Protokoll der Sitzung vom 21.04.2005

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Sie sind am Ende, Herr Kollege!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen einen neuen Armuts- und Reichtumsbericht, um die anstehenden Herausforderungen für ein zukünftiges und menschliches Niedersachsen bewältigen zu können. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt die Kollegin Kohlenberg von der CDU-Fraktion. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie wissen, ich habe viele Jahre im Krankenhaus gearbeitet. Mit der Forderung nach der Fortführung des Armuts- und Reichtumsberichtes des Landes erinnern Sie mich an jemanden, der einen Patienten fünfmal untersucht, immer zur gleichen Diagnose kommt, dann noch einen Bericht darüber schreibt, anstatt den armen Menschen endlich einmal zu behandeln, damit er wieder gesund wird.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe schon in meiner Rede während des Februar-Plenums darauf hingewiesen, dass wir wirklich genug Berichte haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Das Statistische Landesamt und zahlreiche Sozialorganisationen tragen seit vielen Jahren die Daten zusammen. Sie selbst, Frau Helmhold, haben in Ihrer Rede zahlreiche Einzelheiten aufgeführt, die wir schon lange wissen. Die Diagnose steht. Selbstverständlich können wir die Verwaltung beschäftigen und uns weitere Berichte mit mehreren hundert Seiten erstellen lassen, die dann in irgendwelchen Schubladen verstauben. Aber bringt uns diese Fleißarbeit wirklich in irgendeiner Form weiter?

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Überhaupt nicht!)

Hier geht es nicht um statistische Einzelfragen, hier geht es wirklich um menschliche Schicksale.

(Beifall bei der CDU)

Den betroffenen Menschen helfen wir nicht, indem wir noch mehr Berichte produzieren, sondern indem wir Taten folgen lassen. Genau dies tut diese Landesregierung. Wir wissen, um auf das eingangs genannte Beispiel zurückzukommen, woran der Patient Sozialstaat krankt. Wir können sein Leiden im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode begutachten und analysieren. Die von CDU und FDP getragene Landesregierung hat aber schon längst mit der Therapie begonnen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

- Ja, das kommt jetzt. Genau. - Wir haben eine umfassende Schulreform durchgeführt, weil wir wissen, wie wichtig Bildung für unsere Jungen und Mädchen ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Es gibt den Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich, die Sprachförderung - auch wenn Sie es nicht hören wollen -, die Ganztagsschulen, das Hauptschulprofilierungsprogramm und die Qualitätsschule.

(Axel Plaue [SPD]: Sie bieten eine Nulldiät, Frau Kollegin!)

- Das müssen gerade Sie sagen. - Wir haben Maßnahmen ergriffen, um die Jugendarbeitslosigkeit abzubauen, so z. B. die erfolgreich arbeitenden Pro-Aktiv-Centren. Ein Beispiel mehr: die Mehrgenerationenhäuser. Dies sind Orte, wo wir

das Miteinander der Generationen und das soziale Lernen fördern,

(Beifall bei der CDU)

und zwar nicht durch Berichte, wie man so etwas macht, sondern praktisch, indem wir den ehrenamtlichen Schatz in unserer Gesellschaft heben. Seit dem 1. April 2004 gilt die Prüfung aller kabinettsrelevanten Angelegenheiten einschließlich der Gesetzentwürfe auf familienpolitische Belange. Fördern und fordern, wie es so schön heißt.

Wir tun, was wir können, aber wir könnten noch viel mehr tun, wenn Sie unser Land nicht an den Rand des Bankrotts getrieben hätten.

(Beifall bei der CDU - Oh! bei der SPD)

- Ja! - Die Landesregierung hat bei der Übernahme der Regierungsgeschäfte am 4. März 2003 eine Gesamtverschuldung des Landes von mehr als 40 Milliarden Euro vorgefunden. Die Nettokreditaufnahme des Jahres 2002 hatte mit 2,95 Milliarden Euro bekanntermaßen ihren unrühmlichen und verantwortungslosen Höhepunkt erreicht.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen aber auch ganz offen: Solange Ihr Kanzler und Ihr Kabinett in Berlin

(Werner Buß [SPD]: Das ist der Kanzler!)

eine solche Wirtschafts- und Finanzpolitik betreibt, können wir uns in Niedersachsen - salopp gesagt ein Bein ausreißen. Familien und allein Erziehende mit Kindern sind überproportional von Armut betroffen. Mit dem Armuts- und Reichtumsbericht des Bundes haben Sie es Schwarz auf Weiß. Die Menschen in Deutschland sind, seit Sie die Regierungsverantwortung im Bund tragen, immer ärmer geworden.

(Beifall bei der CDU)

Wir fordern Sie auf, dort aktiv zu werden. Setzen Sie die Forderung des Bundesverfassungsgerichts um, die Familien wirklich zu entlasten, damit der Familienlastenausgleich auch seinen Namen verdient.

(Beifall bei der CDU)

Fordern Sie hier im Landtag keine Berichte, sondern machen Sie Ihre Hausaufgaben im Bund.

Vor wenigen Tagen haben wir - um ein weiteres Beispiel zu nennen - die Zahlen über die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen auf der Bundesebene auf den Tisch bekommen. Dies sind Zahlen, die mich als Sozialpolitikerin und Mutter wirklich erschüttern. Junge Menschen erfahren, dass sie nicht gebraucht werden.

Meine Damen und Herren, die beste Armutsbekämpfung bleiben eine gute Bildung und Ausbildung sowie die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit. Das kann man nicht oft genug wiederholen. In der Begründung Ihres Antrags weisen Sie darauf hin. Wir haben das schon längst erkannt und mit den von mir zitierten Maßnahmen wichtige Schritte eingeleitet. Wenn Sie das schon wissen und wir danach handeln, dann kann ich nicht nachvollziehen, wozu noch ein Bericht gut sein soll. Die Vermutung liegt nahe: Unsere Therapie passt Ihnen nicht. Oder anders ausgedrückt: Sie wollen einfach Ihre Forderung nach einem Bericht durchsetzen, ob er nun irgendeinen Sinn hat oder nicht.

Aber die Medizin muss immer zu dem Patienten passen, nicht umgekehrt, sonst wird es nämlich nichts mit der Heilung. Unser aller Ziel ist es, eine effektive Armutsbekämpfung und nicht weitere Stapel bedruckten Papiers zu produzieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt ein berühmtes Zitat: Der Worte sind genug gewechselt, nun lasst mich auch endlich Taten sehen. Danach handeln wir und lehnen diesen Antrag ab.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächstes hat Frau Meißner von der FDPFraktion das Wort.

(Walter Meinhold [SPD]: Diese Rede ist nicht zu toppen!)

Soll ich gleich aufhören? - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss dem, was meine Vorrednerin gesagt hat, tatsächlich nicht so viel hinzufügen. Ich rede aber trotzdem, damit Sie wissen: Auch die FDP teilt diese Meinung. Es ist nämlich folgendermaßen: Wir haben schon so viele Be

richte, wir haben geradezu ein Berichtsunwesen. Wir könnten noch jede Menge Ämter beschäftigen, weitere Berichte zu erstellen.

Herr Nahrstedt, Sie haben gerade eben gesagt: „Eine sozial gerechte Politik muss vor dem Hintergrund dessen, was ich gerade beschrieben habe, gestaltet werden.“ Sie haben sehr ausführlich beschrieben, wo überall Armut herrscht - dass eben zunehmend Familien mit Kindern arm sind, dass Armut auch bedeutet, keinen Zugang zu Bildung zu haben, keine Chancen zu haben - und wodurch Armut hervorgerufen wird, durch Arbeitslosigkeit - das wissen wir alle. Es liegt der Bundesarmutsbericht vor. Wir haben den jährlichen Bericht des Landesamtes für Statistik, mit dessen Daten jetzt das Landesgesundheitsamt einen Landesgesundheitsbericht über Kinder erstellt. Es gibt eine Fülle von Daten. Was wir brauchen, sind Taten. Das ist das Entscheidende.

(Beifall bei der CDU)

Ja, so ist das. Frau Helmhold, Sie haben beschrieben, was alles wir kürzen mussten. Es ist sicherlich bedauerlich, dass wir auch im sozialen Bereich kürzen mussten. Auch Sie wissen aber ganz genau, wenn Sie das einmal ehrlich zugeben: Sparen ist eine wichtige Tat, um zukünftiger Armut vorzubeugen, um in Zukunft für die Leute, die in Armut geraten, Geld zu haben. Wenn wir das heute nicht tun, haben wir morgen überhaupt kein Geld mehr. Deswegen waren verschiedene Einschnitte erforderlich.

Zum Landesblindengeld: Es ist eine schwere Entscheidung gewesen. Das Landesblindengeld wurde vermögensunabhängig ausgezahlt; das wissen auch Sie genau. Es ist nicht sozial gerecht, dass eine Gruppe vermögensunabhängig Gelder bekommt, andere aber eventuell gar nichts mehr bekommen, weil nichts mehr da ist. Darum mussten wir da entsprechend entscheiden.

Die Daten sind also bekannt. Sie sind vielfach beschrieben worden. Es gibt eine ganze Menge, was in Niedersachsen dazu schon getan wird. Das ist zum Teil bereits eben von Frau Kohlenberg beschrieben worden. Das Hauptschulprofilierungsprogramm ist keine Nullnummer, sondern etwas, womit endlich einmal eine Chance eröffnet wird, einen Schulabschluss zu erhalten und einen vernünftigen Beruf zu erlernen, was im Moment nämlich nicht für alle der Fall ist. Deshalb ist das sehr wohl ein Armutsbekämpfungsprogramm.

Gleichzeitig schaffen wir Arbeitsplätze. Wir investieren in Ausbildungsplätze für Jugendliche. Der Wirtschaftsminister hat gerade in diesem Bereich wieder Mittel zur Verfügung gestellt. Wir sorgen dafür, dass die Kindergesundheit untersucht wird und dass möglichst dort, wo keine U 8 oder U 9 durch die Eltern durchgeführt wird, entsprechende Untersuchungen im Kindergarten erfolgen. Daran arbeiten wir jetzt. Wir sorgen für Bewegung und richtige Ernährung im Kindergarten, was auch der Gesundheit dient und gleichzeitig hinterher die Chancen, an der Bildung teilzuhaben, überhaupt erst eröffnet. Es gibt also viele Bereiche, in denen wir etwas tun. Darum kann ich sagen: Wir handeln überhaupt nicht unmoralisch. Im Gegenteil: Wir handeln äußerst moralisch, indem wir nicht lange herumreden, sondern etwas tun. Wir brauchen nämlich Taten und nicht weitere Daten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Wort hat jetzt Frau Ministerin von der Leyen.