Protokoll der Sitzung vom 23.06.2005

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Wieder einmal ist das Thema Elbvertiefung Diskussionsgegenstand bei uns im Landtag. Wie schon in der Vergangenheit möchte ich für die FDP-Fraktion feststellen: Wir sagen Ja zu einer Elbvertiefung, aber nur dann, wenn alle von Niedersachsen an Hamburg und an den Bund übermittelten Vorgaben erfüllt sind

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Sind sie das?)

und auch die Maßgaben - Herr Kollege Wolfkühler, da sind wir uns einig - aus dem Planfeststellungsbeschluss der im Jahr 2000 abgeschlossenen Elbvertiefung erfüllt sind.

Dieses konditionierte Ja geben wir deshalb, weil der Hamburger Hafen einer der wichtigsten Arbeitgeber für die Niedersachsen im Hamburger Umland ist. Herr Kollege Wolfkühler, es geht nicht nur um die Hamburger Wirtschaft, sondern es geht um viele, viele Arbeitnehmer in den Landkreisen Harburg, Stade, Lüneburg und der ganzen Region.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das alles wissen wir!)

Meine Damen und Herren, in unserer Region gibt es deswegen eigentlich eine gemeinsame Haltung von CDU, FDP und SPD. Dieser Konsens hat die Deichsicherheit als zentrales Element. In dem nun vorliegenden Entschließungsantrag sind alle die Deichsicherheit betreffenden Punkte aufgeführt. Ich nenne hier beispielhaft die Kompensation negativer Auswirkungen, falls die Brackwasserzone verschoben wird. Ich nenne die volle Übernahme der Zusatzkosten für die Erhaltung der Deiche sowie die genaueste Untersuchung aller Auswirkungen einer möglichen Elbvertiefung genauso wie die der vorherigen.

Meine Damen und Herren, diese Punkte haben wir von FDP und CDU in der Ausschussberatung in diesen Entschließungsantrag eingebracht. Wir vertreten damit die Interessen der Menschen in dieser Region.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Wolfkühler, bei den Grünen - das wissen wir - sind Hopfen und Malz verloren.

(Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: Wir wollen eine konsequente Politik! Das sind falsche Formulierungen!)

Dass nun aber die SPD diesen Konsens in der Region hier aufkündigt, finde ich mehr als bedauerlich.

(Beifall bei der FDP)

Würde man es böse mit Ihnen meinen, würde man dieses Verhalten mit der vorgezogenen Bundestagswahl in Verbindung bringen. Das will ich an dieser Stelle aber gar nicht tun.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das stand ja schon früher! Da war die Neuwahl- frage noch gar nicht akut!)

Ich kann Sie nur aufrufen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Schüren Sie nicht die Ängste der Menschen, sondern lassen Sie uns konstruktiv über dieses Thema beraten und diskutieren! Für unsere Region steht viel zu viel auf dem Spiel. Damit meine ich sowohl die Arbeitsplätze im Hamburger Hafen als auch die Deichsicherheit. Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt Herr Minister Sander.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Kabinettsbeschluss vom 7. September 2004 hat die Landesregierung einer Aufnahme des Vorhabens in den Bundesverkehrswegeplan grundsätzlich zugestimmt. Allerdings hat sie diese grundsätzliche Zustimmung an Bedingungen geknüpft. Das heißt, wir haben Forderungen aufgestellt, die erfüllt werden müssen. Sie sind in dem Kabinettsbeschluss enthalten. Wir sind froh, dass sie jetzt auch im Umweltausschuss voll übernommen worden sind.

Herr Kollege Wolfkühler, Sie haben eben gesagt, grundsätzlich stünden Sie zur letzten Elbvertiefung. Das finde ich unter Umständen positiv. Aller

dings hätten Sie daraus Lehren ziehen und eigentlich dem Antrag der Regierungsfraktionen zustimmen müssen. Sie gehen mit Ihrem Antrag aber anders vor.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig! - Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben jetzt Forderungen gestellt. Diese Forderungen müssen abgearbeitet und dann dementsprechend im Planfeststellungsbeschluss beachtet werden. Das heißt, die Gefahren oder die Probleme, die wir jetzt mit der Elbvertiefung bekommen, auch die Streitereien, die es in den Deichverbänden über den Abbruch der Deckwerke gibt, all das schließen wir aus. Das wollen wir vorher geklärt haben. Wir wollen auch vorher geklärt haben, wer, falls doch die Schäden eintreten sollten, ihre Behebung bezahlt.

Um unsere Position noch einmal klar und deutlich zu machen, damit keine Missverständnisse aufkommen: Die Zustimmung des Landes Niedersachsen zur Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan ist noch kein Einvernehmen für die von Hamburg angestrebte Elbvertiefung.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: So ist es! - Zustimmung bei der CDU)

Darüber wird aber erst entschieden, wenn all die Fragen abgehandelt sind.

Herr Wolfkühler, ich habe Sie als sehr vernünftigen Kollegen kennen gelernt, als wir an der Elbe waren und uns sehr intensiv darüber unterhalten haben. Sie kommen ja aus einem Gebiet, für das Sie Arbeitsplätze schaffen und erhalten wollen. Hoffentlich gelingt uns das auch dort.

Die Position der Landesregierung lautet: Wir stehen der Elbvertiefung grundsätzlich positiv, aber auch kritisch gegenüber - positiv wegen der hohen wirtschaftlichen Bedeutung des Hamburger Hafens für die angrenzenden niedersächsischen Regionen, kritisch wegen der möglichen negativen Auswirkungen der Elbvertiefung auf Natur und Landschaft und insbesondere - das ist immer wieder zu betonen - auf die Deichsicherheit.

Ganz wichtig ist, dass wir wissen oder anerkennen müssen, dass die Machbarkeitsstudie noch nicht ein Modell ist, das genehmigungsfähig sein könnte. Das muss erst im weiteren Verfahren geklärt werden.

Für uns ist aber auch die Akzeptanz wichtig, die wir im Elberaum erreichen müssen. Deshalb müssen wir zusammen mit den Deichverbänden im Planfeststellungsverfahren dafür sorgen, dass ihre berechtigten Anliegen berücksichtigt werden. Wenn wir all diese Fragen geklärt haben, werden die Niedersächsische Landesregierung, der Landtag die Entscheidung treffen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Der Beschlussempfehlung des Ausschusses ist gefolgt.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 27: Zweite Beratung: Niedersächsisches Naturerbe bewahren Der Schutz der niedersächsischen Moore darf nicht vernachlässigt werden - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1344 - Beschlussempfehlung des Umweltausschusses - Drs. 15/1991 - Änderungsantrag der Fraktion der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2025

Die Beschlussempfehlung lautet auf Annahme in geänderter Fassung.

Das Wort hat zunächst Frau Kollegin Steiner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Grünen haben vor acht Monaten mit unserem Antrag das Thema Moorschutz wieder auf die Tagesordnung des Landtages gesetzt. Wir haben eine Chance gesehen, dass alle Fraktionen im Landtag an einem Strang ziehen, um den Moorschutz im Westen Niedersachsens voranzubringen und der Einrichtung eines zusammenhängenden Moor

schutzgebietes „Niedersächsische Moorlandschaft“ ein Stück näher zu kommen.

Bekanntlich sind die Moorschutzgebiete noch immer ein Puzzle mit großen Lücken, in dem entscheidende Teile fehlen. Ein wesentliches, großes Puzzleteil von Bedeutung für das Gesamtgebiet ist die Esterweger Dose. Sie spielt in dem gesamten Konzept und in der Naturlandschaft eine herausragende Rolle unter den Hochmoorgebieten Niedersachsens und ist in ihren geologischen Moorgrenzen der größte noch vorhandene - das muss man einmal unterstreichen - Moorkomplex Niedersachsens. Große Teile sind nach dem Torfabbau schon wieder vernässt worden. Der gesamte Komplex ist EU-Vogelschutzgebiet und bereits jetzt Teil des europäischen Netzes Natura 2000. Von daher ist klar erkennbar, dass das ein zentraler Bereich des Moorschutzgebietssystems zwischen Oldenburg und Papenburg werden könnte.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Wenn man zurückblickt, haben eigentlich alle Landesregierungen seit 1981 ihren Teil dazu beigetragen, ein Stück Moorschutzgebietssystem zu entwickeln und den Moorschutz weiterzubringen, aber nur bis 2002. Seit Anfang 2003, seit Beginn der schwarz-gelben Landesregierung, seit Amtsantritt von Minister Sander, stockt diese Entwicklung. Die seit Ende 2002 fertige Ausweisung der Esterweger Dose als Naturschutzgebiet liegt auf Eis. Mittlerweile ist auch deutlich geworden, dass der Kern der Esterweger Dose nicht mehr als Moornaturschutzgebiet ausgewiesen werden wird. Die Intervention der Torf- und Humuswirtschaft bei Herrn Sander war also erfolgreich. Das ist auch der Hintergrund, weshalb sich die Fraktionen im Landtag nicht einigen durften; denn das Ministerium hat geblockt.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist doch nicht richtig, Frau Steiner!)

- Das können wir belegen, Herr Kollege Dürr.

(Christian Dürr [FDP]: Nein!)

Wenn Sie behaupten, Herr Kollege Dürr, das sei ein Etikettenschwindel, wenn man die Esterweger Dose komplett und auch das Kerngebiet als Naturschutzgebiet ausweisen wolle,

(Christian Dürr [FDP]: Ich habe ge- sagt, es ist Etikettenschwindel, wenn noch ein Bagger auf dem Feld steht!)

obwohl dort noch Torfabbau betrieben wird, dann kann ich nur sagen: Sie haben das Problem noch nicht erfasst. Erst ein Gesamtkonzept ermöglicht eine andere Qualität bei Renaturierung und Wiedervernässung. Es ermöglicht eine bessere Kontrolle, wenn es Naturschutzgebiet ist, z. B. wie die Torfindustrie den Torfabbau betreibt. Sie reden in der Beschlussempfehlung so großartig vom Knowhow der Torfindustrie. Ich kann Ihnen sagen, wo das Know-how liegt: die Bunkerde ersatzlos abzubauen.

(Christian Dürr [FDP]: Sie glauben, alles kann der Staat beim Naturschutz machen! Das wird nicht funktionieren!)

Ein Gesamtkonzept erspart bürokratischen Aufwand, wenn Sie dieses Naturschutzgebiet später noch einmal ausweisen müssen, was auch Sie eigentlich wollen.

(Christian Dürr [FDP]: Und was ist mit dem Goldregenpfeifer? Warum ist er wiedergekommen?)

- Ich möchte erst einmal allein reden. Sie können danach auch allein sprechen. - Vor allem haben dann alle, auch die Torfunternehmen, mehr Rechtssicherheit; denn das ganze Gebiet ist, wie gesagt, EU-Vogelschutzgebiet und gehört fast komplett zu Natura 2000. Wenn aber Herr Sander „EU-Bestimmungen“ hört, dann gräbt er ohnehin gleich das Kriegsbeil aus. Dann hilft es auch nicht, wenn CDU und FDP in der Beschlussempfehlung gleichzeitig die geschützte Vogelart Goldregenpfeifer bejubeln.