Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

Eine solche Lernmittelfreiheit war nicht mehr finanzierbar und deshalb aus vielerlei Gründen nicht mehr zu verantworten. Mit Beginn des Schuljahres 2004/2005 hat die Landesregierung die entgeltliche Ausleihe von Lernmitteln eingeführt. Die Lernmittelausleihe ist ein Angebot an alle Eltern in Niedersachsen. Wer dieses Angebot annimmt, kann dadurch eine deutliche Entlastung bei den Kosten für die Schulbücher seiner Kinder erreichen. Die Lernmittelausleihe ist auch eine sozialverträgliche Lösung - Sie wissen es -, sogar mit Kinderrabatt, die vor allem denjenigen hilft, die Hilfe besonders nötig haben. Die Lernmittelausleihe ist inzwischen schon zweimal durchgeführt worden. Gerade in den letzten Wochen haben die Schulen und auch die Eltern immer berichtet, dass das Verfahren reibungslos funktioniert habe. Zahlreiche Berichte in der Presse haben das bestätigt. Bei einem großen System mag es immer vorkommen, dass es hier und dort einen Einzelfall gibt, bei dem nachgebessert werden muss. Wo das erforderlich war, ist dies schnell und unbürokratisch geschehen.

In diesem Zusammenhang lohnt auch ein Blick über die Landesgrenze, z. B. in das Land Hamburg. Dort schrieb z. B. die Welt am 13. Juli 2005 über die Lernmittelausleihe: Es ist ein gewaltiger organisatorischer Kraftakt, wenn 200 000 Schüler an 350 Schulen in wenigen Wochen die richtigen Schulbücher in den Händen halten sollen. - Das ist Hamburg. Niedersachsen ist, mit Verlaub, ein bisschen größer. In Niedersachsen gibt es rund fünfmal so viele Schüler wie in Hamburg und fast zehnmal so viele Schulen, und wir haben den Kraftakt trotzdem mithilfe vieler an den Schulen - Eltern und anderer - erfolgreich bewältigt. Ich jedenfalls höre, was das Funktionieren des Systems anbelangt, keine nennenswerten Klagen. An dieser Stelle noch einmal mein Dank an unsere Schulen. Man hat dort zur Durchführung der Lernmittelausleihe Großartiges geleistet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, im Schuljahr 2004/2005 haben sich deutlich mehr als 80 % der Eltern an der Lernmittelausleihe beteiligt. Fast 70 000 Schü

ler sind vollständig vom Entgelt für die Ausleihe befreit worden. Beachten Sie bitte: In weit über 100 000 Fällen haben die Eltern von der Mehrkinderregelung profitiert und ein ermäßigtes Entgelt gezahlt. Lassen Sie mich jetzt einmal anhand von Zahlen die Sach- und Rechtslage und die wirtschaftliche Lage von früher mit der Situation heute vergleichen. In den vergangenen Jahren standen uns Reste in Höhe von rund 20 Millionen Euro für neue Bücher und Beschaffungen an den Schulen zur Verfügung. Das reichte hinten und vorne nicht. Das werde ich gleich noch erläutern. Dagegen haben die Schulen im letzten Jahr aus der Lernmittelausleihe Einnahmen in Höhe von gut 28 Millionen Euro erzielt. Dazu kommen gut 5,5 Millionen Euro - das haben Sie, Herr Meinhold, auch gelobt -, die das Land für die sozial Schwachen bereitgestellt hat, die im Grunde genommen ganz freigestellt werden sollen. Damit standen den Schulen in Niedersachsen schon zu diesem Zeitpunkt 34 Millionen Euro für Neubeschaffungen von Büchern zur Verfügung. Dann haben sich etwa 10 % der Eltern aus verschiedenen Gründen - auch weil es ihnen wirtschaftlich gut geht - entschieden, die Bücher selbst zu kaufen. Das hat einen Kostenbeschaffungsanteil in Höhe von 15 Millionen Euro ausgemacht, sodass für den Neuankauf von Büchern im letzten Jahr 49 Millionen Euro neu in das System eingeflossen sind. Das war früher undenkbar.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das hat auch positive Auswirkungen. Für das laufende Schuljahr liegen noch keine gesicherten Zahlen vor. Aber die ersten Rückmeldungen der Schulen lassen gute Prognosen zu. Die Beteiligung am Leihsystem liegt wiederum bei über 80 %. Die Einnahmen aus der Ausleihe liegen leicht unter dem Vorjahr, ebenso wie die Schülerzahlen, und die Ausgaben sind leicht gestiegen. Die Schulen hatten offensichtlich im letzten Jahr, z. B. in Erwartung der Entscheidung zur neuen Rechtschreibung und der Erarbeitung neuer Curricula, mit Anschaffungen etwas gewartet und stellen für das neue Schuljahr jetzt noch Restbestände aus dem Vorjahr zusätzlich für aktuelle Bücher zur Verfügung.

Jetzt nenne ich Ihnen eine Zahl, die sich jeder einmal vergegenwärtigen sollte: Das von den Schulen durchschnittlich festgesetzte Entgelt pro Schüler liegt wie im vergangenen Jahr bei gut 39 Euro. Damit liegen wir in etwa stabil. Wenn also das ganze Paket 39 Euro kosten soll, Kinderreiche

einen Rabatt bekommen und sozial Schwache, die etwa einen Anteil von 10 % an der Zahl der Eltern ausmachen, gar nichts zahlen, dann geht es bei denen, denen wir die Zahlung zutrauen, um maximal 39 Euro. Das ist meines Erachtens auch in diesen Zeiten noch eine Summe, die man als zumutbar einschätzen darf. Wir alle wissen natürlich, dass noch ein paar weitere Beschaffungen hinzukommen.

Was mit der Lernmittelausleihe erreicht worden ist, wird erst recht deutlich, wenn man zum Vergleich die Zahlen der alten Lernmittelfreiheit heranzieht. Im letzten Jahr der Lernmittelfreiheit standen pro Schüler im Durchschnitt maximal 24 Euro für den Kauf neuer Bücher zur Verfügung. Im Jahr 2004 - in diesem Jahr wird die Situation ähnlich sein haben für die Lernmittelausleihe gut 42 Euro zur Verfügung gestanden. Das ist eine Steigerung um mehr als 70 %.

(Beifall bei der CDU)

Also wird bei einem funktionierenden System in die Beschaffung neuer Bücher investiert. Das war ja wohl auch nötig. Gleichzeitig - das darf man in Zeiten, in denen wir hier nichts zu verteilen haben, nicht vergessen - ist der Landesetat jährlich um rund 20 Millionen Euro entlastet worden, weil wir in diesem Bereich keine Neuverschuldung tätigen mussten.

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen ein Buch aus der Zeit der Lernmittelfreiheit mitgebracht.

(Der Redner zeigt ein Schulbuch)

Ich muss jetzt ein bisschen vorsichtig sein, weil es per se schon auseinander fällt. Dieses Buch stammt aus dem Jahr 1999 und wurde von sechs Schülern benutzt. Es sieht auch entsprechend aus. Das ist Lernmittelfreiheit à la SPD an einem praktischen Beispiel!

(Beifall bei der CDU)

Herr Meinhold, ich kann Ihnen das Buch gerne geben. Die Schule hat auf Rückgabe verzichtet.

(Zurufe von der SPD)

Ich bin mir sicher, meine Damen und Herren, wir sind uns einig: Solche Bücher sind eine Zumutung und kein angemessenes Arbeitsmaterial für unsere Kinder.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb auch die Zahlen zur Wirtschaftlichkeit eines Systems zugunsten von Eltern und Kindern. Deshalb wird es ab 2007 an unseren Schulen im Leihsystem kein Buch mehr geben, das mehr als dreimal benutzt wurde. Ich finde, das ist auch ein sehr erstrebenswertes Ergebnis.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Volksinitiative, über die wir heute diskutieren, fordert die Wiedereinführung der Lernmittelfreiheit. Das hieße nicht nur die Rückkehr zu solchen Büchern wie diesem hier, sondern auch die Rückkehr zum Gießkannenprinzip: Gratisbücher für alle, für fast 20 Millionen Euro im Jahr. Das wären in fünf Jahren - in einer Legislaturperiode - mal eben 100 Millionen Euro. Wenn der wahre Beschaffungsbedarf vielleicht bei knapp 40 Millionen Euro liegen würde, hieße das mal eben 200 Millionen Euro in einer Legislaturperiode, wobei wir alle wissen: Wir haben dieses Geld nicht. Es müssen Schulden gemacht werden. Das Ganze muss irgendwann mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt werden.

Wenn man ein System der Lernmittelfreiheit in welcher Form auch immer wieder einführen würde - Herr Jüttner, Sie werden uns vielleicht noch erzählen, wie Sie sich das vorstellen würden; gestern haben Sie das Thema ausgespart -, würde dies für die Eltern eine kurzfristige Entlastung bedeuten. Langfristig müssten es die Kinder, um die wir uns heute Sorgen machen, mit Zins und Zinseszins zurückbezahlen. Darin scheint mir auch von der Logik her ein gewisses Problem zu stecken.

Herr Jüttner, ich will Sie gerne noch einmal zitieren. Am 11. Mai haben Sie in einem Schreiben an Ihre Parteimitglieder zur Unterstützung der Volksinitiative aufgerufen. In diesem Schreiben heißt es: Den Schwachen und sozial Benachteiligten wird genommen und den Starken und Reichen gegeben. - Es lebe der Klassenkampf! Ich kann das nicht nachvollziehen. Die Vermögenden können selbst kaufen, die Sozialhilfeempfänger, die Berechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen die Bücher umsonst, Kinderreiche bekommen einen Kinderrabatt. Es geht um maximal 39 Euro. Angesichts dessen kann ich solche Thesen nicht stützen. Ich weiß auch nicht, was Sie bewogen hat, so zu schreiben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Das fragen wir uns immer!)

Meine Damen und Herren, wir setzen die Landesmittel gezielt für diejenigen ein, die Hilfe wirklich nötig haben. Ich sagte es schon: Bereits im letzten Schuljahr haben wir fast 70 000 Schülerinnen und Schüler von dem Entgelt für die Schulbücher vollständig freigestellt. Im laufenden Schuljahr - so meine Prognose - wird diese Zahl aufgrund der Anspruchsberechtigung der Empfänger von Arbeitslosengeld II noch einmal deutlich ansteigen. Für diese Schülerinnen und Schüler - das sei klargestellt - sind die Schulbücher nach wie vor kostenlos.

Ich fasse zusammen: Angesichts der Feststellung, dass das System, wie wir es jetzt zum zweiten Mal praktizieren, funktioniert, darf man Folgendes festhalten:

Erstens. Die Lernmittelausleihe entlastet alle Eltern bei den Kosten für die Schulbücher. Der maximale Betrag ist 39 Euro.

Zweitens. Die Lernmittelausleihe schafft gezielt Hilfe für diejenigen, die Hilfe wirklich nötig haben, durch die vollständige Freistellung vom Entgelt für die Schulbücher. Die 10 % sozial Schwachen bekommen die Bücher umsonst.

Drittens. Die Lernmittelausleihe sorgt an unseren Schulen für aktuelle Bücher in gutem Zustand. Ich habe das erläutert. Die Ausleihe bringt mehr als 30 Millionen Euro - je nachdem, wie man es rechnet - für neue Bücher ins System. Das ist doch ein Vorzug. Die Schulen freuen sich doch über das Geld, weil sie wieder neue Bücher kaufen können.

(Beifall bei der CDU)

Und ich sage Ihnen ganz offen: Dieses System der Lernmittelausleihe ist kein System, das den Landesetat Jahr für Jahr belastet.

Noch eine abschließende Bemerkung: Bei allem Respekt vor dieser Volksinitiative und den Damen und Herren, die sich dort engagieren und vielleicht auch für das Bildungswesen etwas machen wollen - es ist ein vielleicht nur vordergründiger Erfolg für ein Bildungswesen. Man darf auch schon aus pädagogischen Gründen darüber diskutieren, ob eine vollständige Kostenfreiheit - kostenlos für alle auch in pädagogischer Hinsicht das optimale Bildungsziel in diesem Zusammenhang ist.

Wenn wir heute sagen würden „Wir bezahlen das aus der Staatsschatulle“, wäre der wirtschaftliche Erfolg zuerst im Portemonnaie der Eltern vorzufinden, weil die es nicht bezahlen müssen. Das wäre aber ein Wechsel zulasten der nächsten Generation. Wir würden den Kindern sagen: Wir haben es heute mit euch gut gemeint, aber demnächst, eine Generation weiter, dürft ihr das mit Zins und Zinseszins selbst bezahlen. Ob das eine fürsorgliche Politik ist, versehe ich mal mit einem dicken Fragezeichen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion der SPD haben zusätzliche Redezeit beantragt. Der Minister hat seine Redezeit um das Doppelte überzogen. Ich gebe deswegen der SPDFraktion drei Minuten und der Fraktion der Grünen zwei Minuten zusätzliche Redezeit. Frau Korter, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schwarz, Sie haben gesagt, starr wie ein Amboss sei unsere Position, wenn wir sagen, das Land darf sich nicht aus der Verantwortung ziehen, die Eltern sollen beteiligt werden und wir wollen pädagogischen Fortschritt. Was daran Starrsinn sein soll, ist für mich nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Busemann lobt sein Modell, als ob es in anderen Bundesländern nichts Besseres gäbe, und Frau Bertholdes-Sandrock hält uns eine Vorlesung über demokratische Beteiligungsrechte und darüber, wie toll doch eine Volksinitiative ist.

Frau Bertholdes-Sandrock, ich habe bei Herrn Schwarz, bei Herrn Busemann und bei Ihnen trotzdem den Eindruck gewonnen - dieser ist noch nicht widerlegt worden -: Sie lassen die Initiatoren und Teilnehmer der Volksinitiative am 23. September in den Kultusausschuss reisen, wollen sie anhören und wissen heute schon, dass die 160 000 Unterschriften Sie überhaupt nicht interessieren. Da zucken Sie mit der Schulter.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Wie ist das bei Ihnen, Frau Korter?)

Wir haben ein Modell und können Ihnen ganz genau darstellen, wie wir es anders machen können. Aber Sie wissen schon vorher, was richtig ist, und wollen die Initiative überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen. Das ist undemokratisch.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Dann müssen Sie sich schon etwas anderes einfallen lassen und den Menschen wirklich ein Angebot machen. Wir stehen mit einem Angebot zur Verfügung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege Meinhold, bitte!

Frau Präsidentin! Herr Minister, ich hatte gedacht, nach meinem Wortbeitrag würde Ihr Beitrag ein wenig anders ausfallen. Deshalb will ich jetzt etwas anders werden, als es eben der Fall war.

Sie behaupten, Sie würden die Eltern entlasten. Das ist doch ein Hohn!

(Beifall bei der SPD)

Den Eltern wird gesagt: Wenn ihr es nicht macht, dann müsst ihr voll bezahlen. Nehmt lieber das Mietmodell! - Sie tun also so, als ob Sie den Eltern noch Geld schenken. Diese Rechnung kann doch wohl nicht aufgehen. Tatsache ist, dass die Eltern im Gegensatz zu früheren Zeiten bezahlen müssen. Punkt.