Protokoll der Sitzung vom 23.06.2005

Wenn konkrete Vorschläge auf dem Tisch liegen, werden wir diese insbesondere im Unterausschuss ausführlich beraten.

Meine Damen und Herren, zum Schluss einige Anmerkungen zu der Einzelunterbringung. Die Inbetriebnahme der Haftanstalt in Sehnde und die zu erwartende Fertigstellung in Rosdorf werden zu einer starken Entlastung der Überbelegung bei den niedersächsischen Haftanstalten führen. Wir brauchen die Anpassung der Belegungsvorschriften daher nicht, um aktuelle Probleme in Niedersachsen zu lösen.

Es macht jedoch überhaupt keinen Sinn, diesen modernen, neuen Haftanstalten bei der Möglichkeit

der Doppelbelegung andere Vorschriften aufzubürden als jenen Anstalten, die vor 1977 errichtet wurden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die absolute Grenze der Unterbringung wird durch die Menschenwürde gesetzt. Herr Kollege Meihsies hat das völlig richtig gesagt. Das versteht sich auch von selbst. Was gegen die Menschenwürde verstößt, findet in niedersächsischen Haftanstalten nicht statt, egal, welches Alter die Haftanstalt hat.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, niemand sollte den Eindruck erwecken, die Unterbringung von zwei oder mehr Inhaftierten in einem Haftraum sei bereits an sich ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Das hat der Kollege Lehmann ausgeführt. Die Darstellung wäre schlicht falsch, würde man so etwas behaupten.

Damit würden Sie im Übrigen den älteren Anstalten in Niedersachsen - das sind die meisten - bitter unrecht tun. Frau Kollegin Müller, Sie wissen das doch. Sie kommen aus dem Emsland. Sie werden nicht behaupten, dass in Meppen, in Lingen, in Groß Hesepe, gegen die Menschenwürde verstoßen wird. Wenn Sie das tun, wird Herr Kollege Rolfes mit Sicherheit dagegen etwas einzuwenden haben. Und das, obwohl diese Haftanstalten aufgrund ihres Alters berechtigt sind, mehrere Häftlinge in einem Haftraum unterzubringen, und diese Gelegenheit auch nutzen.

(Elke Müller [SPD]: Es kommt auf die Größe der Hafträume an!)

- Richtig.

(Elke Müller [SPD]: Die normale Ein- zelzelle ist 9 m², und da müssen Sie für zwei Menschen Mobiliar haben!)

- Passiert ja auch nicht.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Waren Sie da eigentlich mal? Das stimmt doch gar nicht, was Sie eben sagen!)

Meine Damen und Herren, durch die Initiative der Justizministerin soll weder der Grundsatz der Einzelunterbringung beseitigt noch die Situation der Häftlinge verschlechtert werden. Vielmehr sollen die Haftanstalten in Niedersachsen in die Lage

versetzt werden, die Inhaftierten insgesamt angemessen unterzubringen. Diese Initiative wird von uns nachhaltig unterstützt. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als Nächste hat Frau Heister-Neumann das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Public-Private-Partnership, kurz PPP, ist ein Thema, das den Justizvollzug auch in anderen Bundesländern seit einiger Zeit beschäftigt. Die Fraktionen von CDU und FDP haben gemeinsam beantragt zu prüfen, ob der Bau einer Justizvollzugsanstalt durch private Investoren und auch der Betrieb dort, wo keine sicherheitsrelevanten Bereiche betroffen sind, durch private Betreiber möglich ist.

Die Position der SPD zu PPP ist mir nach wie vor unklar, auch heute noch.

(Zuruf von der CDU: Wohl wahr!)

Im März 2004 hatte sie noch mit einem Änderungsvorschlag zum Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen eine gründliche Prüfung der rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen gefordert. Damit formulierte sie das, was für mich allerdings auch selbstverständlich ist.

Anders dann aber die Pressemitteilung der Abgeordneten Müller vom 12. Mai 2005. Ich zitiere:

„Die SPD-Landtagsfraktion spricht sich entschieden gegen die Pläne der Landesregierung zur (Teil-)Privatisierung des Justizvollzugs in Niedersachsen aus.“

Jetzt wiederholt die SPD mit ihrem neuen Änderungsantrag plötzlich wieder den alten und schreibt ihn ab. Da darf man wohl mit Recht nachfragen: Was wollen Sie denn nun eigentlich?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Regierungsfraktionen, meine Damen und Herren - das habe ich auch hier wieder gehört -, stehen dem PPP-Projekt im Justizvollzug positiv ge

genüber. Sie sind damit nicht allein. Auch Hessen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg planen PPP-Modelle im Justizvollzug. Selbst die frühere SPD-Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte ein PPP-Projekt bereits auf dem Weg gebracht.

(Zuruf von Ralf Briese [GRÜNE])

- Ich glaube, wir werden da noch ein wenig Überzeugungsarbeit leisten müssen, wir werden das auch noch schaffen.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Okay!)

Ich bin froh, dass die Niedersächsische Landesregierung am 19. April als Teil eines Paktes zur Modernisierung der Landesverwaltung einen entsprechenden Prüfauftrag erteilt hat. Liebe Frau Müller, es war die Niedersächsische Landesregierung. Es ist ein Kabinettsentschluss und keine Einzelaktion.

Gemeinsam mit dem Finanzministerium und dem Innenministerium werden wir sorgfältig alle offenen Fragen einer Partnerschaft zwischen Justizvollzug und Privatwirtschaft klären. Wir werden den Privaten hohe Standards vorgeben, u. a. die unseres erst kürzlich vorgestellten einheitlichen niedersächsischen Justizvollzugskonzeptes. Dazu gehört auch die Vorgabe, eine Beschäftigung der Gefangenen zu garantieren.

Meine Damen und Herren, eine vollständige Privatisierung des Justizvollzugs ist verfassungsrechtlich nicht möglich. Dazu brauchen wir keine Belehrung, meine Damen und Herren. Ich muss Ihnen dazu sagen, es ist auch überhaupt nicht gewollt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe immer wieder betont - das habe ich heute wieder von den Vertretern der Regierungsfraktionen und auch von Herrn Meihsies gehört -: Schwarze Sheriffs auf den Stationen kann sich wohl keiner von uns vorstellen. Und das ist auch gut so!

Wir sollten heute alle den Mut finden, polarisierende Diskussionen zur Privatisierung im Justizvollzug zumindest für eine Weile auszusetzen, und das Ergebnis auch der Detailprüfung durch die Projektarbeit abwarten. Wenn diese zu dem Ergebnis gekommen ist, dass PPP uneingeschränkt tatsächlich rechtlich und wirtschaftlich vernünftig ist, erst dann müssen die notwendigen Entscheidungen getroffen werden. Das heißt aber nichts weiter, frühestens ab 2006 sollten wir profund weiterdis

kutieren. Dann allerdings mache ich das sehr gerne und mit allen Fraktionen, die in diesem Landtag vertreten sind.

Stimmen Sie also bitte diesem Antrag zu. Stimmen Sie auch dem Antrag der Fraktion der SPD zum Erhalt des Grundsatzes der Einzelunterbringung zu, aber bitte in der Fassung des Änderungsantrages der Fraktionen von CDU und FDP.

Meine Damen und Herren, die Unterbringungssituation im Justizvollzug ist geradezu paradox. Ausgerechnet in den überalterten und weniger funktionstüchtigen Anstalten, also jenen, die vor 1977 im Betrieb genommen wurden, dürfen bzw. müssen sich nach den gegebenen Umständen zwei oder mehr Gefangene einen Haftraum teilen. In den neueren, modernen Anstalten ist das nach dem Strafvollzugsgesetz in seiner jetzt noch geltenden Fassung nicht möglich, weder bei einer starken Überbelegung, noch wenn Gefangene eine Gemeinschaftsunterbringung wünschen.

Die Landesregierung hat deshalb schon im Herbst 2003 die Initiative zur Änderung der §§ 18 und 201 des Strafvollzugsgesetzes ergriffen. Diese Initiative hat zum Ziel, den Justizvollzugsanstalten die Möglichkeit einzuräumen, über das bisher zulässige Maß hinaus - -

(Unruhe)

Frau Ministerin, einen Moment bitte. - Auf der von mir aus gesehenen linken Seite des Hauses ist es ausgesprochen unruhig. Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

(Ulrich Biel [SPD]: Das schallt von der rechten Seite her!)

Diese Initiative hat zum Ziel, den Justizvollzugsanstalten die Möglichkeit einzuräumen, über das bisher zulässige Maß hinaus Mehrfachbelegung in den Hafträumen dann zuzulassen, wenn Gefangene dies wünschen und schädliche Beeinflussung durch Mitgefangene nicht zu befürchten ist und wenn die räumlichen Verhältnisse der Anstalt, nämlich eine Überbelegung, dies tatsächlich erfordern.

Die Gesetzesinitiative Niedersachsens gibt den Grundsatz der Einzelunterbringung als solchen nicht auf. Sie trägt aber den Bedürfnissen der Gefangenen und vor allem auch der Vollzugspraxis angemessen Rechnung. Ich bin froh und dankbar, dass die Beratungen im Fachausschuss zu dem Ergebnis gekommen sind, dass die Initiative der Landesregierung zu begrüßen ist.

Meine Damen und Herren, stellen Sie mit der Stimmabgabe heute die Weichen für einen Justizvollzug, der den tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung trägt, der modern und der sicher ist. Ich betone dies hier mit Absicht. Der niedersächsische Justizvollzug ist sicher.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Entschließungsantrag der SPD-Fraktion zur Sicherheit im Justizvollzug, der etwas anderes suggerieren will, basiert auf einer Reihe von unzutreffenden Annahmen. Insbesondere seit der Regierungsübernahme haben die Entweichungen nicht zugenommen und erst recht nicht bemerkenswert zugenommen, wie es im Entschließungsantrag der SPD-Fraktion behauptet wird. Eine derartige Entwicklung ist auch aktuell nicht zu befürchten. Unser Justizvollzug, meine Damen und Herren, erfüllt ausgesprochen wichtige Aufgaben im Dienste der Sicherheit der Bevölkerung in unserem Land. Diese Aufgaben erfüllt er außerordentlich gut, und, meine Damen und Herren, er wird von Jahr zu Jahr besser.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Entscheidend dafür sind vor allem das hohe fachliche und menschliche Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihre Bereitschaft, sich immer wieder in Frage zu stellen und auch immer wieder verbessern zu wollen. Hier haben wir tatsächlich kein Beharrungsvermögen, keine Widerstände gegen Reformen. Die Mitarbeiter sind offen und wirklich ständig und stetig bereit, an sich selbst und der Verbesserung der Qualität im Vollzug zu arbeiten.