Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das zentrale Anliegen, das hinter dem Entschließungsantrag steht, ist die Bekämpfung von Armut in ihren verschiedenen Facetten. Das ist richtig, und das unterstützen wir. Gerade aus diesem Grunde ist es unseres Erachtens aber reiner Aktionismus, jetzt finanzielle und personelle Ressourcen für ein Berichtswesen einzusetzen, von dem kaum mehr Informationen oder keine zielführenden neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil der Armuts- und Reichtumsbericht des Bundes auf einer Methodik und Datengrundlage basiert - ich habe das in vorherigen Beratungen bereits ausgeführt -, die sich eben grundlegend von der niedersächsischen unterscheidet, und dann vergleicht man Äpfel mit Birnen.
Was aber erreicht würde, ist eine Ressourcenbindung zulasten fachlicher Förderung der Armutsbekämpfung. Das kann ja wohl nicht das Ziel sein.
staunlich daran ist, dass in der Regierungszeit der SPD der Abbau von Vorschriften und Berichtswesen als eindeutiges Ziel benannt worden ist. Hier wird jetzt wieder ein Berichtswesen gefordert, dessen Nutzen mehr als fragwürdig ist.
Eines ist eindeutig - das klang mehrfach in der Debatte an -: UNICEF sagt - auch dazu haben wir einen Bericht -, die Kinderarmut wächst in Deutschland schneller als in den meisten anderen Industrieländern. Hier müssen wir handeln. Die Betonung liegt auf „handeln“. Das Armutsrisiko bei Familien liegt höher als der Durchschnitt. Es ist von 12,6 auf knapp 14 % gestiegen. Die Wissenschaftler der UNICEF und des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, des RWI, sagen ganz deutlich, dass die Kinderarmut in Deutschland noch höher als im Jahrzehnt zuvor geworden ist. Sie konzentriert sich auf allein Erziehende, Arbeitslose und Zuwandererfamilien.
Aber auch in einem weiteren Punkt sind die Aussagen der Wissenschaftler eindeutig: Nicht Kinder machen arm, sondern fehlende Arbeit.
Daran etwas zu ändern, meine Damen und Herren, geht über eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es geht über flexible und vielfältige Betreuungsangebote. Es geht aber vor allem über eine Politik, die die Erstarrung in Wirtschaft und Arbeit beendet.
Über all das können wir hier diskutieren. Arbeitsplätze werden aber mit Sicherheit nicht über noch ein weiteres Berichtswesen geschaffen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie daher, dem Vorschlag des Ausschusses zu folgen und den Entschließungsantrag abzulehnen.
Der Kollege Schwarz hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Herr Schwarz, ich erteile Ihnen nach § 71 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Wort für zwei Minuten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde Ihre Argumentation wirklich abenteuerlich. Sie haben mit uns gemeinsam einen Armutsbericht
gefordert, als Sie noch in der Opposition waren. Sie verweigern einen solchen Bericht jetzt mit der Begründung, das alles seien keine neuen Papiere und das liege alles vor. Gleichzeitig wollen Sie eine Enquete-Kommission mit einem zehn Seiten langen Fragenkatalog einsetzen, wobei die Fragen von mindestens neun Seiten bereits beantwortet sind, sodass die Antworten vorliegen.
Sie machen damit doch deutlich, dass Ihnen dieses Thema höchst unangenehm ist. In dem von Ihnen vorgeschlagenen Fragenkatalog, mit dem sich die Enquete-Kommission befassen soll, gibt es übrigens keine einzige Frage zum Thema Armut. Dieses Thema haben Sie dort komplett ausgeblendet.
Wenn ich mir dann angucke, was alles bereits zu Recht aufgezählt worden ist - Blindengeld, Nullnummer im Behindertenbereich, Heilerziehungspflege, Abrasieren der Mädchenhäuser, Kürzen bei der Lernmittelfreiheit -, dann sehe, dass das alles zulasten von Familien geht. Und Sie besitzen die Dreistigkeit, sich hierhin zu stellen und zu sagen, die Familien müssten gestärkt werden! Ihre Politik in Niedersachsen erzeugt genau das Gegenteil, meine Damen und Herren.
Ich finde, es gibt kein Thema, bei dem bei Ihnen Handeln und Wirklichkeit so auseinander klaffen wie bei dem Thema Armut und Reichtum. Wenn ich Ihre Debattenbeiträge höre, habe ich das Gefühl, Sie bewegen sich in einer permanenten Selbsthypnose, meine Damen und Herren.
Ich will Ihnen noch ein Beispiel nennen: Jugendarbeitslosigkeit. Auch ich finde die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit katastrophal. Aber nehmen Sie bitte einmal Folgendes zur Kenntnis: Solange wir eine SPD-Landesregierung hatten, lag die Jugendarbeitslosigkeit in Niedersachsen immer unter dem Bundesdurchschnitt. Sie, meine Damen und Herren, haben sie in anderthalb Jahren über den Bundesdurchschnitt getrieben. Sie haben die Jugendarbeitslosigkeit in Niedersachsen tatenlos laufen lassen.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den Antrag abzulehnen, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen! - Das Erste war die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 26: Einzige (abschließende) Beratung: Mehr Aufklärung und Information für mündige Bürgerinnen und Bürger - Das Europäische Informations-Zentrum erhalten Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1421 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundesund Europaangelegenheiten und Medien - 15/1841
Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien lautet auf Annahme in veränderter Fassung.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit seiner Beschlussempfehlung empfiehlt ihnen der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien mit den Stimmen der CDU- und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der Ausschussmitglieder der Oppositionsfraktionen, den Entschließungsantrag der SPDFraktion in einer geänderten Fassung anzunehmen.
Trotz intensiver Bemühungen war es den Fraktionen nicht gelungen, sich auf eine gemeinsame Beschlussempfehlung zu verständigen.
Da ich weiß, dass dazu anschließend von den einzelnen Fraktionen wertend Stellung genommen wird, gebe ich den übrigen Bericht zu Protokoll.
Die Sprecherin der SPD-Fraktion führte im Rahmen der Antragsberatungen aus, dass die Arbeit des Europäischen Informations-Zentrums aufgrund der Umstrukturierung der EU-Fördermittel stark gefährdet sei und es aufgrund eines neuen Informationssystems auf Gemeinschaftsebene Bestrebungen gäbe, den inzwischen bekannten Namen „EIZ“ zu ändern. Ihre Fraktion habe daher den Antrag eingebracht, um der Landesregierung bei ihren Gesprächen in Brüssel den Rücken zu stärken, damit das EIZ auch über 2008 hinaus in Niedersachsen erhalten werden könne. Aus Sicht der SPD-Fraktion solle außerdem deutlich gemacht werden, dass auch eine Verpflichtung des Landes bestehe, sich weiterhin beim EIZ zu engagieren. Eine Kürzung der Landesmittel für das EIZ halte ihre Fraktion daher nicht für akzeptabel.
Die Vertreter der CDU-Fraktion erklärten hingegen, dass der SPD-Antrag nicht konsensfähig sei, da das Land finanziell in die Pflicht genommen werden solle, die Mittelkürzungen der EU-Kommission zu kompensieren - unabhängig davon, welche Situation auf europäischer Ebene entstehe. Ebenso sei die CDU-Fraktion nicht bereit, eine Festlegung über die gegenwärtige Legislaturperiode - also über das Jahr 2008 - hinaus vorzunehmen. Die Aussage, dass die wichtige Arbeit des EIZ auch in Zukunft dringend erforderlich sei und fortgesetzt werden müsse, reiche aus.
Das Ausschussmitglied der FDP-Fraktion betonte, dass auch seine Fraktion die bisherige Arbeit des EIZ sehr schätze und sich auf jeden Fall dafür einsetzen wolle, dass diese erfolgreiche Arbeit weitergeführt werden könne. Im Vordergrund stehe dabei auch nach seiner Einschätzung die Finanzierungsfrage, die mit einem Appell in Richtung Brüssel verbunden werden sollte, um die EUKommission nicht aus ihrer Verantwortung zu entlassen. Die FDP-Fraktion sei jedoch ebenso wie die CDU-Fraktion nicht bereit, Festlegungen für den Landeshaushalt über die laufende Legislaturperiode des Landtages hinaus vorzunehmen. Der SPD-Antrag werde daher auch von der FDPFraktion abgelehnt.
Die Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hob hervor, dass mit dem SPD-Antrag ihres Erachtens nach keineswegs die Landesregierung verpflichtet werden solle, alle Mittelkürzungen der Europäischen Kommission aufzufangen. Sie plädierte dafür, an die EU-Kommission zu appellieren,
die Förderung des EIZ unvermindert fortzusetzen, damit die europäischen Themen weiterhin auch auf Landes- und kommunaler Ebene in der Bevölkerung bekannt gemacht würden. Auch die Fraktion der Grünen schätze die gute Arbeit des EIZ. Ausgeweitet werden sollte ihrer Auffassung nach jedoch der Kontakt des EIZ zu den einzelnen Bürgern, um diese für Europa stärker zu begeistern. Hier liege eine wichtige Aufgabe. Insgesamt müsse ihre Fraktion jedoch die von den Fraktionen der CDU und FDP vorgeschlagene Beschlussempfehlung ablehnen.
Zum Schluss meiner Berichterstattung bitte ich sie namens des federführenden Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien, der Beschlussempfehlung in der Drucksache 15/1841 zu folgen und den Entschließungsantrag in einer von der CDU- und FDP-Fraktion geänderter Fassung anzunehmen. Dem Votum des federführenden Ausschusses haben sich sowohl der mitberatende Kultusausschuss als auch der beteiligte Ausschuss für Haushalt und Finanzen angeschlossen.
Danke schön, Herr Kollege Pörtner. - Zu Wort gemeldet hat sich von der SPD-Fraktion Herr Kollege Plaue. Bitte schön, Herr Plaue!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was das Thema Europapolitik und die Frage, wie sich der Landtag gegenüber Europa positioniert, angeht, gibt es in diesem hohen Hause eine schon traditionell gute Übereinstimmung. Wir sind in vielen Punkten darin einig, dass wir die Stimme Niedersachsens in Europa stark machen wollen, weil wir die Interessen Niedersachsens vertreten wollen. Darüber sind wir uns einig. Gleichzeitig sind wir uns auch darüber einig, dass unsere Menschen wissen müssen, dass unter dem Begriff „Europa“ nicht nur Eurokraten zu verstehen sind, wie es in den Schlagzeilen immer heißt, sondern dass Europa ein ganz wichtiger Aspekt für die wirtschaftliche, für die soziale und für die kulturelle Entwicklung Deutschlands und Niedersachsens ist. Wir wollen für Europa werben. Das hat der Landtag immer einmütig getan.
Meine Damen und Herren, werben für Europa heißt, den Bürgerinnen und Bürgern mit Argumenten gegenüberzutreten, die sie nicht von vorn
herein gleich als parteipolitisch bewerten und deshalb vielleicht in Schubladen stecken. Deshalb war es eines der wichtigen Anliegen der letzten Landesregierung, ein Europäisches InformationsZentrum in Niedersachsen zu etablieren, das - auch darüber sind wir alle uns einig - in den letzten Jahren sehr gute Arbeit geleistet hat und dazu beigetragen hat, dass die Menschen etwas über Europa gelernt haben.
Nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch die Unternehmen, und zwar gerade die kleinen und mittleren Unternehmen, schätzen die Arbeit dieses Europäischen Informations-Zentrums, weil sie Kontakte bekommen und weil sie Informationen erhalten, die sie sich selbst, wenn sie es denn wollten, eigentlich nur sehr schwer selbst beschaffen könnten. Sie haben dort eine Hilfe, um einen besseren Kontakt zu Europa zu organisieren.
Meine Damen und Herren, durch die europäische Osterweiterung ist der Informationsbedarf nicht weniger, sondern mehr geworden. Die Menschen fragen. Die Menschen haben auch Befürchtungen, was die Osterweiterung betrifft. Sie sehen im täglichen Leben, dass die Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt auf der einen Seite etwas mit Konjunktur, auf der anderen Seite aber auch etwas mit anderen Sozialversicherungs- und Entlohnungssystemen zu tun haben, die Europa letztendlich zu koordinieren hat.
Es gilt also, dafür zu sorgen, dass die Information und die Unterstützung auf diesem Sektor nicht abreißen. Das hat das Europäische InformationsZentrum in der Vergangenheit geleistet.
Wir alle waren uns darüber einig, welche inhaltlichen Aspekte das hat. Herr Kollege Pörtner, der Streit ging nicht um das, was Sie sozusagen unserem Antrag noch hinzugefügt haben. Wenn die Ergänzung des Katalogs etwas Positives beschreibt, ist das immer gut. Der Streit ging darum, wie wir selbst, wie sich dieser Landtag zu dieser Aufgabe positioniert, und zwar nicht nur jetzt, sondern über den Tag hinaus. Darüber haben wir uns , wie ich finde, zu Recht gestritten. Ich komme gleich darauf zurück.
Natürlich sind wir alle der Auffassung, dass nicht nur Landesgelder in ein solches Informationszentrum hineinfließen müssen, sondern dass die Europäische Kommission, also die EU, ihren Beitrag
dazu leisten muss. Wir haben deshalb gemeinsam versucht zu verhindern, dass die Europäische Kommission die laufenden Zuschüsse für die Europäischen Informations-Zentren, auch für unser Zentrum, reduziert. Das ist uns nur in Teilen gelungen. Das weiß ich. Wir haben gleichzeitig gesagt, dann wollen wir versuchen, mehr Projektmittel zu bekommen, damit die Arbeit, die dort geleistet wird, weiterhin geleistet werden kann.