Protokoll der Sitzung vom 14.09.2005

Ob es nun um den kommunalen Finanzausgleich oder um andere Beanstandungen ging, Sie haben die Entscheidungen weiterhin ignoriert. Wir werden sie hingegen umsetzen.

(Zuruf von Heiner Bartling [SPD])

- Lieber Herr Kollege Bartling, wenn Sie einen Karren aus dem Dreck ziehen, bleibt schon einmal ein Spritzer hängen. Den Karren haben aber Sie in den Dreck hineingesetzt. Deshalb dürfen Sie sich nicht wundern, dass andere, die den Karren jetzt aus dem Dreck ziehen, hier und da einmal ein Problem haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der von Ihnen geschätzte Kollege Werner Remmers hat bei solchen Gelegenheiten gesagt: Wer sehr schnell bedient - das tut in diesen Zeiten ja Not -, lässt auch einmal einen Teller fallen. Entscheidend ist, dass man ihn wieder aufhebt und wieder zusammenfügt

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Bei einem Teller ist das aber nicht so einfach!)

und insgesamt die Beschleunigung des Reformierens, des Modernisieren dieses Landes nicht langsamer werden lässt, weil es Not tut, über viele Dinge schnell zu entscheiden.

Genauso wie es für Sie zulässig ist, den Staatsgerichtshof in Bückeburg anzurufen, ist es für uns zulässig, dass wir sagen: Wir wollen den Einfluss Ihrer Partei auf den privaten Rundfunk ebenso zurückdrängen wie den Einfluss unserer Partei, wenn sie denn Einfluss auf den privaten Rundfunk hätte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Gesetzgeber hat ein Gesetz beschlossen. Herr McAllister hat darauf hingewiesen, dass die wesentlichen Punkte dieses Gesetzes nicht beanstandet wurden: Wir sind zuständig; es handelt sich nicht um ein Einzelfallgesetz; das Rechtsstaatsgebot wurde beachtet; das Gesetz ist formell rechtmäßig; es liegt keine Enteignung vor. All diese Dinge haben Sie hier vorgetragen. Lediglich ein Punkt ist beanstandet worden, nämlich dass die Grenzen für mittelbare Schachtelbeteiligungen der Parteien an privatem Hörfunk in Niedersachsen zu eng gefasst seien.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist das Einzige, was wir strittig gestellt haben! Das wissen Sie!)

Deswegen wird der Landtag gut beraten sein, diese Grenzen weiter zu fassen und in wenigen Wochen eine entsprechende verfassungsmäßige Regelung hier zu beschließen.

Es ist natürlich auch das gute Recht, wegen des Polizeigesetzes das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anzurufen. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang aber ganz ernsthaft Folgendes sagen, weil Herr Schily mit dem Luftüberwachungsgesetz ja auch gerade ein Problem hat. Es ist für Regierungen und für Regierungsfraktionen genauso zulässig, alles zu tun, um die Sicherheit in diesem Lande möglichst zu optimieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Herr Schily als Bundesinnenminister in Zeiten unmenschlicher Attentate und großer terroristischer Anschläge die Grenzen auszutarieren versucht, ist es unsere Aufgabe, uns damit auseinander zu setzen. Ich habe vor vielen Jahren in einer Festschrift zum Thema von verdeckten Ermittlern

im Gefahrenabwehrrecht einen Aufsatz geschrieben, wobei die von mir darin vertretene Meinung im Polizeirechtskommentar von Herrn Saipa immer als alleinige Meinung, als gegenteilige Einzelmeinung, als Minderheitsmeinung bezeichnet wurde. Inzwischen ist es in der Mehrzahl der Polizeigesetze in Deutschland genau in dem Sinne geregelt, wie es der anfangs als Minderheitsmeinung bezeichneten Meinung entspricht. Es wird für uns in den nächsten Jahrzehnten Herausforderungen geben, denen wir uns stellen müssen. Das entscheidende Signal für unsere Polizeipolitik ist, dass die Zahl der Straftaten gesunken und die Zahl der Aufklärungen gestiegen ist. Das ist das entscheidende statistische Signal dafür, dass wir auf dem richtigen Wege sind.

Ich will noch einen dritten Punkt ansprechen. Natürlich können Sie auch über den Haushalt sprechen, der - das ist keine Frage - desaströs ist. Herr Jüttner, wer am Ende seiner Amtszeit zwei Haushalte mit jeweils 3 Milliarden Neuverschuldung verabschiedet hat, muss aber anerkennen, dass wir die Neuverschuldung nicht immer weiter gesteigert haben, wie Sie es getan haben, sondern dass wir sie Jahr für Jahr senken und im nächsten Jahr bei einer Nettoneuverschuldung von 1,8 Milliarden angelangt sein werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das wollen wir in Zeiten erreichen, in denen wir die Kreditfinanzierungsquote des Haushalts - dies wird heute Nachmittag Thema sein - von 13 % auf 10 % gesenkt haben, während Sie sie auf Bundesebene ständig gesteigert und inzwischen auf 17 % erhöht haben. Wir bewegen uns in einem schwierigen Umfeld, aber auf dem richtigen Wege und in die richtige Richtung. Wenn wir dabei Rückschläge erleiden - bei den beiden angesprochenen Entscheidungen gab es einen solchen Rückschlag -, werden wir die entsprechenden Korrekturen vornehmen. Das hält uns aber nicht davon ab, die Richtung beizubehalten. Wir werden dabei - im Gegensatz zu dem, was Sie in Ihrer Regierungszeit getan haben - verfassungsgemäß handeln. Wir nehmen die Entscheidungen der Gerichte an. Es gibt bei uns Gewaltenteilung. Sie können sich insofern darauf verlassen, dass wir die Gerichtsurteile im Einzelnen studieren und dann eins zu eins umsetzen. - Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu Tagesordnungspunkt 2 a) liegen mir nicht vor. Damit ist dieser Punkt erledigt.

Ich rufe nun auf

b) Niedersachsen muss umsteuern - weg vom Öl! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2197

Das Wort hat der Kollege Wenzel. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Diejenigen von Ihnen, die vorhin mit im Gottesdienst waren, haben die jungen Menschen im Chor singen gehört. Jedes zweite Mädchen, das heute geboren wird, hat eine Lebenserwartung von bis zu 100 Jahren. Wenn man davon ausgeht, dass unsere Ölvorräte heute noch für vielleicht 40 oder 50 Jahre reichen, heißt das, dass diese Kinder die Hälfte ihres Lebens in einer Welt ohne Öl zubringen werden.

(Zuruf von der CDU: Herr Wenzel, das ist Angstmacherei!)

- Das ist keine Angstmacherei. Es ist wirklich himmelschreiender Blödsinn, was Sie da erzählen. Alle Prognosen - auch die der Ölkonzerne - bestätigen das, was ich gerade gesagt habe. Keine der Prognosen geht über den genannten Zeitraum hinaus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Preisschock, meine Damen und Herren, kommt aber früher, nicht erst in 40 Jahren, weil Angebot und Nachfrage auseinander klaffen. Auch die Kosten der Klimaveränderungen kommen früher auf uns zu. Das zeigt beispielsweise die neue Studie des DIW zu diesem Thema. Darin werden die Schäden durch den Hurrikan Katrina auf 600 Milliarden Dollar quantifiziert. Es gilt nämlich, nicht nur die Schäden, die versichert sind, ins Auge zu nehmen, sondern auch die Schäden der Menschen, die sich keine Versicherung leisten konnten oder nicht versichert waren. Darüber will ich jetzt aber gar nicht rechten. Auch ohne Katrina ist klar, dass wir nicht so weiter machen können wie bisher. Hunderttausende von Arbeitsplätzen stehen auch in unserem Land auf dem Spiel. Die

extreme Abhängigkeit vom Öl macht verwundbar. In wichtigen Feldern sind wir schlichtweg falsch aufgestellt. VW als der größte Autobauer Europas ist hier bei uns in Niedersachsen angesiedelt. Auch VW ist hier leider nicht gut aufgestellt. Hier sind Arbeitsplätze bedroht, wenn die Produkte nicht nachgefragt werden.

In der Vergangenheit sind massive Managementfehler begangen worden. Auf dem China-Markt und auf dem US-Markt haben wir die Marktführerschaft verloren. Im Bereich der sparsamen Familienautos hat VW Fehler gemacht. Es gibt auch keine Hybridtechnik im Angebot. Andere wie z. B. Toyota sind auf diesem Gebiet aber schon viel weiter. Ferner hat man sich auch beim Partikelfilter verkalkuliert. Schließlich, meine Damen und Herren, hat man 500 Ingenieurjahre in den Bugatti Veyron gesteckt, in ein Auto mit 1001 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 400 km/h. Das ist wirklich ein Symbol für eine Unternehmenspolitik, die so nicht weiter betrieben werden kann. An dieser Stelle ist eine Summe in Milliardenhöhe verpulvert worden, die am Ende schlichtweg Arbeitsplätze kostet.

Ich bin der Meinung, dass die Landesregierung mit VW eine Zielvereinbarung treffen muss, um den Flottenverbrauch deutlich zu senken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir dürfen nicht warten, bis Europa oder der Bund so etwas machen, sondern wir müssen diesen Weg auch aus ureigensten niedersächsischen Interessen heraus - wir wollen nämlich, dass dieses Unternehmen zukunftsträchtig arbeitet - gehen. Wir wollen, dass das modernste, effizienteste und umweltfreundlichste Auto der Welt in Niedersachsen gebaut wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident Wulff, auch Sie haben dieser Fehlentwicklung bei VW zu lange zugeguckt. Seit 30 Monaten habe ich von Ihnen nichts dazu gehört. Auch die Vorgängerregierung hat insbesondere in dieser Frage auf die falschen Pferde gesetzt.

Die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie können nur gesichert werden, wenn die Produkte stimmen. Alles andere halten wir auf Dauer nicht durch. Wir brauchen jetzt eine Landesstrategie „Weg vom Öl“. Wir brauchen aber keinen Umweltminister, der in einer solchen Situation die Investoren verunsichert,

indem er das EEG infrage stellt und das unselige Quotenmodell der Energiekonzerne auf den Tisch legt, das einzig nur aus dem Grund erdacht wurde, den Wettbewerb zu begrenzen, den Mengenzuwachs der erneuerbaren Energien zu begrenzen und den Stromkonzernen die erneuerbaren Energien vom Hals zu halten. So kann das nicht weitergehen. Hier brauchen wir eine gemeinsame Kraftanstrengung, um für die Zukunft wettbewerbsfähig zu sein und um in Niedersachsen Arbeitsplätze zu sichern.

Auf diesem Weg ist bei der Landesregierung bisher Fehlanzeige. Von daher gibt es keine Alternative. Die Perspektive ist klar: Wir müssen diesen Weg jetzt gehen. - Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Das Wort hat der Kollege Dinkla.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wenzel, Ihr Anspruch ist ja, dass Niedersachsen umsteuern muss. Meine erste Bemerkung dazu: Niedersachsen steuert schon seit zweieinhalb Jahren um. Niedersachsen geht einen Kurs der Solidität und betreibt eine glaubwürdige Politik mit Augenmaß. - Das aber nur als Vorbemerkung.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Grünen beklagen einen Zustand, an dem sie in den letzten sieben Jahren, in denen sie auf Bundesebene mit in der Regierungsverantwortung standen, nur wenig geändert, bei dem sie aber vieles falsch gemacht haben. Fast nirgendwo in Europa ist Energie so teuer wie in Deutschland. Die ideologiebefrachtete Energiepolitik belastet private Haushalte, die Wirtschaft und die Industrie. Sie belastet die Wettbewerbsfähigkeit, und im Ergebnis kostet sie auch Arbeitsplätze.

Im Mittelpunkt unserer Politik, meine Damen und Herren, steht der Wunsch nach einem breit gefächerten Energiemix. Das, Herr Kollege Wenzel, heißt - ich jedenfalls sehe es so -: ein kontinuierlich wachsender Anteil an erneuerbaren Energien, aber auch ein - derzeit unverzichtbarer - Anteil an Kernenergie.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jetzt komme ich zu Ihrer Wahlwerbung, Herr Wenzel; ich habe sie gestern Morgen im Radio gehört. Wenn Sie dort behaupten, die CDU will, dass auch veraltete Kernkraftwerke 60 Jahre lang am Netz bleiben, und damit den Menschen im Lande suggerieren, wir würden Fragen der Sicherheit und der Verantwortung nicht ernst nehmen, dann ist das nach meiner Einschätzung Volksverdummung in Hochpotenz und „unterste Schublade“ im Wahlkampf.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn ich den Begriff „umsteuern“ verwenden darf, dann steuern Sie bitte um in Richtung eines ehrlichen Wahlkampfes.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, nun noch ein Wort zu der aktuellen Forderung nach einer Entkoppelung des Gaspreises von der Entwicklung des Ölpreises. Darüber wird ja breit diskutiert. Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Die Europäische Union wird auf diesem Gebiet zwar so handeln, wie sie es signalisiert hat. Es stellt sich aber die Frage, ob dies der „Königsweg“ ist, der im Ergebnis zu deutlich geringeren Energiepreisen führt. Das kann man kritisch sehen, aber insgesamt bleibt doch wohl die Einschätzung, dass die Koppelung an die Ölpreise nicht mehr zeitgemäß ist.