregierung: Nach welchen Kriterien hat die Ministerpräsidentenkonferenz festgelegt oder ermittelt, dass es genau diese 33 Cent weniger als 1,09 Euro sein müssen, damit diese Gebühr sozial verträglich ist? Bitte beantworten Sie die Frage vor dem Hintergrund, dass am Anfang dieses Jahres die meisten Kabelkunden Gebührenerhöhungen im zweistelligen Prozentbereich hinnehmen mussten.

Herr Ministerpräsident!

Ich gebe Ihnen Recht, dass es einige Auffälligkeiten gibt. Die Telefongebühren sind erhöht worden, und niemand hat davon Notiz genommen. Wir haben die Auffälligkeit, dass ganz offenkundig alle Hinweise darauf hindeuten, dass besonderes viele von denen, die von der Gebühr befreit sind, gleichzeitig einen besonders umfänglichen PremiereAnschluss haben. Es stimmt natürlich auch sehr nachdenklich, dass sich sozusagen diejenigen, die sich am wenigsten einen Anschluss leisten könnten, die teuersten Anschlüsse hinzuleisten.

(Friedrich Pörtner [CDU]: Hört, hört!)

Und wir haben natürlich in den Kabelnetzen die Situation einer gewissen Monopolisierung. Das ist der Grund dafür, warum die von mir geführte Landesregierung ganz massiv auf flächendeckenden Ausbau von DVB-T setzt, damit die Menschen in Zukunft mit einem solchen Decoder, der etwa 99 Euro kosten soll, alle wesentlichen Programme jedenfalls - 16 bis 24 - empfangen können, ohne die Kabelgebühren bezahlen zu müssen.

Sie haben mit Ihrer Fragestellung völlig Recht, dass eine Befreiung von der Kabelgebühr sozial sehr viel entlastender ist als die Frage, ob 1 Euro, 1,10 Euro oder 88 Cent.

Wie sind die 88 Cent entstanden? - Ein Teil ist entstanden durch diese verschobene Erhöhungsfrist, also 1. Januar zu 4. April. Weiter hat man die Selbstverpflichtung der Länder eingeschätzt, die Hinweise zu Personaleinsparungen seitens der KEF, die noch nicht verwirklicht worden sind, und Effektuierungspotenziale unter dem Gesichtspunkt: Wenn sich alle zur Decke strecken müssen, dann müssen auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten darüber nachdenken, wie sie sich zur Decke strecken können.

Eine Idee der Anstalten aus den Gesprächen - nicht von uns eingebracht - wäre ja, dass man sich beispielsweise an Sportrechten private Anstalten stärker als bisher beteiligt. Also wenn man für Milliarden Fußballrechte, Sportrechte, Übertragungsrechte für Olympische Spiel erwirbt, dann kann man Private ein bisschen stärker daran beteiligen, und dann hat man mehr eingespart, als die

Nicht-Erhöhung an Problemen für die Anstalten aufwirft.

Es ist also eine Mischkalkulation, die in den Kreisen der Ministerpräsidenten mit der KEF und den Anstalten diskutiert worden ist. Sie hat diesen Betrag ergeben, und die Anstalten - lassen Sie sich das wirklich von mir so sagen - werden mit dieser Herausforderung fertig werden; da bin ich ganz gewiss. Ich habe um zwei Liter Rotwein bester Jahrgänge mit dem Bundesvorsitzenden der Deutschen Journalistenvereinigung gewettet, dass die Anstalten nicht gegen die 16 Länderparlamente klagen werden, wenn dieser Vertrag durch alle 16 Länderparlamente hindurch ist. Das wird noch ein schwieriger Prozess. Sie können ja auch sagen: 88 Cent sind uns zu viel. - Also wenn das durch ist, wird nicht geklagt werden, und das Leben geht weiter.

(Beifall bei der CDU und der FDP - Unruhe bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Solche Wettpartner suche ich mir auch mal!)

Weitere Wortmeldungen für Zusatzfragen liegen mir nicht vor. - Doch. Dann bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Müsste sich das deutsche System der öffentlich-rechtlichen Anstalten über die aktuelle Diskussion zur Gebührenerhöhung hinaus nicht eigentlich viel mehr Sorgen machen angesichts des Drucks der Europäischen Kommission, das deutsche System an europäisches Wettbewerbsrecht anzupassen, und würde das nicht möglicherweise das Ende von ARD und ZDF bedeuten?

(Beifall bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, bitte!

Die Landesregierungen und die Länderparlamente sollten ein gemeinsames Interesse daran haben, dass die öffentlich-rechtliche Struktur in die Zukunft hinein gesichert wird und damit auch die Qualität der Grundversorgung. Im Sinne der Fragestellung

erfordert das, dass wir die Berichte der KEF sorgfältig prüfen, sie also nicht einfach blind übernehmen, aber diese sorgfältige Prüfung auch begründen und hier so behutsam, so vorsichtig vorgehen, wie wir vorgegangen sind. Dann erwarten wir überhaupt keine Auswirkungen aus Brüssel.

Die einzige Auswirkung, die es in Zukunft geben kann, bringt die Transparenzrichtlinie der Europäischen Kommission, wonach in Zukunft wahrscheinlich ein großer bürokratischer Aufwand in der Unterscheidung von Kosten, abgegrenzt zu den Werbeeinnahmen und Kosten der Werbung, entsteht. Da wird es Probleme geben. Ansonsten sehe ich keine Auswirkungen aus Brüssel.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt gibt es aber keine weiteren Wortmeldungen für Zusatzfragen. Wir kommen deswegen zu

Frage 2: Auswirkungen der geplanten Kopfpauschale

Es ist eine Frage der Abgeordneten Frau JanssenKucz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte tragen Sie sie jetzt vor.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sozialministerin von der Leyen und auch der Ministerpräsident treten fortlaufend öffentlich für eine Umstrukturierung des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung, also weg vom lohnbezogenen Beitragssystem hin zum Kopfpauschalenprämiensystem, ein. Dieses ursprünglich von der HerzogKommission kreierte Modell stellt ein Konzept mit mehreren „Unbekannten“ dar, was u. a. dazu geführt hat, dass sich der bayrische Ministerpräsident Stoiber nicht vorstellen kann, mit so einem Konstrukt die Bundestagswahl zu gewinnen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie hoch wird nach ihrer Auffassung der über die Steuer zu leistende so genannte soziale Ausgleich beim Kopfprämienmodell beziffert?

2. Auf der Basis welchen Steuermodells und welchen Steueraufkommens soll dieser Ausgleich umgesetzt werden?

3. Welche Sicherheiten haben die Arbeitgeber bisher angeboten, dass der an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach dem Modell auszuzahlende Arbeitgeberbeitrag auf Dauer in voller Höhe als Tariflohn ausgezahlt und versteuert wird?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin von der Leyen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Beginn des neuen Jahrzehnts herrscht in Deutschland sowohl beim Thema Wachstum als auch beim Thema Beschäftigung Alarmstufe Rot. Besonders bedrückend ist, dass ein Ende der Talfahrt noch nicht abzusehen ist. Die Bertelsmann-Stiftung hat in einem am 7. Oktober 2004 veröffentlichten internationalen Standort-Ranking von 21 Industrienationen für die Bundesrepublik Deutschland festgestellt:

„Arbeitsmarktperformance ungenügend, Wachstumsentwicklung mangelhaft, Europas größte Volkswirtschaft liegt auf dem letzten Platz von 21 Industrienationen.“

Vor diesem Hintergrund müssen wir alles daransetzen, wieder Arbeit in Deutschland zu schaffen. Der Arbeitsmarkt in Deutschland trägt eine gewaltige Last mit sich. Auf den schmalen Schultern von 26 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt die gesamte Sozialversicherung von 90 % der Deutschen. Vollzeitarbeitsplätze werden mit einer Abgabenlast von mehr als 40 % belegt. Das wirkt wie eine Strafsteuer auf Arbeit.

1998 hatte die Bundesregierung versprochen, die Lohnnebenkosten auf unter 40 % zu drücken.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Herausgekommen ist das Gegenteil: eine Negativquote, die die 42 %-Marke wieder erreicht hat trotz Ökosteuer.

Auch die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind gestiegen. Der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung hat berechnet, dass auch im kommenden Jahr der durchschnittliche Beitragssatz nicht unter 14 % sinkt, obwohl er nach der letzten Gesundheitsreform deutlich unter 14 % sinken sollte. Die Begründung hat der Schätzerkreis auch gleich mitgeliefert: