Protokoll der Sitzung vom 20.05.2005

Im Übrigen wird verstärkt in den Bestand investiert werden müssen. Das müssen wir begleiten. Es kann kein Zweifel daran bestehen, Herr Harden, dass alle Beteiligten im Städtebau, in der Städtebauförderung, im Bereich soziale Stadt und auch im Stadtumbau West mehr tun wollen. Leider fehlen uns dafür aus den Ihnen allen bekannten Gründen die notwendigen Mittel. Spürbare Verbesserungen und damit Hoffnungen für die darauf angewiesenen Menschen wird es mit Sicherheit erst ab Ende 2006 geben, also von dem Zeitpunkt an, zu dem Rot-Grün in Berlin von der Regierungsverantwortung abgelöst werden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als nächstes hat die Kollegin Polat von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben schon gesagt, dass die Landesregierung einige wichtige Maßnahmen und Programme eingeleitet hat. Die konzertierte Aktion „Bauen und Wohnen“ z. B. hat der Landesregierung wichtige Erkenntnisse verschafft und Vorschläge unterbreitet. Frau Ministerin Dr. von der Leyen, ein verantwortungsvoller Entscheidungsträger muss all diese Maßnahmen nun aber auch umsetzen. Unsere Fraktion hat mit ihrem Antrag „Lebendige Stadtzentren erhalten - Baukultur in Niedersachsen fördern!“ die Erkenntnisse dieser konzertierten Aktion „Bauen und Wohnen“ aufgegriffen. Sie aber haben diesen Antrag im Ausschuss leider abgelehnt. Auch die Förderung der Baukultur ist ein geeignetes Instrument, um unsere Innenstädte aufzuwerten und ihrem Ausbluten entgegenzuwirken.

Eine andere Maßnahme ist die Einrichtung des interministeriellen Arbeitskreises. Dort sollen wichti

ge Strategien entwickelt werden. Aber welche Maßnahmen sind bisher umgesetzt worden, um den Leerständen entgegenzuwirken?

Frau Ministerin, Sie sprachen die Eigenheimzulage an und haben Herrn Wenzel kritisiert. Ich hingegen glaube, es zeugt von Verantwortungsbewusstsein, wenn man den Menschen heute sagt, was im Zuge des demografischen Wandels auf sie zukommen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man muss darauf eingehen, welche fiskalischen Konsequenzen das hat, und ihnen sagen, dass ihre Immobilien Werteverluste erleiden und dass die Infrastruktur- und Rückbaukosten in einem erheblichen Maße ansteigen werden. Diese Lasten wird letztlich der Gebührenzahler in den ländlichen Räumen tragen.

Weil mir die Zeit wegläuft, möchte ich einige wenige Punkte nur noch kurz ansprechen. Herr Harden hat dazu aber schon einiges gesagt. Frau Ministerin, in Ihrer Antwort zum Thema Wohnungsneubau führen sie aus, dass der Bedarf in vollem Umfang gedeckt wird. In Zukunft - das macht auch das Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung deutlich - wird es aber zunehmend darauf ankommen, den Bedarf an nachfragegerechten Wohnungen zu decken. Frau von der Leyen hat es ja schon gesagt: Der Bedarf an altengerechten Wohnformen wird zunehmen. Von daher wird es darauf ankommen, nicht nur Altenwohnungen zu fördern, sondern auch Kreativität zu entwickeln. Es gibt eine Vielzahl von Wohnformen im Alter, die gezielt gefördert werden müssen. Wir haben es ja schon gehört: Bis zum Jahr 2015 wird der Anstieg bei der Gruppe der Hochbetagten um 41,3 % liegen. Darauf muss schon jetzt rechtzeitig reagiert werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist schon kurz angesprochen worden, dass auch der Bedarf an belegungsgebundenem und preiswertem Wohnraum gedeckt werden muss. In den nächsten zehn Jahren - auch das hat Herr Harden gesagt - werden wir einen Rückgang um 21 % zu verzeichnen haben. Hier gilt es, den Wohnungsmarkt bezüglich der ALG II-Empfänger verstärkt zu beobachten und zu evaluieren, damit wir den diesbezüglichen Nachfragebedarf gezielt decken können.

Nun noch kurz zum Thema Städtebauförderung. In zahlreichen Antworten auf einzelne Fragen der Großen Anfrage - Sanierung und Privatisierung von Bestandswohnungen, Wohnungsbau in Regionen mit Bevölkerungsrückgang und Flächenrecycling - nennen Sie wichtige Instrumente, mit denen gezielt reagiert werden kann. Das sind die Städtebauförderung und der Stadtumbau West. In Ihrer Antwort heißt es, die Städtebauförderung sei ein Instrument zur Erhaltung, Sanierung und Revitalisierung von Städten und Gemeinden. Außerdem sind diese Instrumente geeignet, dem immer deutlicher werdenden Wandel der Bevölkerungsund Wirtschaftsstruktur zu begegnen. Den Kommunen werden seitens des Bundes Fördermittel zur Verfügung gestellt, damit rechtzeitig Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden können.

Frau Ministerin, es reicht aber nicht aus, nur auf die problematischen Entwicklungen hinzuweisen, die effektiven Instrumente der Bundesregierung, die Ihnen zur Verfügung gestellt werden, zu loben und die verantwortlichen Akteure und politischen Entscheidungsträger dazu aufzufordern, gemeinsam zu handeln, selbst aber als verantwortungsvoller Akteur - wie es im Vorwort der Wohnungsprognose von Ministerin von der Leyen heißt - die Hände in den Schoß zu legen. Das ist keine nachhaltige und langfristige Wohnungsbaupolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile jetzt Frau Ursula Peters von der FDPFraktion das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich die Anfrage der SPD-Fraktion gelesen habe, ging mir durch den Kopf, dass das alles so klingt, als solle die Landesregierung die volle Verantwortung dafür tragen, wie viele Wohnungen wo und in welcher Ausstattung in Niedersachsen errichtet werden.

(David McAllister [CDU]: Ein sozialer Ansatz!)

Meines Erachtens kann eine Landesregierung eine solche Verantwortung nicht tragen, meines Erachtens sollte sie eine solche Verantwortung auch nicht tragen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In der DDR haben wir gesehen, wie schön diese Bauten aussehen. Niemand von uns möchte diese Bauten, die wir nach der Vereinigung übernommen haben, hier bei uns sehen. Der Staat hat nicht die Aufgabe, dem Wirtschaftsunternehmen, hier: der Wohnungswirtschaft, die Verantwortung dafür abzunehmen, wo und wie stark es sich engagieren will.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Er müsste andernfalls auch die Risiken aus diesen fehlerhaften Einschätzungen tragen. Der Staat ist gefordert, bei Fehlentwicklungen lenkend einzugreifen.

Tatsächlich hat das Land - ausweislich der Antwort auf die Anfrage - in neun Jahren die Teilverantwortung in Form von Finanzhilfen für 22 000 Wohneinheiten übernommen. Fertig gestellt wurden 415 000. Also wurde nur ein sehr geringer Teil der Wohnraumschaffung durch die Wohnungsbauprogramme der letzten Jahre gefördert.

(Zuruf von Dr. Philipp Rösler [FDP] - Zu der SPD: Das sind Zahlen!)

Im Wesentlichen haben somit die Wohnungswirtschaft und die privaten Häuslebauer den Bestand um ca. 46 000 Wohneinheiten pro Jahr bewirkt.

(Beifall bei der FDP)

Die Landesregierung stellte und stellt aktuell noch immer Instrumente zur Verfügung, die den Betroffenen helfen, sich zu orientieren. Diese Ergebnisse werden den Kommunen zeitnah zur Kenntnis gegeben; die Wohnungswirtschaft kann darauf zugreifen.

Nach meinem Staatsverständnis - das wird niemanden wundern - ist der Wohnungsbau bei den Privaten im Allgemeinen auch sehr gut aufgehoben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Wohnungswirtschaft selbst lässt Studien erstellen, welche Wohnungen wann und wo benötigt werden. Das Grundinstrument des Marktes, das Gewinnstreben, ist zumindest im organisierten Wohnungswirtschaftsbau ausreichender Garant dafür, dass das Angebot möglichst passgenau auch für die Nachfrage erstellt wird.

Die GEWOS-Studie 2004, die kürzlich bekannt wurde, zeigt dann auch, dass das Problem Niedersachsens in weiten Teilen weniger das Wohnungsangebot ist. Die Studie zieht ein Resümee mit den Worten: „Keine Entwarnung auf den Wohnungsmärkten.“ - Dieses Resümee ist aber aus Sicht der Wohnungswirtschaft gezogen. So heißt es einige Sätze später:

„Im Jahre 2020 wird sich in Niedersachsen ein deutlicher Angebotsüberhang aufgebaut haben. Hierbei ist bereits berücksichtigt, dass sich der Neubau durch die neueren Entwicklungen in der Förderung der Eigenheimzulage nur noch sehr verhalten entwickeln wird. Im Mietwohnungsbau wird, ausgehend von einem Angebotsüberhang heute in Höhe von etwa 38 000 Wohnungen, ein weiterer Nachfragerückgang erwartet.“

Berücksichtigt ist in der Studie bereits die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung in Niedersachsen inklusive Ausländerzuzug, Altersstruktur, Verkleinerung der Haushalte usw.

Nunmehr also unbesehen Geld in den Bereich Wohnungsneubau zu pumpen, wäre angesichts dieses Trends nicht zu verantworten. Hier ist nicht einmal die Begründung die desolate Haushaltslage - obwohl auch das eine sehr schöne Begründung wäre -, hier ist es einfach wirtschaftlicher Unsinn.

(Beifall bei der FDP)

Unabhängig von dieser Grundbewertung der Situation gibt es in Niedersachsen selbstverständlich Problembereiche. Deren Bewältigung benötigt die Unterstützung der Landesregierung. Ich denke hier an Rückbaumaßnahmen, in denen der Wohnungsüberhang zu groß geworden ist. Nach der GEWOS-Studie werden in vier Fünfteln der untersuchten Regionen bis 2020 teilweise erhebliche Angebotsüberhänge entstehen. Sicherlich ist hier die Städtebauförderung, insbesondere das Programm Stadtumbau West, gefordert, und sie wird auch im Rahmen der verfügbaren Mittel bereitgestellt werden. Aber im Wesentlichen ist die Wohnungswirtschaft gefordert.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Landesregierung soll und wird die Prozesse unterstützen. Aber die Verantwortung für das Han

deln der Wohnungswirtschaft kann und darf sie nicht übernehmen.

(Zustimmung von Heidemarie Mund- los [CDU])

Die Verbände der Wohnungswirtschaft sind informiert. Sie haben verstanden, welche Forderungen auf sie zukommen - sei es altengerechtes Wohnen, sei es das Phänomen der immer kleiner werdenden Haushalte mit höherem Wohnflächenbedarf, sei es die qualitative Ausstattung der Wohneinheiten, seien es die Reurbanisierungsbestrebungen der zumeist älteren Mitbürger, die in die Innenstädte mit ihren fußläufig erreichbaren Einrichtungen zurück wollen.

Die Städtebauförderung kann aber nur lenkend unterstützen. Und lenkend unterstützen kann und wird die gesamte Politik der Landesregierung. Leerstände und Verfall führen nicht zu Armutsgebieten. Es ist anders herum: Dadurch, dass die Leute wegziehen, weil keine Arbeit vorhanden ist und weil die Situation insgesamt unbefriedigend ist, entstehen Leerstände und mithin der Verfall.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, diese Landesregierung hat sich bislang für die Wohnungsbauförderung eingesetzt und wird es da, wo es notwendig ist, weiterhin tun - allerdings gezielt; denn der Haushalt ist verbraten. - Danke.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Kollege Harden hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Herr Harden, Sie haben noch knapp vier Minuten Redezeit. Bitte schön!

(Wolfgang Hermann [FDP]: Jetzt schwenkt er um!)

Frau Peters, Sie hätten nicht nur die Anfrage und die Antwort der Landesregierung lesen müssen, sondern auch bei dem zuhören sollen, was ich gesagt habe. Zu unterstellen, wir wären diejenigen, die sozusagen immer mehr Staat fordern - ich habe in meiner Rede wohl sehr ausführlich gesagt, wo ich glaube, dass das, was gemacht wird, in Ordnung ist, und dass, wo man nichts macht, das auch nicht notwendig ist.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist doch wunderbar!)

Ich habe nur darauf hingewiesen, dass wir in Niedersachsen Probleme haben, und zwar massive, und dass Sie diesen Problemen nicht zuleibe rücken, sondern die Hilfe versagen. Darum geht es!