Protokoll der Sitzung vom 14.12.2004

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Warum ha- ben Sie eigentlich die Klassenfre- quenzen nicht gesenkt?)

Wenn die Eltern aufgrund der Freigabe des Elternwillens, was richtig ist, auch weiterhin mit den Füßen abstimmen und ihre Kinder auf Realschulen und Gymnasien schicken, dann stellt sich allerdings die Frage, ob die Aussage nicht doch richtig ist, die Hauptschule könne auf Dauer kein Erfolgsmodell sein. Deshalb erwarten wir, dass Sie, Herr Minister, die Zusammenarbeit von Hauptschulen und Realschulen so klar fortsetzen, wie es teilweise vorgesehen ist. Darin wäre eine Chance zur Stärkung der Hauptschülerinnen und Hauptschüler zu sehen.

(Glocke der Präsidentin)

Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass die Hauptschülerinnen und Hauptschüler vor Eintritt in die Hauptschule bereits eine gewisse Karriere hinter sich gebracht haben. Es ist die Frage zu stellen, was in der Grundschule und in der Vorschule abgelaufen ist.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wie ist es in der Orientierungsstufe abgelaufen?)

Hier kann ich die Kritik meines Kollegen Jüttner nur unterstützen. Wenn wir die Zahl der Hauptschülerinnen und Hauptschüler verringern wollen, dann ist es die wichtigste Aufgabe, mit der Förderung so frühzeitig zu beginnen, dass später andere Wege gegangen werden können.

Eine letzte Anmerkung zum Thema Einheitsschule - -

Herr Kollege Meinhold, Ihre letzte Anmerkung sollte sich bitte auf einen letzten Satz beschränken. Sie haben Ihre Redezeit schon überschritten.

Kein Mensch redet von Einheitsschule.

(Bernd Althusmann [CDU]: Kein ver- nünftiger Mensch!)

Aber, Herr Minister und liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die Aufteilung von Kindern in Sonderschüler, Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten beenden. Wir wollen, dass sie gemeinsam unterrichtet werden. Sie dürfen nicht nach dem Motto der Aussortierung unterrichtet werden. Vielmehr muss ihre jeweilige Begabung unterstützt werden. Wir wissen aus allen Untersuchungen, dass heterogene Gruppen für das Lernklima besser als homogene Gruppen sind. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung Herr Minister Busemann, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Bundesbildungsministerin ist schon einiges gesagt worden. Auch sind ebenso schöne wie zutreffende Zitate von SPD-Politikern aus vielen Bundesländern vorgetragen worden. In diese Reihe passt ein Zitat des Schulsenators Böger, eines Sozialdemokraten aus Berlin. Er warf Bundesministerin Bulmahn vor, eine Phantomdiskussion zu führen, und sagte dann - dem kann ich mich nur anschließen -:

„Die Schulpolitik ist Ländersache. Die Bundesbildungsministerin hat deshalb keinerlei Zuständigkeit. Sie sollte sich lieber um ihre Angelegenheiten kümmern.“

Das ist so falsch nicht.

(Beifall bei der CDU)

Herr Meinhold, Sie deuteten eben an, Frau Bulmahn habe irgendwelche Reformschritte eingeleitet. Angesichts der Zuständigkeit der Länder kann ich dies schon vom Begriff her nicht nachvollziehen.

Zu den Bundesmitteln für Ganztagsschulen: Hier geht es um Baumittel, die vom Land Niedersachsen abgerufen und zu 100 % weitergegeben werden. Dies hat nichts damit zu tun, wie viele Standorte wir mit Landesressourcen genehmigen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Mit Landes- ressourcen? Null Landesressourcen!)

Die sind knapp genug; das wissen wir gerade in diesen Tagen. Sie kommen dennoch nicht an einer Zahl vorbei: Wir liegen bereits bei über 316 Standorten; nach KMK-Ranking sollen es schon über 400 sein. Aber da will ich mich nicht verheben; denn 316 sind schon doppelt so viele wie bei allen meinen Vorgängern. Dies sollten Sie einmal loben. Wir werden versuchen, dies weiterzuführen, damit es noch mehr Standorte werden.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Null Landesmittel!)

- Das ist in diesen Tagen nicht so einfach. Aber warten Sie einmal ab.

Es gibt ja diese alte Debatte um Schulformen und -strukturen. Wenn ich Sie, Herrn Jüttner, ab und zu Sie, Herrn Gabriel, die grüne Seite oder heute Herrn Meinhold höre, dann wäre ich im Interesse der Klarheit der Diskussion gegenüber der Öffentlichkeit dankbar, wenn Sie sich darüber einigen, was Sie wollen. Es geht nicht an, zwei Jahre lang immer dieselbe ideologieverbrämte Phantomdiskussion um Schulstrukturen zu führen. Wollen Sie es nun, oder wollen Sie es nicht? Wollen Sie eine Einheitsschule von den Klassen 1 bis 6, 1 bis 10, 1 bis 12? Wollen Sie eine Gesamtschule? Ich habe auch einmal gelesen, dass Sie eine Regionalschule oder etwas Ähnliches wollen. Im Sinne der Wahrheit und Klarheit gegenüber der Öffentlichkeit wäre es sinnvoll, wenn Sie sich einmal einigten. Dann können Sie einen Gesetzentwurf vorlegen, und dann wissen wir, wo Sie stehen. Das möchte ich nicht noch drei weitere Jahre lang erleben.

(Beifall bei der CDU)

Wir möchten nicht dieses Gauklerelement, das auch Frau Bulmahn sehr stark einbringt. Da sollte man Klarheit schaffen.

Wir haben die Diskussion geführt. Niemand verkennt Probleme rund um die Hauptschule. Aber man löst die Probleme der Hauptschule nicht dadurch, dass man alles zusammenschmeißt, eine Einheitsschule macht und das Schild „Hauptschule“ gegen das Schild „Gesamtschule“ oder „Einheitsschule“ austauscht. So einfach ist das nicht.

(Walter Meinhold [SPD]: Das hat nie- mand behauptet!)

Dahinter stehen junge Menschen, die begabungsgerecht beschult werden wollen. Man muss sich ihnen individuell widmen und darf nicht nur Systemdebatten führen und sagen, dass mit dem Austauschen der Schilder alles in Ordnung ist. Das haben wir lange diskutiert.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt haben 21 % der Eltern die Hauptschule angewählt. Allein von der Statistik her gibt es also eine gewisse Stabilisierung. Bei allem Respekt vor bestehenden Problemen: Da sind junge Menschen, um die wir uns kümmern müssen. Es gibt Eltern und Lehrer, die sich einbringen und einsetzen, um die man sich kümmern muss. Sie, Herr Kollege Jüttner, haben bei Ihrer Pressekonferenz auch etwas Richtiges gesagt.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wie konnte das passieren! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Das ist aber sel- ten!)

Sie haben z. B. gesagt, man dürfe die Schülerinnen und Schüler nicht entmutigen, sondern müsse sie ermuntern und motivieren. - Einverstanden. Das gilt aber auch für Hauptschülerinnen und Hauptschüler und nicht auf der Linie: Rumpfschule, Restschule, Versagerschule, das alles taugt nichts usw.

Man könnte noch vieles sagen und viele schöne Zitate bringen. Es gilt aber immer nur das, was praktisch getan wird. Dieses Parlament hat zum Thema Hauptschule ein Hauptschulprofilierungsprogramm auf den Weg gebracht. Ein Teil des Konzeptes ist die Abschaffung der Orientierungsstufe gewesen. Das bedeutet, dass die Hauptschule, wie andere Schulformen auch, erst einmal die Jahrgänge 5 und 6 dazugewonnen hat. Gehen Sie einmal in die Hauptschulen. Die Lehrerinnen und Lehrer sagen durchaus, dass die Arbeitsbedingungen jetzt besser sind, weil die Schülerinnen und Schüler zwei Jahre eher begabungsgerecht beschult werden können.

Dann haben Sie die Klassengröße angesprochen. Diese habe ich in der Tat von 28 auf 26 Schüler verringert, was jetzt faktisch dazu führt, dass die Klassengröße durchschnittlich bei etwa 20 Schülerinnen und Schülern liegt - und das in einem Bereich, der sicherlich auch für die Lehrerinnen und Lehrer schwierig ist. Manch einer wird sagen, 16 wäre noch besser. Aber damit ist doch auch eine Botschaft verbunden, indem wir sagen, dieser Be

reich ist nicht einfach, also machen wir die Klassen dort kleiner.

Wir haben das Sozialarbeiterprogramm von meiner Amtsvorgängerin aufgelegt. Dieses Anschubprogramm, das eigentlich zum Auslaufen verurteilt war, haben wir exakt mit 5 Millionen Euro aufgenommen, also nicht gekürzt. Im Haushaltsvollzug sind daraus 4,8 Millionen Euro geworden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber deswegen wurde keine Sozialarbeiterstelle irgendwo weggenommen. Wenn Sie sich den Haushalt, den auch Sie am Donnerstag beschließen können, ansehen, dann werden Sie feststellen, dass wir einen gewissen Anteil Umwandlungsstellen vorgesehen haben. Lehrerstellen werden in Sozialarbeiterbudgets oder -stellen umgewandelt, was dazu führt - es gilt meine Ansage, Sozialarbeit flächendeckend zu machen -, dass wir zusätzliche Möglichkeiten für die Schulstandorte schaffen werden. Herr Kollege Meinhold, niemand fährt etwas zurück, sondern wir satteln vorsichtig - so wie es in diesen Tagen geboten ist - drauf. Bitte lesen Sie, bevor Sie hier sprechen, alle Unterlagen. In keinem Erlass nehmen wir die Praxistage zurück.

(Beifall bei der CDU)

Es sind 80 Betriebs- oder Praxistage vorgesehen. Die Botschaft ist, mehr Berufsvorbereitung und -orientierung an den Hauptschulen zu machen. Wir fahren nicht zurück. Das machen wir nicht nur in Papenburg, sondern auch anderswo.

(Walter Meinhold [SPD]: Wo denn? - Weiter Zurufe von der SPD)

Dabei sind die Schulen sehr gut selber unterwegs. Wir nehmen von dem Erlass nichts zurück.

Dann will ich Sie darauf hinweisen, dass wir die Hauptschulen bevorzugt u. a. mit Ganztagsschulangeboten bedienen. Wir ergreifen also ein ganzes Bündel von Maßnahmen.

Sie haben das Thema Haupt- und Realschule angesprochen. Ich kann nur sagen: Da muss man nichts vereinheitlichen oder von oben verfügen. Viele Standorte haben sich sozusagen im verbundenen System zusammengefunden. Das läuft prima und stabilisiert teilweise die Hauptschule, teilweise die Realschule. Aber es ist erkennbar, was Haupt- und was Realschule ist. Das ist der entscheidende Unterschied.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

So könnte man noch viele andere Maßnahmen ansprechen. Ich habe das Anliegen im Interesse unseres Schulwesens - gerade auch im Interesse der Hauptschülerinnen und Hauptschüler -: Hört auf mit diesen Systemdebatten, in denen ein Allheilmittel versprochen wird. Hier kommt ihr in der Regel ja auch nicht nach. Lasst uns Schritt für Schritt prüfen, wie wir unser Schulsystem mit vielen Einzelmaßnahmen sanieren. Dann muss man der Schule und den jungen Menschen Zeit geben. Nach ein paar Jahren werden sich die Ergebnisse einstellen. Da bin ich ganz sicher. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Walter Meinhold [SPD]: Das war mangelhaft!)

Weitere Wortmeldungen zu Tagesordnungspunkt 1 b) liegen mir nicht vor. Ich stelle damit fest, dass wir diesen Punkt erledigt haben.

Ich eröffne die Beratung zu

c) Nichts gelernt aus Albrechts Debakel: Wulff will NDR zu Staatsfernsehen machen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1552