Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

Den Eltern wird gesagt: Wenn ihr es nicht macht, dann müsst ihr voll bezahlen. Nehmt lieber das Mietmodell! - Sie tun also so, als ob Sie den Eltern noch Geld schenken. Diese Rechnung kann doch wohl nicht aufgehen. Tatsache ist, dass die Eltern im Gegensatz zu früheren Zeiten bezahlen müssen. Punkt.

Dass Sie das mit dem Mietmodell entsprechend der Summe um 100 % absenken, haben alle verstanden. Aber de facto sind sie nicht entlastet.

Jetzt möchte ich eine zweite Rechnung aufmachen. Wir haben heute Morgen über das Thema Unterrichtsversorgung gesprochen. Ich zitiere aus einer Rede von Herrn Klare. Herr Klare hat uns im Jahr 1996 vorgehalten, dass die kostenlose Ausleihe 120 000 Unterrichtsstunden kosten würde. Herr Klare hat folgendermaßen gerechnet: In den Klassen 1 bis 10 müssen die Kollegen drei Stunden lang Bücher ausgeben. - Das müssen sie heute auch.

(Zuruf von der CDU: Was hat das mit der Lernmittelfreiheit zu tun?)

Lieber Herr Minister, Sie müssen einmal umrechnen, was diese 120 000 Unterrichtsstunden kosten. Herr Klare hat es damals gemacht. Was damals galt, gilt heute gleichermaßen. Das kann wohl nicht wahr sein.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Thema! - Weiterer Zuruf von der CDU: Das müssen wir jetzt alles ab- schaffen!)

Herr Minister, Sie haben eben ein Buch gezeigt. Sie haben heute Morgen und auch an anderer Stelle gesagt, dass es in einem großen System immer wieder vorkommt, dass die Dinge nicht optimal laufen. Da haben Sie Recht. Dem widerspreche ich nicht. Ich will aber etwas anderes sagen. Ich bin Schulleiter an einer Hauptschule gewesen.

(Joachim Albrecht [CDU]: Das ist aber lange her!)

Ich darf Ihnen sagen: Ein solches Buch hat es bei uns nicht gegeben.

(Joachim Albrecht [CDU]: Das ist aber lange, lange her!)

Wenn es das gegeben hat, Herr Minister, dann war die Vereinbarung ganz eindeutig: Das wurde bezahlt, und zwar von demjenigen, der das Buch in einem Zustand zurückgegeben hat, der nachweisbar nicht so war, wie man erwarten konnte.

(Zurufe von der CDU)

Das heißt, wir haben schon an dieser Stelle pädagogisch gesagt: Wir geben die Sachen nicht weg nach dem Motto „Du kannst damit machen, was du willst“.

Ein Zweites. Herr Minister, Sie wissen auch, dass die Schulleitungen mit dem Etat, der vom Land zur Verfügung gestellt worden ist, so sorgfältig umgegangen sind, dass die bereitgestellte Summe nicht ausgeschöpft worden ist. Das haben wir immer als positiv angesehen. Im Nachhinein die unentgeltliche Ausleihe so zu diffamieren, wie Sie es getan haben, Herr Minister, wird der Sache nicht gerecht und wird bei der Debatte auch nicht helfen.

Ich hatte vermutet, dass Sie nach dem Vorschlag von Frau Korter und mir zusammen mit den anderen Fraktionen einen Weg finden würden, der eine

Akzeptanz in diesem Land erfährt und die Unterschriften im positiven Sinne überflüssig macht. Das, was Sie und auch Frau Bertholdes-Sandrock eben gemacht haben, heißt: Wir wollen zwar mit euch reden, aber die Tür haben wir schon zugemacht. - So kann man mit einem solchen Votum nicht umgehen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Bertholdes-Sandrock, Sie haben das Wort für drei Minuten, anschließend Herr Schwarz für zwei Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Noch ein paar kurze Anmerkungen: Die SPD-Fraktion will nun - das hat sie zumindest angekündigt; wir werden sehen, ob das eine der Ankündigungen ist, die durchgeführt werden - nach Bückeburg gehen, weil der Haushalt nicht verfassungsgemäß ist. Sie kreiden uns aber an, dass wir 350 Millionen Euro weniger Neuverschuldung machen. Wenn wir jedoch das tun würden, was Sie wollen, müssten wir noch mehr Schulden machen. Insofern frage ich Sie: Wo ist da eigentlich Ihre Konsequenz? - Gemessen an den Einnahmen geben wir im Moment noch zu viel aus; das ist klar. Ich hoffe aber, dass sich die Einnahmen verändern werden, wenn wir am Sonntag einen Regierungswechsel haben und in Deutschland endlich wieder mehr Menschen in Arbeit sind, die dann auch entsprechend Steuern zahlen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dann löst sich nämlich auch in Niedersachsen manches Problem.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ich sage nur „Mehrwertsteuererhöhung“, Frau Bertholdes-Sandrock!)

Ich frage mich gerade vor dem Hintergrund der Ankündigung dieses hehren Vorschlags, wegen eines nicht verfassungsgemäßen Haushalts klagen zu wollen: Wie wollen Sie dann eigentlich die Lernmittelfreiheit bewerkstelligen? Wo wollen Sie kürzen? Haben Sie schon Vorschläge? - Wir gehen in der Tat offen in die Anhörungen und Beratungen.

(Zuruf von Walter Meinhold [SPD])

- Herr Meinhold, wenn Sie alles besser wissen, dann könnten Sie die Redezeit hier ja alleine bestreiten. Das täte mir aber ein bisschen Leid.

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie in den nächsten Beratungen sagen: Wenn wir nach Bückeburg gehen und wollen, dass ihr weniger ausgebt, dann kürzen wir an anderer Stelle. - Dazu erwarte ich Ihre Vorschläge, vertreten gegenüber den entsprechenden Interessengruppen. Wollen Sie im Sozialhaushalt kürzen? Wer soll dann noch weniger Geld bekommen? Wollen Sie im Landwirtschaftsressort kürzen, wo es die Landwirte ohnehin schon schwer genug haben? Oder im Wirtschaftsressort soll es dann keine Innovationen mehr für mehr Arbeitsplätze geben? Oder - ich spreche Frau Steiner an - sollen wir vielleicht im Umweltbereich kürzen? - Ich wüsste schon, wer dann am lautesten schreien würde.

Was ich bei Ihnen anmahne, ist eine konsequente Linie. Sagen Sie, was Sie wollen! Sagen Sie, wie Sie es bezahlen wollen! Dann diskutieren wir darüber.

Ansonsten bin ich, was die Anhörung angeht, in erster Linie nicht auf Ihre Anwürfe, sondern auf das gespannt, was die Betroffenen machen. Ich meine es genau so, wie ich es gesagt habe: Mit aller Ernsthaftigkeit und mit allem Respekt vor diesen Leuten wollen wir hören, welche Bedenken kommen, vielleicht auch, welche Vorschläge. Und dann sind wir offen. Ich habe lediglich erklärt, wie dieser schwere Schritt, die Lernmittelfreiheit ganz abzuschaffen, der aber, gemessen an der Situation, ein kluger Schritt war, zustande kam. - Danke.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Schwarz, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur ganz kurz zwei Sätze dazu. Verehrte Frau Korter, Sie werfen uns vor, wir hätten hier eine Voreingenommenheit an den Tag gelegt. Ich möchte ganz konkret von Ihnen wissen, woraus Sie den Schluss ziehen, dass wir voreingenommen in diese Sitzung gehen. Das müssten Sie mir einmal belegen. - Das ist das Erste.

Das Zweite ist: Sie haben hier in diesem Hause gesagt: Wir haben ein Modell, einen Gegenvorschlag, wie wir es finanzieren. - Wir sind in den Haushaltsberatungen. Ich möchte bei den Haushaltsberatungen gerne von Ihnen, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, wissen: Wie halten wir die Gegenleistung für genau diese Ausgaben - -

(Ina Korter [GRÜNE]: Das haben wir gemacht!)

- Dann legen Sie das bitte auf den Tisch! Wir sind sehr gespannt darauf. Dann werden wir sehen, was bei der Anhörung der Volksinitiative herauskommt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratung und kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Kultusausschuss sein, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer so verfahren möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das Erste war die Mehrheit. Wir werden so verfahren.

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 16: Zweite Beratung: Beim Kampf gegen AIDS nicht nachlassen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1619 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit Drs. 15/1989

Die Beschlussempfehlung lautet auf Annahme in geänderter Fassung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir kommen damit zur Beratung. Das Wort hat Frau Krämer von der SPD-Fraktion. Bitte schön, Frau Krämer!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Beim Kampf gegen AIDS nicht nachlassen“ - so heißt der von der SPD-Fraktion eingebrachte Antrag. In Niedersachsen wird diesbezüglich von Experten und Fachleuten aus dem ehrenamtlichen Bereich

schon Vorbildliches geleistet. Trotzdem ist gerade bei jungen Menschen die Tendenz zu einer gewissen Sorglosigkeit festzustellen. Deshalb muss die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit verstärkt und von der Landesregierung noch mehr unterstützt werden. Neben den eigenen Möglichkeiten sollte sie darauf hinwirken, dass sowohl die Medien als auch die Wirtschaft verstärkt durch Werbespots und Anzeigen den Menschen eindringlich und kontinuierlich die Gefahr von Aids vor Augen führen.

Auch die Aufklärung über Aids und HIV an den niedersächsischen Schulen muss fortgeführt und noch intensiviert werden. Daher dürfen die Mittel vom Land für die Prävention und Bekämpfung von Aids nicht mehr gekürzt werden, sondern, im Gegenteil, sie müssen aufgestockt werden, um bestehende Einrichtungen zu erhalten und die Vernetzung untereinander zu verdichten.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wir haben auf eine unserer ursprünglichen Forderungen verzichtet, um eine gemeinsame Beschlussempfehlung zu ermöglichen. Ich richte aber die Bitte an die Landesregierung, dafür zu sorgen, dass in den beiden Justizvollzugsanstalten Vechta und Groß-Hesepe, in denen das Spritzenaustauschprogramm leider eingestellt wurde, regelmäßige Aidskontrollen bei Antritt der Strafe und Entlassung aus der Haft gemacht werden, damit man einen Überblick über die Zahl der Infizierten bzw. Neuinfizierten erhält.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Kollege Meinhold, Frau Mundlos, würden Sie bitte zuhören? Das ist ein Thema, das sicherlich auch Sie interessiert.

Wie wir alle wissen, ist aufgrund der offenen Grenzen, der Reisemöglichkeiten in fast alle Länder der Erde kein Land, kein Dorf vor der Ausbreitung dieser Krankheit mehr sicher. Unsere Anstrengungen im Kampf gegen Aids müssen das berücksichtigen.

Die Literaturnobelpreisträgerin Nadine Gordimer, die in Johannesburg lebt, bezeichnet Aids als die „Pest des neue Jahrtausends“ und sagt, dass die Menschen die furchtbare Gefahr von Aids gar nicht erkennen. Sie hat leider Recht, meine lieben Kolleginnen und Kollegen; denn die Zahl der neu an

HIV Infizierten sowie die Zahl der Aidstoten steigt laut Welt-Aids-Organisation und Weltgesundheitsorganisation weltweit an.

In meinem letzten Redebeitrag zu diesem Thema habe ich u. a. auf die Zeitbombe hinter der polnischen Grenze und die Warnung von Experten vor der Gefahr hingewiesen, dass sich die in Osteuropa dramatisch ausbreitenden Infektionskrankheiten Aids und Hepatitis in den nächsten Jahren auch Richtung Deutschland ausweiten.