c) Nichts gelernt aus Albrechts Debakel: Wulff will NDR zu Staatsfernsehen machen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1552
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor einer guten Woche hat Herr Ministerpräsident Wulff zum großen Sprung angesetzt. Heute, wenige Tage später, ist dieser Sprung bereits zu einem Hüpfer geschrumpft.
Den NDR wollte er reformieren, gab er bekannt, weil so wenig Niedersachsen im Fernsehen zu sehen und im Radio zu hören sei und weil der Rundfunkrat so groß sei.
Und wenn der NDR nicht willig ist, dann werde der Vertrag gekündigt. Diesen Knüppel der Kündigung hat Knecht Ruprecht aus Osnabrück nicht lange schwingen können. Schon wenige Tage später
haben ihm seine Ministerpräsidentenkollegen und -kollegin diesen Knüppel aus der Hand geschlagen. Sie wollten nicht mitmachen bei diesem neuerlichen Coup aus der hannoverschen Staatskanzlei.
Nun bleibt Christian Wulff nur noch ein kleiner Taktstock, mit dem er sein Niedersachsenlied dirigieren darf.
Darum hören sich heute Wulffs Argumente schon etwas moderater an: Die Kündigung sei nur das letzte Mittel seiner vorgeschlagenen Reform. Und das versteht er unter der Reform: mehr Niedersachsen.
Das hört sich gut an. Wer wollte da nicht Beifall klatschen! Aber es lohnt sich, vorher einmal hinzusehen und hinzuhören, was es denn bereits alles für Niedersachen im NDR gibt. Die HAZ hat das getan. Sie hat ein gutes Fazit gezogen. Hamburg ist längst nicht mehr der Mittelpunkt, hat mein Journalistenkollege Mellin geschrieben. Richtig ist: Im NDR hat es noch nie so viel Niedersachsen gegeben wie heute. Das lässt sich belegen.
Ich nenne als Beispiele die vier Außenstudios in Braunschweig, Göttingen, Oldenburg und Osnabrück. Mit einer ganzen Hand voll Sendungen geht der NDR regelmäßig über Land. Ich nenne die „Landpartie“, die „Aktuelle Schaubude“ oder die „Nordtour“. Der NDR ist beim Karnevalsumzug in Braunschweig und beim hannoverschen Schützenumzug dabei.
Der NDR ist außerdem Hauptsponsor des Musikprogramms beim Tag der Niedersachsen. Im Hörfunk, meine Damen und Herren, spielt Radio Niedersachsen nicht nur in der Bundesliga der dritten Hörfunkprogramme; nein, es hält seit Jahren bundesweit die Tabellenspitze.
Aber zurück zum Wunschzettel unseres Ministerpräsidenten. Wünschen kann man sich ja viel. Nach meinem Gefühl versucht man, Wünsche
durchzusetzen, indem man erst einmal Gespräche führt, indem man erst einmal verhandelt. Wenn jemand seine Wünsche aber über das Instrument des Staatsvertrages erfüllen will, dann nenne ich das einen Eingriff in die Rundfunkfreiheit, meine Damen und Herren.
Wer dafür Staatsverträge kündigen will, verletzt das Gebot der Staatsferne und der Programmhoheit. Aber mit solchen Verletzungen der Staatsferne haben CDU und FDP ja sowieso keine Probleme. Das haben sie bei der eiligen Neufassung des Niedersächsischen Mediengesetzes bewiesen. Sie haben es „Gebot zur Staatsferne“ genannt und der SPD die Medienbeteiligungen an Verlagen aus der Hand geschlagen. „Effizienzsteigerung“ haben Sie es genannt, als Sie die Versammlung der Landesmedienanstalt mal eben um die Hälfte zurechtgestutzt haben. Aber Ihre Präsenz in diesem Gremium haben Sie kräftig erhöht. Der Begriff der Staatsferne wird von Ihnen, meine Damen und Herren, jeweils nach Gusto für den Einzelfall zurechtgerückt.
Wer also einen Staatsvertrag kündigen will, der hat anderes im Sinn als Programmgestaltung. Christian Wulff will bei der Gremienbesetzung mitreden. Die Forderung nach schlanken Gremien ist allseits in Mode, aber auch hier lohnt sich genaues Hinsehen. Der NDR-Rundfunkrat hat 58 Mitglieder, aber er vertritt vier Länder. Umgerechnet sind das gerade einmal 14,5 Personen pro Bundesland.
Das Einsenderland Hessen hat 16 Personen in seinem Rundfunkrat, der Zweiländersender Südwestrundfunk 70 Personen. Diese Zahlen nur zum Vergleich.
Ich bleibe dabei: Der Durchgriff in die Gremien des NDR ist Ihr wirkliches Anliegen, Herr Ministerpräsident. Das nenne ich „Liebäugeln mit einem Staatsfunk“. Der Pluralismus, der den NDRRundfunkrat jetzt auszeichnet, soll zugunsten eines kleineren, dafür aber steuerbaren Zirkels geopfert werden. Das ist das, was Sie wirklich wollen, Herr Wulff.
Das lässt Erinnerungen wach werden. Schließlich war es Ihr CDU-Vorgänger Ernst Albrecht, der 1978 einen Niedersachsensender durchsetzen wollte. Daraus wurde bekanntermaßen nichts. Ich erinnere an die damals erfolgreiche Kampagne „Drei Länder - ein Sender“.
Ja, Frau Präsidentin. - Aber Kündigungen werden ja offensichtlich zu Ihrem Spezialgebiet, Herr Ministerpräsident. Dummerweise sind alle Kündigungen, mit denen Sie gedroht haben, nur Ankündigungen geblieben. Kündigung der KMK, Front gegen die Rechtschreibreform und nun der Erpressungsversuch gegenüber dem NDR - das sind treffliche Themen, um sich bundesweit zu profilieren. Sie fußen sehr wenig in der Landespolitik, und sie haben einen ganz erheblichen Vorteil, Herr Ministerpräsident: Sie verursachen keine Kosten im Landeshaushalt. Damit kann man sich prima profilieren.
Ich halte es mit dem Kommentator Stefan Freiwald von der Oldenburgischen Volkszeitung und möchte, wenn Sie erlauben, Frau Präsidentin - -
Das Zitat: Wenn Christian Wulff unbedingt will, dass Niedersachsen in Rundfunk und Fernsehen erwähnt wird, dann sollte er mit seiner Politik für Schlagzeilen sorgen, am besten für positive.
Damit wäre allen am besten gedient - dem Land, dem Sender und dem Ministerpräsidenten. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Amei Wiegel, Sie bauen hier einen Popanz auf, der dem Thema überhaupt nicht gerecht wird.
Klar ist: Die Landesregierung und die sie tragende CDU-Landtagsfraktion stehen selbstverständlich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und damit zum NDR. Wir wollen einen starken NDR, und zwar als Vierländeranstalt im Norden. Der NDRStaatsvertrag ist seit dem 1. März 1992 unverändert. Nach § 44 Abs. 1 müsste er zum 28. Februar nächsten Jahres gekündigt werden, sonst verlängert er sich im Februar 2007 automatisch um weitere fünf Jahre. Meine Damen und Herren, daher ist es doch ganz normal und geradezu geboten, dass die Landesregierung genau jetzt die Inhalte dieses Staatsvertrages auf den Prüfstand stellt.
Die CDU ist der Meinung, dass man strukturelle Veränderungen fordern und Programmüberlegungen anstellen kann, ohne gleich die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu gefährden.
Unser Ministerpräsident Christan Wulff hat ein absolut berechtigtes Anliegen zum Thema gemacht, und die CDU-Landtagsfraktion unterstützt ihn voll und ganz.
Der Staatsvertrag könnte in vielen Bereichen modernisiert werden. Lassen Sie mich vier Beispiele nennen.
Erstens. In der Tat müssen die Gremien des NDR verschlankt werden. Oft sitzen bis zu 100 Personen im NDR-Rundfunkrat - 58 Offizielle und Dut