Sogar Verfahrensfehler der Ausgangsbehörde konnten im Nachhinein geheilt werden. Selbst fehlende Ermessensüberlegungen konnten von der Widerspruchsbehörde nachgeholt werden. Diese vielfältigen, Streit schlichtenden Kompromisslösungen hat ein Gericht nicht. Hier wird die Rechtmäßigkeit, aber nicht die Zweckmäßigkeit überprüft. Die Bürger müssen bei den Gerichtsverfahren - selbst bei Klagerücknahme - hohe Gerichtsgebühren bezahlen.
Ich weiß nicht, ob der Frau Justizministerin eigentlich klar ist, was sie da zerschlagen hat. Denn es
ist doch geradezu ein Witz, dass sie sich auf Bundesebene durch Streitschlichtung zu profilieren versucht, während sie in Niedersachsen genau das Gegenteil realisiert.
Hier schaffen wir ein mediatives Verfahren ab und ignorieren obendrein noch, dass der Rotstift eine Klagewelle auslöst. Wenn ich sage „ignoriere“, dann weise ich auf das Protokoll der Plenarsitzung vom 22. April 2005 hin - also 13 Tage nach der Aussage von Herrn McAllister in der NP. Ich zitiere das Justizministerium:
„Die Aussetzung des Vorverfahrens - also des Widerspruchsverfahrens ist zunächst auf fünf Jahre festgelegt. Ziel ist es, erst nach einigen Jahren - rechtzeitig vor Ablauf dieser Fünfjahresfrist - zu einer Beurteilung zu gelangen.“
Und er ist erkennbar: Was hier abläuft, ist mit harten Zahlen zu belegen. Wenn Sie aber noch einige Jahre abwarten wollen, dann ist eines so sicher wie das Amen in der Kirche: Sie werden massenhaft Geld verschleudern, das für andere Haushaltssparten dringend benötigt wird.
(Reinhold Coenen [CDU]: Das haben Sie auch schon gesagt! - David McAl- lister [CDU]: Das ist der Untergang Deutschlands!)
Angesichts dieser zusätzlichen Kosten für die Bürger und Bürgerinnen sowie für das Land Niedersachsen ist die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens eine extrem reformfeindliche Maßnahme zulasten unseres Landes. - Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen von CDU und FDP im Niedersächsischen Landtag haben im Oktober vergangenen Jahres eine Verwaltungsreform beschlossen, die unser Land voranbringt.
Es gibt schnellere Entscheidungen im Interesse aller Beteiligten - Bürger und Unternehmen, Herr Oppermann, das dürfte Sie besonders interessieren. Entbürokratisierung ist in Niedersachsen nämlich nicht mehr - wie es bei Ihnen gewesen ist - nur Bestandteil von Sonntagsreden. Entbürokratisierung ist seit dem Regierungswechsel Bestandteil des täglichen praktischen Handelns der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen.
Meine Damen und Herren, wer so konsequent voranschreitet, der trifft natürlich - wie immer in Deutschland - auch auf vorhandene Besitzstände und ruft Bedenkenträger auf den Plan. In diese Reihe ist der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion einzuordnen.
Man fragt sich dann: Warum eigentlich diese Aufregung? Weil das Widerspruchsverfahren für Teilbereiche - wohlgemerkt: für Teilbereiche - des Verwaltungshandelns abgeschafft wurde und fortan den Bürgerinnen und Bürgern ein direkter Klageweg vor den Gerichten offen steht, der Bürger also - das hat die Anhörung ganz klar bestätigt - nachweislich schneller zu einer gerichtlichen Entscheidung kommt, als es bisher der Fall ist?
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie müssen aufhören, eindimensional zu gucken und zu denken. Es gab hier im Landtag Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern, die, um das Verfahren
zu beschleunigen, die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens gefordert haben. Genau dem kommen wir nach.
Bei allen guten Worten, die man ja für das Widerspruchsverfahren finden kann, möchte ich einmal sagen, wie es sich in der beruflichen Erfahrung tatsächlich darstellt. Das wissen Sie auch. Wenn Sie sachorientiert diskutieren wollen, müssten Sie das auch sagen, bzw. in den Ausschussberatungen verständigen wir uns etwas weg von Ihrem Antrag.
Sie müssten wissen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Widerspruchsentscheidungen nicht dem Widerspruchsführer Recht gegeben hat, sondern den Ursprungsbescheid im vollen Umfang bestätigt hat.
Sie kennen auch die tägliche Realität, die gängige Verwaltungspraxis, dass sich die Ausgangsbehörde mit der Widerspruchsbehörde durchaus vor dem Erlass eines Bescheides abstimmt, damit der Verwaltungsakt ein mögliches Widerspruchsverfahren schadlos durchläuft. Sie kennen auch die Einschätzung aus den gesamten Gesprächen und aus der Anhörung, dass das Widerspruchsverfahren nicht so hervorragend und Allheil bringend für alle Beteiligten ist, sondern dass es die Erwartungen nicht erfüllt, die in das Widerspruchsverfahren gesetzt worden sind. All das müssten Sie wissen, wenn Sie die Unterlagen aufmerksam analysiert hätten.
Mit Blick auf die Diktion des vorliegenden Antrages liegt mir daran, deutlich klarzustellen: Es sind keine Rechtsschutzmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ersatzlos gestrichen worden. Jeder hat heutzutage selbstverständlich die Chance, sich gegen Bescheide auf rechtlichem Wege zu wehren. Wir wissen aus dem Verfahren, dass wir uns in intensiven Diskussionen mit allen Beteiligten für einen abgewogenen Ausgleich entschieden haben. Wir haben beim Widerspruchsverfahren eine kleine, überschaubare Anzahl von Ausnahmen bestehen lassen, im Kern aber den direkten Zugang ermöglicht. Wir haben eine Fünfjahresfrist vorgesehen, nach deren Ablauf wir die Wirkung umfassend bewerten wollen, bzw. wir werden schon vorher in diese Bewertung eintreten, damit wir konsequent bleiben.
hung der Fallzahlen kommen kann, wobei es nicht richtig ist, wenn Sie die ersten zwei Monate des Jahres 2005 nehmen; denn Sie wissen genau, dass in den Gerichten zum großen Teil noch Entscheidungen aus dem Widerspruchsweg anhängig sind.
(Zustimmung bei der CDU - Hans- Dieter Haase [SPD]: Es ist nicht bes- ser geworden! Die Datenbasis ist et- was breiter!)
Wir werden abwarten - so ist es bei einer Reform, wenn man sie mutig und konsequent durchführt -, was sich daraus ergibt. Wir wissen, dass sich im Laufe der Zeit vieles dessen einpendelt, was jetzt möglicherweise auch im Hinblick auf die Haushaltslage öffentlich dargestellt wird.
Wenn man bei einer solch tief greifenden Reform Schlussfolgerungen ziehen möchte, ist es hierzu noch nicht einmal ein halbes Jahr nach der Änderung viel zu früh. Wenn man einen Antrag stellt, obwohl man weiß, dass es für eine richtige Bewertung viel zu früh ist, dann macht man das nicht, weil man von der Realität getragen wird, sondern man macht das wegen einer politischen Wunschvorstellung. So wie Sie sich nie vorstellen konnten, dass es ein Niedersachsen ohne Bezirksregierungen gibt, so können Sie sich nicht vorstellen, dass die teilweise Abschaffung des Widerspruchsverfahrens für die Menschen in Niedersachsen etwas Gutes bedeutet.
Erschreckend an dem Antrag finde ich, welch geringes Vertrauen Sie dabei z. B. in die kommunale Praxis vor Ort an den Tag legen. Sie behaupten, die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens führe zu Qualitätsverlusten auch für die Ausgangsentscheidung. Das geht aus der Sicht der CDUFraktion an den Realitäten in unseren Gemeinden und Kreisen vorbei. Im Gegenteil: Wir wissen, dass gerade staatliches Handeln immer mehr vom Dialog mit dem Bürger geprägt ist; denn wir sind eine bürgerfreundliche Landesregierung. Deshalb geben wir den Kommunen noch mehr Möglichkeiten, dass sie bürgerfreundlich miteinander umgehen. Sie wissen auch: Dort, wo früher vielleicht ein einzelner Bescheid gestanden hat, finden jetzt viel mehr Gespräche mit den Bürgern statt und gibt es zusätzliche Informationen. Das ist transparenter und besser, als beispielsweise den Apparat weiter zu belasten. Denn dass das Widerspruchsverfah
Meine Damen und Herren, man muss sich schon entscheiden: Entweder man hält trotz der bestehenden Mängel an einem formalisierten Verfahren fest, weil es schon immer so gewesen ist, oder man öffnet sich neuen Wegen, um unser Land voranzubringen.
Die Wahrheit über die SPD ist: Gerade die, die das beantragt haben, sind diejenigen, die unser Land über Jahre finanziell ruiniert haben.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Hans-Dieter Haase [SPD]: Die- sen Textbaustein kennen wir schon! Reden Sie mal über die 5 000 Verfah- ren, die auf Halde liegen!)
- Herr Haase, ich finde es wichtig, dass ich auch als Vertreter der jungen Generation einmal sagen kann, wie sehr uns das jetzt im Parlament belastet, was Sie in den letzten 13 Jahren mit den Finanzen im Land Niedersachsen angestellt haben.
Ich finde, dass es nicht zu einer verantwortbaren Politik gehört, wenn Sie die Handlungsspielräume für zukünftige Generationen so beschneiden, wie Sie es getan haben. Insbesondere beim Thema Verwaltungsreform halte ich wenig davon, dass gerade Sie sich immer mit Anträgen zu Wort melden und meinen, Sie wüssten, wie es geht. Sie haben gerade in diesem Themenbereich Gutachten ohne Ende mit Kosten für den Steuerzahler in Auftrag gegeben, ohne dass dabei irgendetwas herausgekommen ist. Sie haben dauernd Anlauf zur Verwaltungsreform genommen, aber Sie sind nie gesprungen. Immer dann, wenn es darauf ankam, sind Sie zurückgezuckt und hat Sie der Mut verlassen.
Wir dagegen werden unseren Weg der konsequenten Verwaltungsreform weitergehen. Dazu gehört ein schlanker, in der Regel zweistufiger Verwaltungsaufbau ohne Bezirksregierung. Dazu gehört auch ein effektives Rechtsschutzsystem, das Bürgern, Unternehmen und allen Betroffenen den notwendigen Rechtsschutz einräumt. Das ist wichtig und ein nicht gering zu schätzendes Gut in einer Demokratie. Insbesondere gehört dazu auch der Mut, neue Wege zu beschreiten. Denn wohin
das bewegungslose Verharren der letzten Jahre Niedersachsen geführt hat, können wir an den Seiten des Haushaltsplans leider ablesen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Als Nächster hat sich Herr Professor Lennartz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Herr Professor Lennartz, ich erteile Ihnen das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz auf Herrn Wiese eingehen. Sie haben ja gerade eine böse Kritik auch an Herrn Meyerding, Ihrem Staatsmodernisierer, formuliert. Denn er hat zu SPD-Zeiten maßgeblich in ähnlicher Funktion für die damalige Landesregierung gearbeitet. Wenn Sie das jetzt in Bausch und Bogen verurteilen und sagen, da sei nichts gelaufen, dann attestieren Sie zugleich Herrn Meyerding, dass er für das jetzige Amt gar nicht qualifiziert gewesen sei.