- Ich möchte erst einmal allein reden. Sie können danach auch allein sprechen. - Vor allem haben dann alle, auch die Torfunternehmen, mehr Rechtssicherheit; denn das ganze Gebiet ist, wie gesagt, EU-Vogelschutzgebiet und gehört fast komplett zu Natura 2000. Wenn aber Herr Sander „EU-Bestimmungen“ hört, dann gräbt er ohnehin gleich das Kriegsbeil aus. Dann hilft es auch nicht, wenn CDU und FDP in der Beschlussempfehlung gleichzeitig die geschützte Vogelart Goldregenpfeifer bejubeln.
Nur noch ein Satz zum Änderungsantrag der Regierungsfraktionen, der uns nun als Beschlussempfehlung vorliegt. Das ist nur ein fadenscheiniges Alibi, um den gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen abzulehnen; denn in Teilen greifen Sie mit geänderten Formulierungen unseren Antrag
auf. Es gibt Gemeinsamkeiten, über die wir uns überhaupt nicht streiten mussten und wollten. Aber Sie umschiffen elegant den Kernpunkt: Warum wollen wir nicht, dass die Esterweger Dose zum Moornaturschutzgebiet wird? - Denn dann müssten Sie vielleicht auch gegenüber dem Ministerium Farbe bekennen und eine andere Position beziehen.
(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Mein letzter Satz, Frau Präsidentin: Wir werden nicht locker lassen! - Beifall bei den GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn jemand glaubt, Moorschutz und Abbau von Torf seien Themen unserer Zeit, der irrt. Aus dem Jahr 50 nach Christi wird schon vom Torfstechen zur Gewinnung von Brennmaterial berichtet.
- Herr Wenzel, wir haben uns heute Morgen schon über die Zwischenrufe unterhalten. „Jetzt rede ich“ - oder wie sagte es Frau Steiner eben so schön?
Erste Versuche zur Kultivierung der Moore gingen im 12. Jahrhundert von den Klöstern aus. Seit dem Mittelalter wurden Moore planmäßig mit Kanälen erschlossen, damit man Verkehrs- und Entwässerungswege hatte. Der Staat zeigte großes Interesse an der Moorkultivierung. Friedrich der Große - man muss ein bisschen von der Geschichte vom Moor wissen; sonst kann man das nicht begreifen
erließ 1765 ein Urbarmachungsedikt für Ostfriesland. Er erklärte die „Wüsteneyen“ zu Staatseigentum, um diese Flächen zu besiedeln und landwirtschaftlich zu nutzen. Dieses Neuland im Moor bedeutete für die Menschen dort Leben, es bedeutete Zufluchtstätte, Arbeit und Brot. Außerdem
Der rasante Abbau riss Löcher in die Moorlandschaft. Die Verknappung der Ressourcen brachte zum ersten Mal den Schutzgedanken mit sich, und erste kleine Gebiete wurden vom Abbau ausgeschlossen.
1962 waren 25 Hochmoore unter Schutz gestellt. Zehn Jahre später gab es das erste Bodenabbaugesetz und mit ihm zum ersten Mal eine Gesamtbeplanung der Moore, die auch - nach dem Abbau von Torf - die Renaturierung der Flächen vorgab. 1981 wurde unter der Regierung von Dr. Ernst Albrecht das Moorschutzprogramm I und 1986 das Moorschutzprogramm II sehr erfolgreich und weitsichtig eingeführt.
1994 wurde es aktualisiert. Denn über die große Bedeutung des Moores als einmaliges Naturerbe Europas mit höchstem Landschafts- und Naturwert sind wir alle uns einig.
Frau Steiner, einig geworden wären wir uns auch beinahe bei einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen, der dann aber leider beim Thema Torfabbau scheiterte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach 25 Jahren Moorschutzprogramm haben sich die Einstellungen, die Möglichkeiten und Ziele geändert. Heute stehen ca. 42 000 ha unter Naturschutz, alle 150 Kleinstmoore sind unter Biotopschutz gestellt, und fast die Hälfte der Hochmoorflächen sind renaturiert oder befinden sich in der Renaturierung.
Natürlich besteht weiterer Handlungsbedarf bei den notwendigen Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen, bei der Wiedervernässung und bei der Renaturierung. Es muss aber auch klar sein, dass wir uns im Hinblick auf die leeren Kassen auf Zielgebiete von Natura 2000 konzentrieren müssen, um europäischen Verpflichtungen nachzukommen.
Im Natur- und Moorschutz werden wir mit allen Beteiligten gemeinsam vieles fortführen. Wir müssen mit dem Landwirt, der oft Flächenbesitzer ist und mehr denn je auf seine Fläche angewiesen ist - das muss man auch mal sagen -,
mit dem Naturschutz, mit dem Flächennutzer - sprich: den Torfwerken -, mit dem Landvolk und den Moorfachleuten gemeinsam praktikable Konzepte entwickeln
- keine Bange, den Naturschutz habe ich erwähnt; Sie müssen zuhören - und sinnvollen Moorschutz entwickeln. Wir haben viele gut renaturierte Moorflächen in Niedersachsen vorzuweisen, die heute unter Naturschutz stehen. Die Abtorfung ist in den meisten Fällen korrekt abgelaufen - auf jeden Fall dort, wo sich die untere Naturschutzbehörde - sprich: die Landkreise - um die Abbaugenehmigungen gekümmert und auch kontrolliert hat. Außerdem, meine Damen und Herren von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, bietet die Torfindustrie mit ihren Torf- oder Erdenwerken gerade in den arbeitsplatzarmen Gebieten vielen Menschen ein gesichertes Einkommen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dorothea Steiner [GRÜNE]: Das hat, glaube ich, auch niemand bestritten!)
Noch eines: Wir werden immer Mischungen von Torf- und anderen Substraten brauchen. Selbst Ihre Sonnenblumen brauchen ein solches Torfsubstrat, um gut zu wachsen. Ich habe aber das Gefühl, dass Sie lieber Moorflächen in Polen oder - noch besser - weiter östlich abbauen wollen.
Der großzügige Verbrauch oder auch Missbrauch von Torf gehört lange der Vergangenheit an. Heute wissen wir den Wert von Torf hoch zu schätzen. Aber wir brauchen auch heute die Gewinnung von Weißtorf und - noch viel wichtiger - die Gewinnung des Feuchtigkeit haltenden wertvollen Schwarztorfs für unseren Erwerbsgartenbau, für Baumschulen, für den Export von Erdenmischungen und für unsere Hobbygärtner.
Ich will Ihnen einmal Folgendes erzählen, damit man ein Maß von den Dingen bekommt. Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass man von einem
Kubikmeter Kultursubstrat 350 000 Jungpflanzen ziehen kann. Das heißt, nicht mehr als ein Becherchen von dem Substrat ist da nötig.
Nur 10 % der Moore werden nach strengen behördlichen Auflagen für den Torfabbau gebraucht. Ich meine, dass unser Antrag eine gute Lösung ist.
Wir wollen das Moorschutzprogramm unter Kontrolle der Umsetzung weiter verfolgen, und wir wollen die Berichterstattung über den Renaturisierungsfortgang. Wir wollen die Unterschutzstellungen und Weiterentwicklung von Moorgebieten auf Natura-2000-Gebiete konzentrieren. Wir wollen den Dialog mit den Grundeigentümern, den Flächennutzern, den Naturschützern und vielen anderen Beteiligten gemeinsam fortsetzen. Die Torfwirtschaft muss auch ihren Verpflichtungen gerecht werden. Sie muss ihr Wissen bei der Renaturierung einbringen.
Wir wollen auch die Weiterentwicklung des Konzeptes „Natur erleben“ gemeinsam mit den Regionen, dem Naturschutz, der Umweltbildung, dem Tourismus, der Landwirtschaft und der Torfwirtschaft, damit der naturverträgliche Tourismus durch Verknüpfungen besser genutzt werden kann.
Ich habe es Ihnen schon einmal angeboten: Kommen Sie in den Landkreis Diepholz. Gucken Sie sich die jungen, wieder gut wachsenden Moore, die renaturiert worden sind, an. Da gibt es nicht nur den Regenpfeifer, sondern da gibt es auch Brutpaare der Wiesenweihe, die hier sehr selten geworden sind. Ich lade Sie herzlich ein, dorthin zu kommen.
Wir alle miteinander werden mit dem Moor weiterhin gut umgehen; denn auch viele Menschen nach uns möchten dieses einzigartige Naturerbe erleben. Ich hoffe, dass noch so manche Urahne, wie jetzt bei uns im Moor gefunden, als junges Mädchen aufersteht und guckt, was wir mit dem Moor machen. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was wir hier heute verabschieden, sollte etwas Gemeinsames werden, getragen von allen Fraktionen und getragen von der Erkenntnis, wie wichtig der Schutz der Moore heute ist. In der Diskussion im Ausschuss ist von allen Fraktionen Einigkeit beteuert worden - Einigkeit über die Notwendigkeit von Moorschutz und Einigkeit darüber, dass wir schon viel erreicht haben, aber letzten Endes auch Einigkeit darüber, dass bei der Wiedervernässung abgetorfter Flächen noch Handlungsbedarf besteht. Nach so viel Einigkeit, meine Damen und Herren von CDU und FDP, präsentieren Sie einen geänderten Antrag, in dem Sie mit vielen Worten echte Inhalte vermeiden,
also einen Antrag, mit dem Sie absolut nicht dem gerecht werden, was 1981 unter Ministerpräsident Ernst Albrecht begonnen wurde und was unter der SPD-Regierung enorm Fahrt aufgenommen hat,