Protokoll der Sitzung vom 23.06.2005

gelobten Prestigebauten, für die Dutzende von Architekturpreisen eingeheimst wurden, Problemgebiete und Abrisskandidaten geworden? Nicht selten werden heute öffentliche Städtebaufördermittel eingesetzt, um Bausünden der Vergangenheit zu beseitigen.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Diese Landesregierung hat sich des Themas Baukultur von Anfang an angenommen.

(Zustimmung bei der CDU)

Der Ministerpräsident selbst hat Gespräche mit dem Präsidenten der Architektenkammer Niedersachsen geführt. Einig ist man sich darin, das Thema Baukultur im Land und in den Städten und Gemeinden zu stärken. Die vielfältigen Initiativen der Landesregierung in diesem Bereich verdienen auch Ihren Respekt und Ihre Anerkennung. Sie werden von meiner Fraktion ausdrücklich begrüßt.

So wird sich die Landesregierung trotz fehlender Haushaltsmittel in engem Kontakt mit der Architektenkammer Niedersachsen und anderen Institutionen weiter um ein Aktionsprogramm in Sachen Baukultur bemühen.

Wie Sie wissen, vergibt das Land Niedersachsen seit 2002 den Niedersächsischen Staatspreis für Architektur, die höchste Architekturauszeichnung des Landes. Damit werden baukulturelle Spitzenleistungen gewürdigt. Dieser Preis findet weit über die Landesgrenzen hinaus Beachtung.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung steht auch in engem Kontakt mit den Universitäten, die in den Bereichen Architektur, Stadtplanung und Architekturgeschichte Hervorragendes leisten.

Programme zu schreiben, geht schnell. Sie mit Leben zu erfüllen, ist die eigentliche Aufgabe, eine schwere Aufgabe angesichts leerer Kassen. Wer diese zu verantworten hat, meine Damen und Herren, darüber müssen wir uns an dieser Stelle nicht mehr unterhalten. Das ist hinlänglich bekannt.

Wie in anderen Bereichen auch wird man bei der Baukultur im Wesentlichen auf Sponsoren angewiesen sein. Wie ich erfahren habe, ist die Landesregierung bereits mit einigen potenziellen Sponsoren im Gespräch, um dieser Aufgabe noch besser gerecht zu werden.

Schon jetzt gibt es in Sachen Baukultur auch ein bemerkenswertes privates Engagement von Verbänden, lokalen Vereinen, Initiativen und auch anderen Institutionen. Nach dem Motto „tue Gutes und rede darüber“ muss die Öffentlichkeit allerdings mehr darüber erfahren. Hier sind alle Beteiligten - auch das Land - aufgerufen, Informationen und Angebote zu bündeln und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Stärkung des Engagements der Akteure vor Ort muss auch in Zukunft das Ziel der Landespolitik sein. Jede Stadt, jede Gemeinde wird - wie das Land selbst auch versuchen, das Beste aus ihren finanziellen Möglichkeiten zu machen, und zwar in eigener Verantwortung. Dabei kommt den Architekten eine entscheidende Rolle zu. Auch sie müssen auf die Finanznot der öffentlichen Hand reagieren und Entwürfe vorlegen, die gut und finanzierbar sind. Das Land kann hier nur beraten und für die nötige Sensibilität der Landesbediensteten in Sachen Baukultur sorgen. Mit mehr Staat schaffen wir es in diesem Bereich jedenfalls nicht.

Die Einrichtung von regionalen Denkmalbeiräten ist überflüssig. Schon jetzt können nach § 22 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes Beauftragte für die Denkmalpflege bestellt werden. Diese werden unmittelbar vor Ort tätig. Das bedeutet Bürgernähe und garantiert schon jetzt, dass regionaler Sachverstand hinzugezogen wird.

Meine Damen und Herren, in der Zielsetzung sind wir alle uns im Wesentlichen einig. Was wir nicht wollen, sind mehr Bürokratie und mehr gesetzliche Verpflichtungen. Dies wäre in einem Bereich, in dem es eher um Motivation als um Reglementierung gehen sollte, kontraproduktiv. Leider ist Ihr Antrag davon zu sehr durchsetzt. Darum können wir ihm nicht folgen und müssen ihm mit einer Ablehnung begegnen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Kollegin Polat das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Beckmann, wie Sie richtig festgestellt haben, sind wir uns von der Zielsetzung her einig: Baukultur in Niedersachsen ist ein wich

tiger Bereich. Wie Sie auch festgestellt haben, ist der Weg dorthin, den wir verfolgen, ein anderer.

Mit unserem Antrag „Lebendige Stadtzentren erhalten - Baukultur in Niedersachsen fördern!“ wollen wir die Initiative zur Förderung der Baukultur voranbringen. Wir wollen sie mit unserem Antrag dabei unterstützen, weitere Förderer einzuwerben, um mit der Initiative voranzukommen. Dies ist zum Teil gelungen; das haben wir im Ausschuss gehört.

Festzustellen ist, dass die Förderung der Baukultur von vielen getragen wird; das haben auch Sie gesagt, Herr Beckmann. Festzustellen ist aber auch, dass die Landesregierung eine initiierende Rolle dabei hat, die Baukultur vor Ort stärker zu entfalten. Festzustellen ist auch, dass die Landesregierung dieser Aufgabe nicht nachkommt.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, eine Beschlussempfehlung des Landtages hätte eine Signalwirkung in die Richtung gehabt, sich zur Baukultur in Niedersachsen zu bekennen und die Ansätze unseres Antrages im Land Niedersachsen noch stärker zu kommunizieren und umzusetzen.

Wie Sie wissen, muss der Erhalt urbaner Zentren und Dorfkerne in der Landespolitik zukünftig einen höheren Stellenwert erhalten. Denkmalpflege dient nämlich nicht nur der Belebung der Ortskerne, sondern leistet einen erheblichen Beitrag zur regionalen Beschäftigungsförderung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Allerdings ist Niedersachsen in diesem Bereich Schlusslicht. Die Denkmalpflege befindet sich in einem beklagenswerten Zustand. Wer die Presse in der letzten Zeit gelesen hat, weiß das. Für Niedersachsen als Flächenland gilt es mit Blick auf die erkennbaren Aktivitäten anderer Bundesländer, einen eigenen, richtungsweisenden Weg zu finden. Stattdessen - dazu möchte ich einen Punkt aufgreifen, der sehr aktuell ist - verweigert Niedersachsen mit den anderen unionsregierten Ländern - gerade in der letzten Woche wieder geschehen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Errichtung der Bundesstiftung Baukultur seine Zustimmung - und das, obwohl der Entwurf im Mai vom Bundestag einstimmig angenommen worden ist. Alle Fraktionen - CDU/CSU, FDP, SPD, Grüne und PDS - hatten damals betont, dass sich das Thema nicht für parteipolitische Streitigkeiten eigne. Erneut ließ der Bundesrat mit der Stimme Niedersachsens wider alle Vernunft ein über fünf Jahre vorbereitetes Gesetz kippen. Meine Damen und

Herren von den Mehrheitsfraktionen, ich hätte schon erwartet, dass Sie, wenn Sie schon nicht willens sind, in Niedersachsen tätig zu werden, nicht auch noch auf Bundesebene blockieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aus wahltaktischen Gründen wurde so die große Chance vertan, neue Qualitätsmaßstäbe in der Baukultur zu erarbeiten und die internationalen Vermarktungschancen deutscher Architektur- und Bauleistungen zu stärken.

Wir von Bündnis 90/Die Grünen werden uns weiterhin auf Bundesebene, auf Landesebene und auch auf kommunaler Ebene für eine Stärkung der Baukultur einsetzen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion spricht Frau Kollegin Peters. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Baukultur ist für mich ein Stück Identität der Gesellschaft. Wie für alle anderen Bereiche der Kultur gilt es, dieses Stück zu entwickeln, zu pflegen und zu stärken. Hierin weiß ich mich mit allen Fraktionen des Landtages einig.

(Beifall bei der FDP)

Baukultur ist für uns nicht nur eine Angelegenheit der Architekten, Ingenieure und Stadtplaner, sondern im Wesentlichen der Bauherren, eigentlich aller Bürger. Der Tag der Architektur mit seinen Veranstaltungen führt uns vor Augen, dass Baukultur nicht in erster Linie eine Frage des Preises ist, sondern eine Frage des Wollens und des fachlichen Könnens. Für den Preis eines normalen Einfamilienhauses bekommt man entweder ein Einfamilienhaus oder ein Raumerlebnis Wohnen. Was wir brauchen, sind somit nicht primär eine Erhöhung der Fördergelder, mehr Planungsvorgaben und Denkmalbeiräte und damit mehr Bürokratie, sondern vor allem ein entsprechendes Bewusstsein bei den Bauherren.

(Zustimmung bei der FDP)

Bewusstsein aber lässt sich nicht verordnen. Bewusstsein muss behutsam eingeworben werden und in der Bildung, möglichst schon in der Schul

bildung, sicherlich aber in der Hochschulausbildung, zumindest für den Baubereich, verankert werden.

Schwierig finde ich zudem, wenn Baukultur immer mit Denkmalpflege gleichgesetzt wird. Selbstverständlich sind die Denkmäler der Vergangenheit Kulturgut. Aber Kultur ist ein lebendiger, ein sich stetig entwickelnder Begriff. Bauen sollte das heutige Lebensgefühl, die heutige Lebenskultur ausdrücken.

(Zustimmung bei der FDP)

Neue Entwicklungen haben dabei auch auf die Baukultur Konsequenzen. Der demografische Wandel erfordert z. B. Bauten, die altengerecht sind. Die Großsiedlungen der 50er- bis 70er-Jahre in den Städten müssen zurückgebaut werden. Hier muss ein liebens- und lebenswertes Umfeld für die heutigen Bedürfnisse geschaffen werden. Es wird die zukünftige Baukultur prägen, wie unter diesen Bedingungen die gebaute Umwelt gestaltet wird. Die Integration in das bauliche Umfeld, ein Nebeneinander unterschiedlicher ästhetischer Ansätze, das nicht zur Beliebigkeit verkommt, ein Bezug zu Tradition und Eigenart unserer Städte und Dörfer und deren historischen Bausubstanz sowie das Wohlbefinden der Menschen in ihrer gebauten Umwelt kennzeichnen eine ansprechende Baukultur.

Den öffentlichen Bauherren weise ich gerne eine gewisse Vorbildfunktion für die Baukultur zu. Aber die Haushaltslage des Landes wird in den nächsten Jahren eine Bautätigkeit nur sehr eingeschränkt zulassen. Diese Bautätigkeit wird dokumentieren müssen, dass in anderen existenziellen Bereichen bereits gespart werden muss.

Was kann denn auf Landesebene noch erreicht werden?

Zu vermeiden sind Aktivitäten, wie sie im Antrag gefordert werden, die auf zusätzliche Bürokratie, zusätzliche Auflagen und zusätzliche Kosten hinauslaufen.

(Beifall bei der FDP)

Was wir brauchen, ist eine Vermittlung der Bedeutung der Baukultur für das Lebensumfeld der Menschen. Die Konzertierte Aktion Bauen und Wohnen war dazu eine sinnvolle Alternative. Wir hoffen, dass es in den nächsten Monaten gelingen wird, die Sponsoringaktivitäten des Sozialministe

riums zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen. Das Wort „Abschluss“ heißt in diesem Kontext „Beginn“. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Harden. Bitte!

(Zuruf von der CDU: Rauchmelder!)

Das war Jens, nicht wahr? - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir können über die Art nicht glücklich sein, wie wir mit diesem eigentlich sehr löblichen Antrag zur Förderung der Baukultur umgegangen sind und wie wir ihn jetzt zum Abschluss bringen. Alle Fraktionen haben eigentlich schon seit Jahren, spätestens seit 2002, betont, dass sie Baukultur fördern wollen. Wir haben uns auch während der Ausschussberatungen in die Hand versprochen, einen gemeinsamen Antrag zu formulieren. Gute Worte allein reichen nicht. Man muss bei einem so unstrittigen Thema wenigstens in der Lage sein, das Angebot, das von allen Seiten da ist, anzunehmen und dann einen Antrag zu bringen. Ich bedauere, dass das nicht passiert ist.

Wir haben insgesamt über wesentliche Anteile des Antrages große Übereinstimmung erzielt. Ich würde den Teil, in dem es um die Denkmalbeiräte geht, nicht überhöhen wollen, um zu sagen, es gehe um Bürokratie usw. Frau Polat hat während der Ausschusssitzungen gesagt, dass wir darüber reden können. Es bestand also die Bereitschaft, von einem verpflichtenden Ansatz wegzugehen.

Herr Beckmann, zwischendurch: Den Staatspreis für Architektur gibt es seit 1996 und nicht erst seit 2002. Es gibt wirklich sehr löbliche Beispiele bei den Auszeichnungen, die prima Ansätze aufzeigen und zeigen, dass sich so ein Staatspreis lohnt. Aber er darf eben nicht alleine stehen bleiben.

Ich habe nicht verstanden - die Grünen wohl auch nicht -, warum wir auf einmal über diesen Antrag, obwohl wir ihn noch nicht ausdiskutiert hatten, abgestimmt haben. Letztlich wollten das die Regierungsfraktionen so. Wir sind also im Prinzip bei einer Stimmenthaltung stehen geblieben. Wir als SPD-Fraktion hätten durchaus zu einer Zustimmung kommen können, wenn man diesen Antrag