Protokoll der Sitzung vom 14.09.2005

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Schwarz. Sie haben das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Stunde des Wahlkampfes in der Aktuellen Stunde war spannend, aber jetzt ist sie vorbei. Da wir im Landesparlament sitzen, werden wir uns nun schlicht und einfach einem landespolitischen Thema widmen.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der vergangenen Woche hörten wir von Beschwerden von Eltern, die sich gegen zu teure Klassenfahrten richteten. Diese Beschwerden sind nicht neu, und vor allen Dingen sind sie kein Einzelfall.

(Ursula Körtner [CDU]: Richtig!)

Schulen und Klassen übertreffen sich seit geraumer Zeit mit immer spektakuläreren Reisen nach

Florenz, Rom, Griechenland, Malta oder Ähnlichem. Das treibt die Kosten in die Höhe. Ich erinnere daran: Morgen unterhalten wir uns über das Volksbegehren, bei dem es um die Lernmittelfreiheit und die freie Schülerbeförderung geht. Hier stimmen die Relationen nicht mehr.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Wie ist das mit der Freiheit?)

Manche Eltern können die Kosten für teure Reisen aufbringen, einige so gerade eben und wieder andere, vor allem die mit mehreren Kindern, nicht. Schüler werden ausgegrenzt, weil das Geld nicht reicht. Der Wunsch von Schülern nach entfernten Zielen ist verständlich. Hier sind die Eltern gefragt, offen für Zurückhaltung zu werben.

Minister Busemann hat mit seiner Stellungnahme zu diesem Thema denjenigen Rückendeckung gegeben, die in dieser Frage einen Kurs der Vernunft fahren wollen. Dies, Herr Minister, begrüßen wir von der FDP-Fraktion ausdrücklich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir wollen mit unserem Beitrag nicht dazu aufrufen, in den Abschlussklassen sozusagen nur vor Ort zu bleiben. Wir reden ja immer viel über Heimatkunde und über die Notwendigkeit, Niederdeutsch oder Saterfriesisch zu vermitteln. Da stellt sich doch die Frage, ob es richtig ist, dass man zwar Westminster Abbey in London gesehen hat, gleichzeitig aber nicht weiß, dass es in Niedersachsen das Weserbergland, den Dümmer See oder den Hümmling gibt.

(Ursula Körtner [CDU]: Genau!)

Wir brauchen keine neu gefassten Erlasse, sondern das offensive Werben dafür, dass wir unseren niedersächsischen Schülerinnen und Schülern die Nordsee, den Harz oder die Lüneburger Heide nahe bringen, um nur einige wenige lohnende Ziele zu nennen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Niedersachsen hat eine Menge zu bieten, und das dürfen wir auch laut sagen. Es muss nicht Wien mit dem Stephansdom sein. Wenn es darum geht, Klassenfahrten mit dem Prädikat „pädagogisch wertvoll“ durchzuführen, dann kann man das ohne jeden Zweifel auch in Braunschweig, in Osnabrück oder an der Elbe tun. Das schafft Identifikation mit unserem Lebensraum - und das auch noch zu erschwinglichen Preisen.

Bei der Völkerverständigung, die ja gerne als Begründung für Auslandsreisen angeführt wird, gibt es auch innerhalb Deutschlands noch sehr viel zu tun. Denken wir doch einmal an unsere Nachbarn Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern oder Thüringen.

Fazit: Es ist gut und richtig, wenn unsere niedersächsischen Schulen Patenschaften mit Schulen in Frankreich, Polen, Italien usw. pflegen, Stichwort „COMENIUS-Projekt“. Das alles ist weiter auszubauen. Wir sollten aber auch alles dafür tun, Niedersachsen noch mehr als bisher in das Bewusstsein für Klassenfahrten zu rücken. Für diese Vorgehensweise sagen wir dem Kultusminister uneingeschränkte Unterstützung zu.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Eckel das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nichts gegen Werbung für unser schönes und vielseitiges Niedersachsen. Man muss aber aufpassen, dass man nicht schnell provinziell wird.

Nichts gegen Appelle, die die Kosten für Klassenfahrten in einem finanziellen Rahmen halten wollen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion, ich wundere mich sehr, dass Sie, die Sie doch immer sagen, es ist alles eine Sache von Angebot und Nachfrage, der Markt löst alle Probleme, wir brauchen weniger Staat und nicht mehr, ein solches Thema in die Aktuelle Stunde gebracht haben.

(Beifall bei der SPD - Dr. Philipp Rös- ler [FDP]: Warum wundert Sie das?)

Die SPD-Fraktion ist der Überzeugung, die finanzielle und geografische Ausdehnung von Klassenfahrten ist ein wichtiges Thema, aber eines, das in die Schulen gehört.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Solche Probleme zu lösen, ist praktizierte Demokratie, und dazu ist jede Schule verpflichtet.

Unser Ziel, die Eigenverantwortliche Schule zu realisieren, macht noch deutlicher, dass der Landtag hier keine Regeln vorgeben sollte. Kollegien, Eltern und Schüler sind gefragt. Sie müssen sich zusammensetzen und den gemeinsamen Rahmen vereinbaren. Die Fraktionen von CDU und FDP machen sich hier im Landtag Sorgen um die finanzielle Belastung von Eltern.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das lässt Sie ja kalt!)

Hoffentlich hält Ihre Sorge bis morgen vor. Dann steht nämlich die Lernmittelfreiheit auf der Tagesordnung. Als Sie diese abgeschafft haben, stand Ihnen der Geldbeutel der Eltern nicht so nahe wie jetzt, vier Tage vor der Wahl.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die gleiche Redezeit hat die CDU-Fraktion zur Verfügung. Herr Kollege Klare, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Eckel, ich hätte mich gewundert, wenn Sie zu einer solch guten Initiative auch nur eine einzige positive Bemerkung gemacht hätten. Ihr gesamtes Weltbild ginge ja kaputt, wenn Sie den Minister für eine gute Sache loben würden.

Von unserer Seite gibt es uneingeschränkte Unterstützung für den Kultusminister in seiner Kritik an überteuerten Klassenfahrten. Das war ein richtiger Vorstoß zur richtigen Zeit, in der die Kosten für Familien immer weiter gestiegen sind, ein Vorstoß insbesondere zugunsten von Eltern mit geringem Einkommen.

Meine Damen und Herren, man muss sich wundern, dass ein solcher Vorstoß eines Ministers bei aller Sensibilität, die sonst in den Schulen vorhanden ist, überhaupt notwendig war.

(Beifall bei der CDU)

Man muss sich einmal vergegenwärtigen, was in den Schulen los ist, wenn es darum geht, für Klassenfahrten Geld einzusammeln - 300 bis 500 Euro. Dann entsteht so etwas wie ein sozialer Zugzwang.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich können sich Eltern dem nicht entziehen. Wer wendet sich denn schon an den Schulleiter oder an die Klassenlehrerin? Das Geld wird irgendwie aufgetrieben, auch wenn man es nicht parat hat. Zumindest für das Kind wäre es eine psychische Katastrophe, wenn das anders laufen würde. Deshalb war der Vorschlag des Kultusministers richtig.

Meine Damen und Herren, Klassenfahrten sind notwendig. Für uns alle gilt es, ein deutliches Plädoyer für Klassenfahrten auszusprechen. Klassenfahrten sind für die pädagogische Arbeit ganz wichtig. Niedersachsen ist ein großartiges Land mit großartigen Landschaften.

(Glocke der Präsidentin)

Wir haben ausgezeichnete Schullandheime von Holzminden über Diepholz bis Spiekeroog. Aber eines muss auch klar sein - Frau Präsidentin, das ist mein letzter Satz -: Natürlich gehören zur pädagogischen Arbeit auch Aufenthalte in Regionen außerhalb Niedersachsens oder in anderen europäischen Ländern. Natürlich muss ein Leistungskurs Latein auch nach Rom fahren dürfen. Der Kollege Schwarz hat auf die tollen Erfahrungen des Comenius-Instituts hingewiesen.

Herr Kollege Klare, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Ganz wichtig ist - da bin ich mir ganz sicher -: Der Vorstoß des Ministers wird zu einem Umdenken bei der Planung zukünftiger Klassenfahrten führen. Deswegen war das der richtige Vorstoß zur richtigen Zeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Frau Kollegin Korter zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, welches Thema die FDPFraktion heute für die Aktuelle Stunde ausgewählt hat. Ausgerechnet diejenigen, die im vergangenen

Jahr die Lernmittelfreiheit abgeschafft haben, weil ihnen die finanzielle Belastung der Familien egal war, machen sich heute Sorgen darüber, dass Klassenfahrten zu teuer werden. Klassenfahrten sollen nur noch in Niedersachsen stattfinden. Ausgerechnet diejenigen, die gleich nach der Regierungsübernahme die Hausaufgabenhilfe gestrichen haben - das betraf insbesondere einkommensschwache Familien -, die Ganztagsschulen für unbezahlbaren Luxus halten, spielen sich hier als Vorkämpfer in Sachen Familienfreundlichkeit auf.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Reinhold Coenen [CDU]: Dar- um geht es doch gar nicht!)

Ausgerechnet diejenigen, die den Studierenden schon vom ersten Semester an Studiengebühren abverlangen wollen, sorgen sich plötzlich vor der Bundestagswahl gemeinsam mit dem Kultusminister um die Belastung von Familien.

Ich muss schon sagen, Ihre Logik ist unnachahmlich, unnachahmlich scheinheilig.

(Beifall bei der SPD)