Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

Lieber Kollege Gabriel, so viel zu den Fakten. Herzlichen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Versenkt!)

Jetzt hat noch einmal Herr Gabriel von der SPDFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Althusmann, wissen Sie, was der Unterschied

zwischen uns beiden ist? - Ich kenne die Inhalte der Gesetze und Sie nur die Überschriften.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Sie lesen die Überschriften der Gesetze und wir die Inhalte.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage Ihnen: Wir werden keinem Gesetzentwurf zustimmen, mit dem Sie beantragen, dass die Steuern für die Arbeitnehmer und ihre Familien erhöht und gleichzeitig für die Freiberufler und die Handwerksmeister abgesenkt werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist die Position dieser Landesregierung: Sie sind für die Abschaffung der Gewerbesteuer und für die Einführung eines eigenen Hebesatzrechtes für die Städte und Gemeinden zur Einkommensteuer. Das bedeutet Steuererhöhungen für die Arbeitnehmer und ihre Familien - die nämlich keine Steuergestaltungsmöglichkeiten wie die Unternehmen haben - und Steuersenkungen für die Unternehmen. Deswegen stimmen wir gegen solche Vorschläge der Landesregierung.

Ich sage Ihnen: Ihre eigenen Kommunalpolitiker mit Frau Roth an der Spitze - der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund - haben Sie aufgefordert, dem Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Revitalisierung der Gewerbesteuer im Vermittlungsausschuss zuzustimmen. Sie haben Ihre Kommunalpolitiker im Regen stehen lassen. Das ist die Realität.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident Wulff, bitte!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um der Wahrheit Genüge zu tun, Herr Kollege Gabriel, möchte ich hier noch einmal ausdrücklich festhalten, dass das, was Sie

gerade vorgetragen haben, nicht der Wahrheit entspricht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Entwicklung zur Gemeindefinanzreform ist so, wie sie vorgetragen wurde. Sie haben 1997 - das ist inzwischen sieben, fast acht Jahre her - hier im Hause gesagt: Wenn wir die Verantwortung für Deutschland im Deutschen Bundestag bekommen, dann werden wir eine Gemeindefinanzreform machen und unverzüglich zur Entlastung der angespannten kommunalen Finanzlage beitragen.

Dann aber haben Sie jahrelang überhaupt nichts getan. Nach Jahren haben Sie dann eine Kommission eingesetzt. Diese hat ein Modell vorgeschlagen. Aber das Modell, das diese Expertenkommission vorgeschlagen hat, haben Sie niemals zum Gegenstand einer Beschlussfassung im Deutschen Bundestag gemacht. Stattdessen haben Sie sich in einem Chaos der Gewerbesteuerreform mit Mehrbelastungen verheddert. Am Ende sind Sie gescheitert, und zwar auch an den kommunalen Spitzenverbänden, die sich niemals für Ihr Modell erwärmt, sondern immer eine grundlegende Gemeindefinanzreform gefordert haben, die Sie bis heute im Deutschen Bundestag nicht zustande gebracht haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die zweite Bemerkung ist mir noch wichtiger. In einem Zustand, in dem die Bundesregierung nicht handlungsfähig ist, in dem sie es nicht auf die Reihe bekommt, in dem sie die Jahre ins Land ziehen lässt und Zeit vertrödelt, haben wir - Bayern und Niedersachsen - gesagt: Wir beantragen die Absenkung der Gewerbesteuerumlage, weil das die einzige Maßnahme ist, die in diesem Dickicht sofort Hilfe verspricht.

Wir haben diesen Antrag durchgesetzt, und zwar sowohl im Bundesrat - Antragsteller Bayern und Niedersachsen als auch im Vermittlungsausschuss. Da ich der Verhandlungsführer Niedersachsens im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss war, kann ich Ihnen sagen: In den Sitzungen, auch in den kleinen Runden, ist von uns genau dieser Antrag zur Bedingung für die Zustimmung zu anderen Beschlüssen gemacht worden.

Dann haben wir das durchgesetzt, und diese Entlastung merken die Kommunen jetzt real. Alles andere, was Sie hier erzählen, ist das Werfen von Nebelkerzen und im Grunde genommen ein Ab

lenkungsmanöver. Die Einzigen, die geholfen haben, sind wir gewesen.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Gabriel hat noch einmal um das Wort gebeten.

Herr Ministerpräsident, wir werden das so machen wie gestern: Wir werden Sie immer wieder damit konfrontieren, was Sie hier an Unwahrheiten vortragen.

(Beifall bei der SPD - Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Erstens. Sie haben gerade behauptet, ich hätte die Sache falsch dargestellt. Sie selbst und Ihr Finanzminister - das konnten Sie in allen Zeitungen lesen - waren für die Abschaffung der Gewerbesteuer und für die Einführung eines kommunalen Hebesatzrechtes. Ich wiederhole: Das bedeutet Steuererhöhungen für die Arbeitnehmer und ihre Familien und Steuersenkungen für die Unternehmen.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Da Sie ja offensichtlich an Zitaten noch nicht genug haben, lese ich Ihnen noch einmal eines vor. Die Präsidentin des Deutschen Städtetages Roth (CDU) ruft zu parteiübergreifendem Konsens bei der Gewerbesteuer auf. Frau Roth schreibt:

„Nach dem Koalitionskompromiss“

- damit meint sie SPD und Grüne im Bundestag und nicht etwa Sie hier im Landtag

„darf es jetzt nicht zu einer Blockade im Bundesrat kommen. Die Gewerbesteuer muss stabilisiert und gestärkt werden. Dazu sind beide Elemente erforderlich: eine Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen wie auch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage.... Parteitaktik“

- das war in Ihre Richtung gemeint

„sollte zurücktreten, damit den Städten und ihren Bürgerinnen und Bürgern jetzt rasch geholfen wird.“

Das war die Position des Deutschen Städtetages. Sie haben sich diesem Kompromiss verweigert.

(Beifall bei der SPD)

(Präsident Jürgen Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Sie sagen uns, wir hätten erst einmal eine Kommission eingerichtet, und es wäre erst nach vier, fünf oder sechs Jahren - nach fünf Jahren insgesamt - zu einer Verbesserung der Gemeindefinanzen gekommen. Herr Wulff, Sie haben doch 16 Jahre lang gewusst, dass die Sozialhilfeleistungen für Langzeitarbeitslose zu hoch sind. Sie haben nichts getan. Herr Wulff, es war doch Ihr Vorgänger von der CDU, Herr Albrecht, der das erste Mal den Versuch unternommen hatte, die Länder von den zu hohen Kosten der Langzeitarbeitslosigkeit zu befreien. Das war doch eine AlbrechtInitiative. Dafür gab es im Kompromisswege die so genannten Strukturhilfemittel. Das waren für Niedersachsen damals 650 Millionen DM. Davon haben ungefähr 150 Millionen DM die Städte und Gemeinden direkt bekommen. Der Rest ging an das Land. Diese Strukturhilfe sollte bis 1998 laufen. Aber 1994 hat Ihr damaliger Bundesfinanzminister Theo Waigel diese Strukturhilfe ersatzlos gestrichen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Er hat das vor dem Hintergrund der Kosten der deutschen Einheit getan. Dazu kann man stehen. Allerdings hat das dazu geführt, dass die Städte und Gemeinden in Niedersachsen und in ganz Deutschland weiterhin auf den Sozialhilfeleistungen für die Langzeitarbeitslosigkeit hängen geblieben sind. Diejenigen, die das abgeschafft haben, waren SPD und Grüne mit Hartz IV. Das haben Sie ja noch „Hartz-Gequatsche“ genannt. Und jetzt sind Sie schon wieder dabei, die Sozialhilfelasten für die Städte und Gemeinden in Niedersachsen zu erhöhen, weil Sie erstens die Leute in die Blindenhilfe schicken und zweitens dafür sorgen, dass Menschen in den Altenheimen - weil Sie dort die Zuschüsse zu den Investitionen streichen - aufgrund zu hoher Pflegesätze in die Sozialhilfe kommen.

Das ist das, was die Kommunen bei Ihnen kennen lernen. Das ist Ihr Verständnis von Konnexität.

Frau Roth und Ihre eigenen CDU-Kommunalpolitiker haben Sie dafür kritisiert, dass Sie die Gewerbesteuerreform haben scheitern lassen. Da können Sie sich leider nicht rausreden.

(Starker Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Herr Ministerpräsident.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich so argumentieren würde wie Herr Gabriel - was ich auch in den nächsten Jahrzehnten aber nicht zu tun beabsichtige -, dann würde ich jetzt sagen: In den AlbrechtJahren ist ein glänzender Vorschlag gemacht worden, da ist Erfolg erzielt worden, da ist etwas durchgesetzt worden, nämlich über zehn Jahre 675 Millionen DM im Jahr.

(Zuruf von der SPD: Das hat er auch gesagt!)

Auch in den jetzigen Zeiten wurde etwas erreicht, nämlich eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage. Aber in der Zeit dazwischen wurde der seinerzeit erreichte Erfolg von Ihrem Ministerpräsidenten Schröder im Bundesrat aufgegeben. - Soweit sozusagen die Epochendarstellung.

(Beifall bei der FDP - Sigmar Gabriel [SPD]: Da klatschen nicht einmal Ihre eigenen Leute!)

Ich erinnere mich sehr genau daran, wie die Landtagsprotokolle verzeichnen: Es war ein gigantischer Erfolg, ein Superverhandlungsergebnis von Schröder, dass es ihm gelungen sei, die AlbrechtStrukturhilfemittel für Niedersachsen in einen neuen Bund-Länder-Finanzausgleich einzubringen und dass unter dem Strich Niedersachsen als Land und auch die Kommunen nachhaltig von diesem Verhandlungserfolg profitieren. Wenn Sie also sagen, 1994 war es ganz schlimm, wie das verändert wurde, dann müssen Sie einmal nachlesen, wie Sie den damaligen Kompromiss zur Aufgabe der Albrecht-Mittel hier im Landtagsplenum abgefeiert haben, dass das ein Verhandlungserfolg von Gerhard Schröder gewesen sei. Da kann ich nur sagen: Nur eines kann richtig sein.