Protokoll der Sitzung vom 14.09.2005

(Beifall bei der SPD)

Erst nehmen Sie den einkommensschwachen Familien mit Kindern immer mehr weg, und dann sagen Sie ihnen: Bleibt ihr bei euren Klassenfahrten in Niedersachsen. Alles andere ist ohnehin zu teuer für euch. In Niedersachsen ist es auch ganz schön. - Natürlich ist es schön. Aber man möchte zumindest mit den Oberstufenschülern auch mal woanders hinfahren.

Herr Schwarz, Sie als Hauptschulexperte, wie Sie immer so gerne betonen, müssten doch eigentlich wissen, wie begeistert ältere Hauptschüler, Gymnasiasten und Realschüler davon sind, wenn Sie ihnen als Klassenfahrtziele die Wingst, das Pferdemuseum in Verden oder vielleicht auch die Lüneburger Heide vorschlagen. Dort sind sie schon häufig gewesen. Manches Mal habe ich bei Ihnen den Eindruck, dass Sie keine Ahnung von dem haben, wovon Sie reden, oder Sie wollen es nicht wissen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Natur erleben!)

Natürlich ist es schwierig, wenn Klassenfahrten zu teuer geplant werden und sich Eltern damit überfordert fühlen. Aber dagegen, liebe Kolleginnen

und Kollegen, gibt es längst eine Reihe von Vorschriften, die zu beachten sind und solche Auswüchse verhindern. Das sollten Sie eigentlich wissen. Bevor eine Klassenfahrt überhaupt von der Schulleitung genehmigt wird, müssen Eltern und Schüler ihr Einverständnis bei vorgelegtem Kostenplan erklärt haben, die Eltern sogar einzeln schriftlich. Wer sich nicht traut, am Elternabend Nein zu sagen, weil es ihm zu teuer ist, kann das immer noch mit der Verweigerung seiner Unterschrift tun oder über die Elternvertretung aktiv werden.

Herr Busemann, Herr Schwarz, nehmen Sie doch endlich die Realität zur Kenntnis!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was glauben Sie denn, was Ihnen die Eltern sagen, wenn Sie die Wingst oder das Emsland für 15-Jährige als Klassenfahrtziel vorschlagen? Häufig - das ist die Realität - weigern die sich, Geld für Klassenfahrten zu bezahlen, die sie unattraktiv finden, weil die Kinder längst in der Grundschulzeit dort gewesen sind. Man muss mit den Beteiligten planen, wenn man alle auf eine Klassenfahrt mitbekommen möchte - das ist das pädagogische Ziel -, nicht aber nach dem Geschmack von Herrn Schwarz und der FDP.

Wenn sich Kolleginnen und Kollegen heute noch bereit finden - das werden immer weniger; das wissen Sie -, eine längere Klassenfahrt anzutreten, dann verdienen sie unsere Anerkennung, nicht aber das Gemäkel und die Besserwisserei von Kultusminister und FDP.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Minister Busemann, um Ihre eigenen Worte zu benutzen: Sie schmeißen sich mal wieder hinter den fahrenden Zug. - Es gibt doch bereits einen Erlass, der die Zielorte für Klassenfahrten sehr genau festlegt. Im Schulfahrtenerlass heißt es - das müssten Sie besser wissen als ich; Sie sind schließlich der Minister -: Die Zielorte der Klassenfahrten müssen mit Ausnahme der Studienfahrten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland liegen. Als Zielorte von Wanderungen und Wanderfahrten sollen nur dann Orte außerhalb von Niedersachsen oder an Niedersachsen angrenzenden Gebieten gewählt werden, wenn dadurch keine wesentlich höheren Fahrtkosten entstehen. Wer sich daran hält, macht alles richtig. Ich sehe hier überhaupt keinen Regulierungsbedarf.

Herr Schwarz, Sie sprechen doch sonst immer so gern von der Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger. Warum trauen Sie eigentlich Lehrkräften und Eltern nicht zu, diesen Erlass selbst in den Schulen vernünftig umzusetzen und anzuwenden? Warum glauben Sie, mit dieser Aktuellen Stunde den Lehrkräften, den Schulleitern und den Eltern vorschreiben zu müssen, wohin bei Klassenfahrten gefahren werden muss?

Frau Korter, kommen Sie bitte zum Schluss!

Frau Präsidentin, mein letzter Satz: Es drängt sich stark der Eindruck auf, dass Sie nur davon ablenken wollen, dass Sie bei den Eltern mit Ihrem kostentreibenden Schulbuchmietmodell gescheitert sind. Wir werden sehen, wie Sie sich morgen dazu positionieren werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die FDP-Fraktion hat noch eine Restredezeit von 2 Minuten und 20 Sekunden. Herr Kollege Schwarz, bitte schön!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei uns im Landtag gibt es eine fantastische Einrichtung: das Protokoll. Ich empfehle Ihnen dringend, Frau Eckel und Frau Korter, das Protokoll über die Aktuelle Stunde in der heutigen Sitzung zu lesen. Ich stelle fest: Sie sind nicht blind, aber Sie können offensichtlich nicht zuhören. Sie haben überhaupt nicht zugehört, was ich an dieser Stelle gesagt habe. Wir treten an, um für das Land Niedersachsen zu werben!

(Beifall bei der FDP)

Das ist die Grundaussage unseres Antrages. Ich verstehe überhaupt nicht, was die Opposition insgesamt gegen unser schönes Land Niedersachsen hat.

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Mit keiner Silbe habe ich, Frau Eckel und Frau Korter, gefordert, neue Regelungen einzuführen. Wofür? - Ich habe deutlich gesagt: Wir brauchen keine neuen Erlasse. Ich habe gesagt: Wir werben dafür, dass man sich auch andere Ziele aussuchen kann, die höchst attraktiv sind.

(Zurufe von der SPD)

Ich weiß nicht, was man dagegen haben kann.

Ihre Redebeiträge hake ich unter „Thema verfehlt“ ab. Lesen Sie einfach einmal im Protokoll nach, dann werden wir weitersehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat sich zu diesem Tagesordnungspunkt Herr Minister Busemann zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Minister!

(Unruhe)

- Ich bitte um etwas mehr Ruhe. Wir werden die Mittagspause wieder einmal etwas verschieben müssen. Ich bitte für Herrn Minister Busemann um Ruhe.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mich für den Antrag der FDPFraktion bedanken und für alle sagen: Gut, dass man einmal wahlkampfneutral das diskutieren kann, was den ganz normalen Privatmann, was die Eltern im Lande bewegt. - Ich bin schon etwas befremdet darüber, wie garstig man mit einem solchen Thema umgehen kann, Frau Korter. Ich verstehe das nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin geradezu befremdet, mit welchen Gedankengängen Sie die Diskussion zu einem Thema führen, bei dem es um ganz normale praktische Probleme und Empfindungen geht. Damit das klar ist, meine Damen und Herren: Reisen bildet. Graham Greene hat einmal gesagt, keiner kommt von einer Reise so zurück, wie er weggefahren ist. Klassenfahrten gehören zum Schulwesen zwangsläufig dazu, und das wollen wir.

Wir haben aber eine klare Definition dessen, was Klassenfahrten erbringen sollen. Sie haben etwas Erzieherisches, sie haben einen Bildungsauftrag,

und sie haben das Ziel, die Klassengemeinschaft zu fördern. Das ist keine Konkurrenzveranstaltung von TUI. Das ist es nicht, und das soll es auch nicht werden.

Doch mittlerweile - mir sind jetzt viele Hinweise ins Haus gekommen - erleben wir Beispiele, wie teuer Klassenfahrten sind. Ich höre da: Malta wird angesteuert. Budapest wird angesteuert. London wird angesteuert. Mallorca wird angesteuert. Das kostet 400 Euro, 500 Euro. Jüngst ist mir ein Fall auf den Tisch gekommen, da sollte eine Studienreise nach London 1 000 Euro pro Person kosten, wie auch immer sie das in Zeiten von Billigflügen usw. schaffen. Ein Vater - ein normaler Arbeitnehmer hatte zwei Kinder dabei. Wie denkt er dann über solche Überlegungen? - Dann müssen wir doch einmal gucken, ob die Dinge nicht mit guten Worten verändert werden können.

Ich will Ihnen sagen: Es geht auch darum, eine gewisse Disziplin und eine gewisse Sensibilität zu entwickeln; denn es handelt sich nicht nur um Kinder betuchter Eltern, sondern es gibt in der Schule auch soziale Unterschiede; es sind auch kinderreiche Familien dabei. Da mahne ich Disziplin, aber auch eine gewisse Sensibilität an.

Den Erlass von 1997 habe ich mir genau angeguckt. Ich kann nur sagen: Das hat der Kollege Wernstedt damals tipptopp gemacht. Das ist alles 100-prozentig in Ordnung. Darin ist genau geregelt, wie die Ziele von Klassenfahrten sein sollen, dass der bildungspädagogische, der kulturelle Aspekt überwiegen muss und dass der touristische Aspekt nicht überwiegen darf. Ferner wird geregelt, wie die Rollenverteilung ist. Die Schulleitung muss es genehmigen, die Eltern müssen gefragt werden usw.

Aber wie sieht die Wirklichkeit aus, wenn es um das Ziel und die Finanzierung geht? - Mir sind in den letzten Tagen beängstigend viele Briefe ins Haus gekommen. Da schreibt mich ein Vater aus dem Nordwestdeutschen an, selbst Elternvertreter, und bringt das Beispiel, dass man in der Klasse 3 der Grundschule plane, nach Spanien zu fahren. Dann geht es um die Frage, ob das über einen Förderverein oder über Spenden realisiert werden könne. Dann sagt er einen Satz, der, glaube ich, auch Bestandteil eines sozialdemokratischen Redebeitrags sein könnte. Er sagt, gerichtet an den Minister - ich zitiere -:

„Sie können sich sicherlich vorstellen, dass es sich für mich unheimlich schwierig gestaltet, offiziell Mitstreiter zu finden,“

- es geht um die Frage: Verhindern wir das?

„da das Schamgefühl bei vielen nicht so gut betuchten oder schlichtweg armen Eltern einfach höher ist und diese dann eher resignieren oder später gar einen Kredit aufnehmen müssen, damit ihre Kinder dann an einer solchen Fahrt teilnehmen können.“

Da sitzt ein riesengroßes Problem. Da möchte ich mehr Sensibilität haben. Wir brauchen keine Regularien, Vorschriften oder Ähnliches - um es einmal auf den Punkt gebracht zu haben. Wir haben im letzten Jahr ein tolles Internetprogramm aufgelegt - es handelt sich um einen Reiseatlas für Niedersachsen, zu finden unter www.schule-entdecktniedersachsen.de -, ohne in Provinzialismus zu verfallen.

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Ich appelliere zum Schuljahresbeginn an unsere Klassengemeinschaften, an Lehrer, Schulleitungen: Wenn ihr demnächst z. B. aus dem Nordwestdeutschen ein Ziel ins Auge fasst, so nehmt euch doch vielleicht einmal Goslar vor. Über das Internet kriegt ihr genaue Hinweise: So viele Jugendherbergen sind in der Nachbarschaft, so viele Kulturstätten sind in der Nachbarschaft. Ein Tagesausflug zum Landtag, nach Braunschweig und alles Mögliche ist da zu machen. Niedersachsen ist ein an Bildungs- und Kulturangeboten so reiches Land, da können wir auch ein bisschen in eigener Sache werben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wenn dann und wann eine Studienfahrt über die Landesgrenze hinweg gemacht wird, dann ist das okay. Aber hier wollte ich vor allem eine gewisse Sensibilität anmahnen. Ich wundere mich eigentlich, dass hierüber streitig diskutiert wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, auch hierzu stelle ich fest, dass wir den Tagesordnungspunkt beendet haben. Damit ist die Aktuelle Stunde insgesamt beendet. Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 3: 27. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 15/2160 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/2202 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/2204

Im Ältestenrat haben die Fraktionen vereinbart, die Eingaben, zu denen Änderungsanträge vorliegen, erst am Freitag, dem 16. September 2005, zu beraten. Ich halte das Haus deswegen damit einverstanden, dass wir heute nur über die Eingaben beraten, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen.

Ich rufe zunächst die Eingaben aus der 27. Eingabenübersicht in der Drucksache 2160 auf, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Gibt es dazu Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir hierüber abstimmen. Ich lasse über die Beschlussempfehlungen der Ausschüsse abstimmen, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Sehe ich nicht. Dann ist einstimmig so beschlossen.