Protokoll der Sitzung vom 04.04.2003

Die Antworten der Landesregierung zu den Anfragen, die jetzt nicht mehr aufgerufen werden konnten, werden nach § 47 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben.

Wir kommen damit zu den strittigen Eingaben, d. h. zur Fortsetzung von

Tagesordnungspunkt 2:

1. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 15/70 Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/85 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/86

Über die Ausschussempfehlungen zu den Eingaben in der Drucksache 70, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen, haben wir bereits in der 3. Sitzung am 2. April entschieden. Wir beraten also jetzt nur noch über die Eingaben aus der Drucksache 70, zu denen die genannten Änderungsanträge vorliegen.

Zur Eingabe 5991 hat sich Herr Dr. Lennartz zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu der Eingabe der Eheleute Hartmann aus Braunschweig. Es geht in dieser Angelegenheit um eine happige Müllgebührenerhöhung mit Wirkung vom 1. Januar 2003. - Sie sagen vielleicht auf den ersten Blick, das ist doch ein allgemeines Phänomen; warum sollte man sich damit intensiver beschäftigen.

Der Ausschuss für Inneres und Sport hat die Unterrichtung der Einsender über die Sach- und Rechtslage empfohlen. Der Grund, warum wir hier zu einer Änderung, nämlich Überweisung als Material an die Landesregierung, sprechen, liegt im Folgenden. Die Stadt Braunschweig hat 1994 einen Vertrag mit einem Abfallbetreiber geschlossen, der es

in sich hat. Der Vertrag sieht eine Laufzeit von 30 Jahren vor, und auch, dass die Stadt pro Jahr etwa 136 000 Tonnen andienen muss. Sie dient zurzeit maximal 80 000 Tonnen an. Eine Tonne kostet nach diesem alten Vertrag 250 DM; das kostet sie jetzt umgerechnet immer noch. Es hat ein Preisprüfungsverfahren bei der Bezirksregierung Braunschweig gegeben, das im Januar 2002 zu dem Ergebnis führte, dass die höchstzulässige Zahlung pro Tonne 202 DM wäre oder entsprechend umgerechnet in Euro. Die Gebührenerhöhungen, die jetzt zustande gekommen sind, die auch zu großen Empörungen - nicht nur bei diesen Petenten, sondern in der Bevölkerung insgesamt führen, beziffern sich für die graue Tonne auf knapp 30 %, für die grüne Tonne auf sogar 100 %. Wir sind der Auffassung, dass hier in diesem Vertragsabschluss von 1994 - man muss das so krass sagen - tatsächlich ein Fall von Misswirtschaft vorliegt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir möchten, dass die Landesregierung, in diesem Fall der Innenminister als Kommunalaufsicht, tätig wird und der Stadt Braunschweig behilflich ist, um durch Nachverhandlungen mit dem Abfallentsorger zu einem angemessenen Preis zu kommen, der dazu führt, dass diese drastischen Gebührenerhöhungen nicht auf den Buckel der Gebührenzahler, also der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Braunschweig, abgeladen werden und dass das korrigiert wird.

Als letzte Bemerkung: Wir sind prinzipiell nicht immer sehr schnell dafür, das Schwert der Kommunalaufsicht zu ziehen. Aber hier ist der Fall für unsere Begriffe eklatant genug, dass man diesen Vorschlag machen sollte. Ich kann mir - an die Damen und Herren der CDU-Fraktion gerichtet vorstellen, dass Ihr Oberbürgermeister Dr. Hoffmann, wie ich ihn kenne, keine Probleme damit hätte, wenn er Unterstützung vonseiten des Innenministeriums in Hannover bekäme, um eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber dem Abfallentsorger zu haben. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur selben Eingabe hat sich der Abgeordnete Bachmann gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt zwei gute Gründe, warum wir im Fachausschuss für Inneres diesem Ansinnen von Herrn Dr. Lennartz nicht gefolgt sind und den Vorschlag, die Einsender über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten, unterstützen.

Es geht erstens um die grundsätzliche Frage, ob sich das Landesparlament in einen Vorgang kommunaler Selbstverwaltung einmischen soll. Zweitens gibt es ein gutes Einvernehmen darüber, dass wir den Ausgang von anhängigen Gerichtsprozessen erst einmal abwarten.

Es gibt in Braunschweig zwei Musterprozesse, die Haus und Grund und der Deutsche Siedlerbund führen. Alle Widersprüche gegen die Gebührenbescheide sind bis zum Vorliegen der Urteile ausgesetzt. Ich halte es deswegen auch an dieser Stelle für eine richtige Verfahrensweise, seitens des Landesparlaments nicht mit einer Materialüberweisung eine Art Scheinvorgang zu eröffnen, der keine Verbindlichkeit hat. Das wissen Sie, Herr Dr. Lennartz. Da die Prozesse anhängig sind, haben wir allen Grund, die Ergebnisse abzuwarten. Deswegen wird die SPD-Fraktion wie im Ausschuss für die Unterrichtung der Einsender über die Sachund Rechtslage stimmen.

Nur zur Kenntnis: Wir haben dem Vertrag in Braunschweig unsere Zustimmung nicht gegeben. Es geht also nicht etwa darum, unsere Position zu verteidigen, sondern es geht darum, eine gute Gepflogenheit bei der Behandlung von Eingaben zu wahren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Schrader!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die CDU-Fraktion wird so entscheiden wie die SPD-Fraktion im Ausschuss für Inneres und Sport. Wir haben in diesem Ausschuss ausführlich darüber diskutiert, Herr Lennartz.

Ein Hinweis von meiner Seite: Herr Dr. Hoffmann, den Sie zitiert haben, ist Manns genug - wir sind mittendrin in den Nachverhandlungen mit dem Betreiber -, um für die Bürgerinnen und Bürger der

Stadt Braunschweig eine vernünftige Lösung zu erzielen. Ich gebe Ihnen insofern Recht, als der Vertrag, der Ende der 90er-Jahre unterzeichnet worden ist, sicherlich kein Highlight gewesen ist. Aber wir sind auf dem besten Wege, für die Bürgerinnen und Bürger eine vernünftige Regelung zu erreichen. Wie der Kollege Bachmann schon ausgeführt hat, werden zurzeit zwei Musterprozesse geführt. Ich meine, wir können guter Hoffnung sein, dass diese Prozesse erfolgreich ausgehen werden. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Herr Lehmann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Ergänzung der Ausführungen der Kollegen Bachmann und Schrader darf ich sagen, dass sich die Ratsherrinnen und Ratsherren der Stadt Braunschweig und der Rat insgesamt zusammen mit der Verwaltung und mit dem Oberbürgermeister darum bemühen, eine Änderung dieses Vertrags herbeizuführen, da die Belastung in der Tat sehr groß ist. Das ist aber nicht so einfach, weil Vertragswerke nicht einfach geändert werden können. Auch dazu gibt es schon verschiedene juristische Prüfungen. Es macht sicherlich wenig Sinn, eine Änderung des bezüglich der Eingabe zu fassenden Beschlusses herbeizuführen, wie sie jetzt beantragt wird. Deshalb wird die FDP-Fraktion den Vorschlag des Ausschusses unterstützen. Falls die Landesregierung in der Lage ist, irgendeinen Einfluss auf den Vertragspartner der Stadt Braunschweig zu nehmen, um eine Verbesserung für die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, ist die Stadt Braunschweig daran sehr interessiert. Um diese Unterstützung kann ich nur herzlich bitten.

(Beifall bei der FDP)

Und das nächste Mal heißt es „Frau Präsidentin“!

(Zurufe)

Herr Voigtländer!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich spreche zur Eingabe der Eheleute Teichgräber. Es geht um Dyskalkulie. Wenn Sie bis heute nicht gewusst haben, was sich damit verbindet, dann gehören Sie wahrscheinlich zur Mehrheit dieses Hauses.

Worum geht es tatsächlich? Es geht um eine Teilleistungsschwäche, die vor allen Dingen bei Grundschulkindern auftaucht. Es handelt sich nicht um eine Rechtschreibschwäche, sondern um eine Mathematikschwäche. Die Gelehrten sind sich nicht so ganz einig, aber es geht um eine wohl angeborene Mathematikschwäche. Die Frage ist, wie man mit Grundschulkindern analog zur Legasthenie umgeht. In der Vergangenheit hat sich ein Kollege besonders verdient gemacht. Er hat eine Kleine Anfrage an die Landesregierung geschrieben. Ich will nur einige der Fragen vorlesen, weil ich meine, dass sie angemessen gewesen sind.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Immer! Du kennst mich doch!)

Im Ausschuss hat die CDU-Fraktion im Übrigen mit Mehrheit für die Überweisung als Material an die Landesregierung gestimmt. Wir waren der Ansicht, wir sind sehr viel weiter, als dass man dazu weiteres Material braucht.

Aber nun zu den Fragen, die, wie ich meine, die Inhalte weiter erhellen. Es heißt:

„Wie sollen zurzeit Kinder mit diagnostizierter Dyskalkulie in der Schule und in den Zeugnissen benotet werden, und wie hat diese Benotung auszusehen?“

Weiter heißt es:

„Warum wird Dyskalkulie im Gegensatz zur Lese-Rechtschreib-Schwäche in der Schule mehr als Teilleistungsschwäche anerkannt?“

Und schließlich:

„Wie soll bei Kindern mit Dyskalkulie analog dem Lese- und Rechtschreiberlass verfahren werden?“

Der Lese- und Rechtschreiberlass läuft aus. Das Ministerium hat in mehreren Fällen - gerade zuletzt auch im Zusammenhang mit dieser Eingabe

deutlich signalisiert - allerdings vor der Wahl, Herr Klare; aber das sollte man den Kindern nicht anlasten -,

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Deswegen „Material“!)

dass man inzwischen auch aufgrund von Ergebnissen der Kultusministerkonferenz - dazu gibt es eine Arbeitsgruppe, die seit zwei Jahren tagt - doch der Ansicht ist, dass man gemeinsam eine schnelle Lösung finden wird, wobei nicht so sehr auf die Ursachen abgehoben wird, sondern vielmehr darauf, ob man dem Kind hilft, wenn die Noten in der 3. und 4. Klasse ausgesetzt werden oder nicht.

Es ist also, Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein schutzbedürftiges Interesse, um das es hier geht. Und wenn ich heute schon Geburtstag habe, nach neun Jahren diesmal während des Plenums, dann können Sie sich eigentlich meinem Wunsch zugunsten eines kleinen Mädchens nicht verschließen und müssen sich diesmal, was es in diesem Landtag wahrscheinlich noch nie gegeben hat, ausnahmsweise einmal der Mehrheit anschließen. Die Mehrheit sind Sie dann selbst. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Zielke!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich in die Grundschule kam, gab es das Fach Musik. Ich hatte nur Pech: Es wurde immer gesungen, und ich konnte nicht singen. Aber ich hatte zum Glück einen Lehrer, der Einsicht hatte. Ich hatte im Zeugnis als Note im Fach Musik „Nichtsänger“ stehen.

(Heiterkeit im ganzen Hause)

Ja, so einfach waren die Dinge damals.

(Beifall bei der FDP)