Protokoll der Sitzung vom 14.09.2005

Während der Innenminister - das muss einmal gesagt werden - nicht einmal den Mumm hatte, seine Niederlage vor der Presse zu rechtfertigen, sondern seine arme Justizministerin vorgeschickt hat, empfand ich die Kommentierung der FDP als grotesk und bizarr. Was sagte der Fraktionsvorsitzende Dr. Philipp Rösler? - Man sei ganz „erleichtert“ über das Urteil.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Man sei darüber erleichtert, dass man sich verfassungswidrig verhalten habe. Mein lieber Scholli, habe ich mir gedacht, das muss erst einmal jemand verstehen!

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Geschichte der Verfassungsbrüche dieser Landesregierung ist damit noch nicht zu Ende. Herr Jüttner hat es gesagt: Auch das Mediengesetz ist zumindest in Teilen verfassungswidrig. Ich will Ihnen auch sagen, warum: weil es zu durchsichtig, zu plump war, dem politischen Gegner einfach eins reinzuwürgen. Das war so offensichtlich, was Sie da geplant haben. Wie hat der Fraktionsvorsitzende McAllister bei der Einbringung des Mediengesetzes argumentiert? Mehr Staatsferne. Die Rundfunkfreiheit wollen wir garantieren. Wir wollen den staatlichen Einfluss von Parteien zurückdrängen. - Sonderbarerweise, Herr McAllister, hat sich über das alte Mediengesetz niemand aufgeregt außer die CDU; die hat sich daran abgearbeitet. Ich sage Ihnen: Das war ein ganz plumper Versuch. Sonderbarerweise kam dann der Ministerpräsident kurze Zeit später und hat auf den NDR eingedroschen: Das ganze Programm passt mir nicht, und die Verwaltungsräte müssen mit der Staatskanzlei auch ein bisschen besser besetzt werden. - Die CDU hat ein ganz sonderbares, ein

ganz einseitiges und ein sehr widersprüchliches Verhältnis in der Rundfunkpolitik. Das sollten Sie einmal überdenken!

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, leider ist eine Aktuelle Stunde zu kurz, um alle Verfassungsbrüche dieser Landesregierung darzustellen.

(Lachen und Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zum Haushalt: ständiger Verfassungsbruch. Der Schuldenkönig ist längst Möllring. Das Verfassungsschutzgesetz - das ist das Bizarrste - ist selbst verfassungswidrig. Daran müssen wir jetzt auch noch. Auch bei Ihrer Planung, den Maßregelvollzug zu privatisieren, werden Sie eine Klatsche bekommen. Ich sage Ihnen: Lassen Sie die Finger davon!

Eines möchte ich Ihnen, Herr Innenminister, noch sagen. Sie sind ja ein großer Fan des Verfassungsschutzes. Ständig fordern Sie, ihn aufzupäppeln und ihn besser zu bestücken. Sie sollten aufpassen, dass Ihre eigene Behörde Sie nicht stärker in den Augenschein nimmt! Das wäre dann das Bizarrste.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Schlapphüte sollten besser die Landesregierung beobachten, weil hier ständig die Verfassung gebrochen wird.

Wir stellen fest: Niedersachsen braucht nicht schärfere Gesetze. Niedersachsen braucht bessere, sorgfältigere und vor allen Dingen verfassungskonforme Gesetze! - Vielen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das Wort hat Herr Kollege McAllister.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit zweieinhalb Jahren machen die neue Landesregierung und die bürgerliche Mehrheit in diesem Hause eine mutige Reformpolitik. Bei objektiver Betrachtung wird man uns durchaus un

terstellen können, dass wir sehr viele Vorhaben angeschoben und dabei ein hohes Tempo an den Tag gelegt haben: drei Konsolidierungshaushalte hintereinander, der erste Teil der Verwaltungsreform, Deregulierung und Entbürokratisierungsoffensive, Schulgesetz, Schulstrukturreform, Polizeigesetz, Polizeistrukturreform, Erwachsenenbildungsgesetz, Hochschuloptimierungskonzept usw. Meine Damen und Herren, ich halte fest: Wir haben in den ersten zweieinhalb Jahren unserer langen Regierungszeit mehr erreicht als die SPD in dreizehn Jahren zuvor.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Unser Ziel ist ein modernes, zukunftstaugliches Niedersachsen. Wenn man ein Ziel erreichen will, dann muss man loslaufen. Wenn man schnell losläuft, dann kann man gelegentlich - das ist völlig unbestritten - auch einmal hinfallen. Aber ich sage Ihnen eines: Wer gar nichts tut, der macht auch keine kleinen Fehler.

(Lachen bei den GRÜNEN - Zuruf von den GRÜNEN: Kleine Fehler?)

In der jetzigen Situation unseres Landes überhaupt nichts zu tun, wie Sie es machen, ist der größte Fehler. Das ist völlig inakzeptabel.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Unser Rechtsstaat sieht vor, dass man gegen jede staatliche Entscheidung vor Gericht gehen kann. Das ist gut so. In der Tat haben wir vor dem Verfassungsgericht zweimal in Teilen eine Niederlage erhalten: einmal in Karlsruhe, einmal in Bückeburg. Wir respektieren diese Entscheidungen, und wir werden diese Entscheidungen eins zu eins umsetzen.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Das wäre ja noch schöner!)

Ich möchte auf die beiden Gesetze eingehen. Zunächst zum Polizeigesetz. Das, was der Kollege Briese gesagt hat, ist falsch. Nicht das gesamte Polizeigesetz ist für verfassungswidrig erklärt worden, sondern einige wenige Passagen. Wir haben eines der modernsten und effektivsten Polizeigesetze in Deutschland.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben die öffentliche Ordnung wieder eingeführt. Wir haben den finalen Rettungsschuss auf eine gesetzlich einwandfreie Grundlage gestellt. Aber das Bundesverfassungsgericht hat in der Tat gesagt: Die vorbeugende Telefonüberwachung ist nicht in vollem Umfang mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings auch deutlich gemacht, dass die präventive Telefonüberwachung zur Verhütung von Straftaten möglich ist, wenn der Tatbestand klar eingegrenzt ist.

Wir werden dieses Urteil sorgfältig analysieren. Anschließend werden wir es mit dem Innenminister und den Innenpolitikern der Fraktionen prüfen, und dann werden wir in der Koalition entscheiden, ob wir einen neuen Anlauf unternehmen, die präventive Telekommunikationsüberwachung einzuführen, und, wenn ja, wie. Für die CDU sage ich Ihnen eines ganz deutlich: Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit. Wir bleiben dabei: Für uns ist und bleibt die präventive Telekommunikationsüberwachung ein wichtiges Instrument, um die Terrorismusgefahr in diesem Land wirksam zu bekämpfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte dann noch kurz auf das Landesmediengesetz eingehen. Das Landesmediengesetz ist in der Tat in einem Punkt für verfassungswidrig erklärt worden. Dies betrifft § 6 Abs. 3 Sätze 2 bis 4. Ansonsten ist unser Mediengesetz aber unbeanstandet geblieben. Wir haben die Versammlung bei der Landesmedienanstalt verschlankt, und wir haben die Grundlagen für DVB-T geschaffen; die Einführung erfolgte am 24. Mai 2005.

(Zuruf von Wolfgang Jüttner [SPD])

- Herr Jüttner, Sie können sich zum Mediengesetz gar nicht äußern. Sie sind damals während der Beratung ja hinausgelaufen und haben sich einen schönen Nachmittag gemacht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich darf einmal an Folgendes erinnern, was manche mittlerweile vergessen haben: Diese Aktion von Ihnen bzw. Ihrem Vorgänger war damals so angelegt, dass Sie während meiner Rede spontan aufstehen und den Saal verlassen wollten. Es war nur schade, dass Ihr Pressesprecher das schon zwei Stunden vorher per Pressemitteilung bekannt gegeben hatte.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Das war damals ein besonders gelungenes Beispiel Ihrer glorreichen Oppositionsarbeit.

Ich will zu § 6 Abs. 3 Sätze 2 bis 4 dies noch einmal sagen: Sie sind mit allen wesentlichen Punkten Ihrer Klageschrift gescheitert. Erstens. Der Landtag war für die Gesetzgebung zuständig. Zweitens. Es war gerade kein Einzelfallgesetz.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist doch für nichtig erklärt worden! Habe ich das richtig verstanden?)

Drittens. Es war auch keine laue Enteignung.

(Glocke des Präsidenten)

Zum Schluss - Herr Präsident, wenn ich noch diesen einen Satz vortragen darf - will ich Ihnen noch einmal erläutern, warum wir so vorgegangen sind. Herr Jüttner, ich werde Ihnen das immer wieder vorlesen. Ich zitiere wörtlich aus dem Nord-Report vom 25. Juni 1996:

„Ein Ärgernis ist dabei offensichtlich auch das Bild der SPDLandesregierung, das in der HAZ gezeichnet wird. ‚Wir wünschten uns eine kritische Berichterstattung und haben Kritik auszuhalten, zumal dann, wenn Stichwortgeber bzw. Verursacher aus unseren Reihen kommen. Schwer auszuhalten ist es jedoch, wenn Teile von Redaktionen ihren journalistischen Arbeitsplatz verlassen und sich in Politikgestaltung üben oder politische Persönlichkeiten systematisch zu ignorieren und auch zu desavouieren versuchen‘, schreibt der Bezirkschef Jüttner. Er äußert die Vermutung, daß die HAZ-Redaktion die Toleranzgrenze ihres größten Gesellschafters testen möchte. Er erinnerte die Bundesschatzmeisterin Wettig-Danielmeier daran, daß sie bei einer SPD-internen Debatte um den Verkauf von Parteivermögen das Argument des Einflusssicherns angeführt hat. Das habe sich jetzt zu bewähren, findet Jüttner, und fordert umgehend personelle Konsequenzen: ‚Ich gehe davon aus, daß sich eine zeitnahe Umsetzung meiner Anregung realisieren lässt.‘“

Das war Wolfgang Jüttner 1996.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage Ihnen eines: Wir können nicht beurteilen, ob das ein Einzelfall oder nur die Spitze des Eisbergs war. Wir werden aber jeden Tag wieder versuchen, den Parteieinfluss der SPD auf unabhängige Journalisten in Niedersachsen zu begrenzen. Darauf können Sie sich verlassen!

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt hat der Herr Ministerpräsident das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich könnte man überlegen, ob Sie die Worte, die Sie gesprochen haben, auch so beherzt hätten annehmen können, als Sie selber fortlaufend von Gerichten verurteilt wurden. Ich habe diesbezüglich hier eine unendlich lange Liste aus Regierungszeiten von SPD und Grünen. Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist, dass wir solche Entscheidungen annehmen und eins zu eins umsetzen, während Sie sie auch Jahre danach noch ignoriert haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ob es nun um den kommunalen Finanzausgleich oder um andere Beanstandungen ging, Sie haben die Entscheidungen weiterhin ignoriert. Wir werden sie hingegen umsetzen.