Protokoll der Sitzung vom 18.05.2005

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 17: Zweite Beratung: EU-Richtlinie über den Zugang zum Markt für Hafendienste (Port Package II) darf wettbewerbsfähige Strukturen in Niedersachsen nicht zerschlagen - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drs. 15/1687 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 15/1887

Die Beschlussempfehlung lautet auf Annahme in veränderter Fassung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung. Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Thümler zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, meine Redezeit von knapp sieben Minuten vollständig zu verbrauchen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will versuchen, Ihnen das kürzer darzustellen. Das ist möglich, weil wir uns im Ausschuss ja überfraktionell darin einig gewesen sind, wie bedeutend dieser Antrag ist. Ihm werden übrigens auch die Grünen zustimmen, zumindest ist mir nichts anderes bekannt.

Die alte EU-Kommission unter Romano Prodi hat der jetzigen Kommission kurz vor ihrem Ausscheiden im Herbst 2004 leider noch ein richtiges Kuckucksei ins Nest gelegt. Es trägt den Titel „Port Package II“. Nachdem die Kommission bereits

2003 mit der Port-Package-Richtlinie im EU-Parlament gescheitert ist - zu Recht -, legt sie mit ihrer erneuten Vorlage die Axt an die Wettbewerbsfähigkeit der niedersächsischen Hafenwirtschaft.

Bundesrat und Bundestag haben mittlerweile gegen diesen Richtlinienentwurf opponiert. Eine vom Hafenausschuss durchgeführte Anhörung von Interessenvertretern der Hafenwirtschaft, der Gewerkschaft ver.di und der Lotsenvereinigung hat ein einheitliches Bild ergeben: Alle Anzuhörenden haben dem von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Entschließungsantrag zugestimmt. Das ist ein Erfolg für sich, und zwar schon deswegen, weil damit ausdrücklich bestätigt worden ist, dass das, was die Kommission hier macht, Unsinn ist.

Ergänzt wurde der Antrag nach der Anhörung und nach intensiver Beratung durch die Hafenpolitiker um einen, wie ich finde, wichtigen Punkt. Es ging um das Lotswesen. In den Antrag wurde noch einmal deutlich hineingeschrieben, dass, wenn man diese Richtlinie künftig fortentwickelt, für die Aufrechterhaltung der Leichtigkeit des Verkehrs das Lotswesen als kommerzielle Dienstleistung herausgenommen werden soll.

(Unruhe)

Ich erspare mir, den Inhalt dieses Antrages vorzutragen. Ich unterstelle, dass Sie ihn gelesen haben. Deswegen hören Sie mir ja auch so aufmerksam zu.

Kollege Fleer hat am 25. Februar 2005 im Plenum gesagt: „Im Grunde genommen ist Ihr Antrag völlig überflüssig“. Kollege Janßen hat am gleichen Tag unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundestages und des Bundesrates gesagt: „Die Angelegenheit... ist damit erledigt“, „Das ist zwar nett, aber es ist zu spät und nach meiner Auffassung völlig überflüssig“ und „Ihr Antrag ist überflüssig, und er kommt zu spät“.

Entgegen diesen Äußerungen hat die Anhörung bewiesen, dass der Antrag weder zu spät kam noch überflüssig war. Vielmehr bringt er genau das zum Ausdruck, was die Hafenwirtschaft, die Gewerkschaft ver.di und auch die Lotsenverbände umtreibt, nämlich dass die europäische Ebene zeigt, dass sie keine Ahnung von den Realitäten in den Mitgliedsstaaten hat.

Die Wichtigkeit dieses Antrags - das möchte ich noch einmal betonen, weil sich oftmals darüber beklagt wird, dass Europa entscheidet und die

Landesparlamente keinen Einfluss darauf haben ist in der Tat ganz klar und schlüssig abzuleiten; denn die entscheidenden Momente dessen, was wir erarbeitet haben und was im Bundesrat und Bundestag dazu gesagt worden ist, findet Eingang in eine Anhörung des Transportausschusses des Europäischen Parlaments am 14. Juni dieses Jahres. Das heißt, der Antrag ist weder zu spät noch überflüssig, sondern im Prinzip genau im Zeitplan.

Wie wichtig er darüber hinaus ist, zeigt sich auch daran, dass die Niederländer auf seiner Grundlage gemeinsam mit den Küstenländern und dem Bund einen Fragenkatalog bezüglich einer differenzierten Analyse der aktuellen Marktsituation als Grundlage für eine Neuauflage der Hafenrichtlinie erarbeitet haben. Sie sehen daran, wie wichtig es ist, dass wir uns dezidiert zu diesem wichtigen Thema in der Verantwortung für die Zukunft unserer niedersächsischen Seehäfen äußern, die sie zu einer Erfolgsgeschichte, zu einer Jobmaschine im Nordwesten machen und die ihre Rolle als Transmissionsriemen niedersächsischer Importund Exportindustrie untermauern.

Ich hoffe, dass wir gleich einheitlich hier abstimmen werden, und danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Riese das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auch mit diesem Antrag - wie schon mit dem vorigen, wenn auch in einer ganz anderen Branche - betreiben wir ein kleines Stück Weltpolitik. Wenn wir uns die internationalen Schifffahrtswege auf einer Karte vorstellen, wie sie etwa in einem Klassenzimmer ausgehängt ist, dann könnten wir dort Europa mit der Handfläche und alle Nordseehäfen mit der Spitze des kleinen Fingers abdecken.

Die Port-Package-II-Richtlinie geht von der Voraussetzung aus - dieser Fehler unterläuft Bürokraten in Brüssel leider das eine oder andere Mal -, dass in einem Gebiet, das man mit der Spitze des kleinen Fingers abdecken kann, kein Wettbewerb stattfindet. Wir wissen aus vielen Diskussionen in diesem Saal aber, dass dieser Wettbewerb sehr wohl stattfindet. Wir haben zahlreiche muntere

Gespräche über Cuxhaven und Wilhelmshaven, über Emden und Cuxhaven, über die ARA-Häfen und die deutschen Nordseehäfen geführt. Der Wettbewerb zwischen den Hafenstandorten ist da. Wir alle wissen, er findet auch in den niedersächsischen, in den deutschen Nordseehäfen um Dienstleistungen statt, die dort erbracht werden. Insofern geht die Port-Package-II-Richtlinie in der derzeit vorliegenden Fassung fehl. Es fehlt ihr an der Voraussetzung.

Von daher freue ich mich, dass es so ist, wie mein Vorredner bereits ausgeführt hat: Die Fraktionen sind sich darüber einig, den Entschließungsantrag in der gemeinsam erarbeiteten Form anzunehmen. Ich bitte daher um rege Zustimmung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Fleer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag der schwarz-gelben Koalition kann nicht mehr sein als eine moralische Unterstützung der von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Initiative; denn der für Verkehr zuständige Vizepräsident der EU-Kommission hat im April angekündigt, die Richtlinie zu ändern.

Nach den Beratungen in den Ausschüssen des Landtages und einer Anhörung der betroffenen Verantwortlichen der niedersächsischen Hafenwirtschaft möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich machen, weshalb wir gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Verantwortlichen in der niedersächsischen Hafenwirtschaft die EURichtlinie über den Zugang zum Markt für Hafendienste in dieser Form ablehnen.

Zuerst muss einmal folgende Frage gestellt werden: Wozu brauchen wir überhaupt diese Richtlinie? - Die EU-Kommission will in erster Linie Wettbewerb fördern, der laut Kommission nicht vorhanden ist. Hier widerspricht die Hafenwirtschaft vehement, und Herr Müller von der Seaports of Niedersachsen GmbH belegt das durch Beispiele.

Im Hafen von Brake wurden mit erheblichem Wettbewerb zu Antwerpen Stahlbrammen - das sind Stahlteile, die im Stück 9 t wiegen - angelandet. Das zweite Schiff des 300 000-t-Auftrages wurde

im Hafen von Nordenham gelöscht, weil Nordenham insgesamt preisgünstiger war. Die trotz boomenden Geschäfts im Vergleich zu nichteuropäischen Häfen niedrigeren Kosten von etwa 100 Dollar pro Container belegen, dass europäische Häfen untereinander im scharfen Wettbewerb stehen. In den US-Häfen liegt der Preis mittlerweile bei 200 Dollar und in Japan bei 300 Dollar pro verladenem Container.

Ein weiteres Argument für die Richtlinie soll der Schutz der Arbeitnehmerrechte sein. Die Gewerkschaft ver.di dagegen befürchtet durch die Selbstabfertigung mit eigenem Landpersonal den Verlust von tausenden von Arbeitsplätzen aufgrund von Sozialdumping. Außerdem bemängelt Herr Müller von der Gewerkschaft ver.di die Vorgehensweise der EU-Kommission. Nachdem das Europäische Parlament Port Package I in der damaligen Form abgelehnt hatte, wurde die Richtlinie seiner Meinung nach sogar noch in verschärfter Form als Port Package II erneut eingebracht, ohne die Bedenken der Parlamentarier zu berücksichtigen. Diese Vorgehensweise sei ein Schlag ins Gesicht der Parlamentarier und zeuge nicht gerade von hohem Demokratieverständnis.

Meine Damen und Herren, mit dieser Richtlinie sollen Konzessionen künftig durch eine weltweite und freie Ausschreibung vergeben werden - eine richtige und wichtige Maßnahme, die z. B. die landeseigenen Häfen aus den roten Zahlen bringen könnte und ganz im Sinne der Lissaboner Beschlüsse läge. Hafenbetreiber glauben jedoch, dass als Folge des Konzessionssystems kaum noch größere, zukunftsweisende Investitionen getätigt werden, weil man befürchten muss, dass finanzstarke Anbieter mittelständische Unternehmen aus dem Markt drängen. Dadurch würde Wettbewerbsintensität im bestehenden Hafensystem verloren gehen.

Meine Damen und Herren, auch der Lotsendienst soll durch Port Package II privatisiert werden - im Grunde eine richtige Entscheidung. Leider würde auch diese Entscheidung zu weniger statt zu mehr Wettbewerb führen, weil nur große Reedereien in der Lage sind, eigene Lotsen einzustellen. Die Kleinen blieben auf der Strecke.

Dies sind nur einige Argumente, die gegen eine Einführung der EU-Richtlinie in dieser Form sprechen; auch Herr Thümler hatte schon einige genannt. Dennoch spricht auch einiges für eine Richtlinie, z. B. die Offenlegung der finanziellen

Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den Häfen - ein guter Ansatz, um versteckte Subventionen zu entdecken. Gemeinschaftliche Leitlinien über staatliche Beihilfen für Hafenunternehmer wären ein positiver Ansatz der Richtlinie.

Die Europäische Richtlinie sollte in der vorliegenden Form nicht vom EU-Parlament beschlossen werden. Darüber sind wir uns parteiübergreifend und auf Bundes- und Landesebene einig. Allerdings verstehe ich die Doppelzüngigkeit der liberalen Partei nicht. Da laufen die liberalen Parteispitzen laut „Freiheit!“ schreiend durch die Lande und wollen selbst die Justizvollzugsanstalten privatisieren und kommerzialisieren - wenn es denn möglich wäre, auch die Polizei,

(Zuruf von Roland Riese [FDP])

Ihr Vorsitzender, Herr Westerwelle, verlangt die Abschaffung der Gewerkschaften, und hier in Niedersachsen lehnt die FDP Seite an Seite mit den Gewerkschaften ohne Skrupel alle Liberalisierungsrichtlinien der EU-Kommission ab.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Doppelzün- gigkeit!)

Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie wirklich wollen. - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Janßen das Wort.

(Roland Riese [FDP]: Aber kurz!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Ausschussberatungen haben wir uns auf einen gemeinsamen Antrag verständigt.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Es bleibt ja auch dabei!)

Das ist erfreulich, zeigt es doch letztendlich, dass alle Fraktionen hier im Landtag

(Zuruf von der CDU: Das war kein gemeinsamer Antrag!)

- aber einer, den wir gemeinsam überarbeitet haben - bei diesem wichtigen Thema für die Standortsicherung niedersächsischer Hafenunternehmen