Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

- Das gestehe ich Ihnen zu. - Den Tierschutzverbänden, die ja nicht immer nur hehre Ziele verfolgen - wir haben gerade über die möglicherweise unterschiedliche Qualität von Tierschutzverbänden gesprochen -, ein Verbandsklagerecht einzuräumen, die ihre Existenzberechtigung über Spenden oder werbewirksame Klagen nachweisen müssten, wäre für uns der falsche Weg. Man darf auch nicht außer Acht lassen, dass solche Verfahrensverzögerungen Auswirkungen auf die grundsätzliche Bereitschaft zur Tierhaltung haben, was nicht ganz unwichtig ist. Zunehmende Bürokratie, zunehmende Verfahrensdauern und zusätzliche Kosten wirken sich im globalen Wettbewerb zudem als Standortnachteil für Niedersachsen aus. Mein Kollege Fleer von der SPD-Fraktion sprach von Wettbewerb. Ich kann dem nur beipflichten. Wir dürfen all das nicht aus dem Auge verlieren. Herr Kollege, wir sind in der Gesamtbewertung gar nicht so weit auseinander. Auch ich freue mich auf eine gemeinsame Bewertung im Ausschuss.

Hier sind einvernehmliche Regelungen der Beteiligten vor Ort unter Beachtung von Tierschutz und Tierartgerechtigkeit Erfolg versprechender als langwierige juristische Verfahren. Darüber hinaus gefährden Sie mit der Klagemöglichkeit den Forschungsstandort Niedersachsen. Auch das muss einmal gesagt werden. Zu den gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigungsverfahren käme mit potenziellen Klagen Planungsunsicherheit, die unvertretbar wäre. Die Folge: Forschungseinrichtungen der Pharmazie, der Biotechnologie und im Bereich der Medizin würden ihre Standorte ins Ausland verlagert. In einigen dieser Bereiche hat Niedersachsen eine weltweit operierende einzigartige Forschungslandschaft. Was nutzen solche Vorschriften, wenn Forschung und Produktion in andere Länder verlagert werden, in denen es solche Hürden nicht gibt? Über den Waren- und Wissensaustausch würden die Produkte und Erkenntnisse über Importe wieder in unser Land kommen - produziert, ohne die Anforderungen hier geltender Regelungen, die wir zusätzlich schaffen würden, erfüllt zu haben.

Sie tun so, meine Damen und Herren von den Grünen, als ob hier in Deutschland massiv Tag für Tag gegen Tierschutzvorschriften verstoßen werde und Tiere misshandelt würden. Kompetente Veterinärbehörden und Abteilungen bei den Staatsanwaltschaften überwachen die Einhaltung der Vorschriften. Unsere Behörden und Institute sind an Recht und Gesetz gebunden. In der Tierseuchenbekämpfung - auch das scheint nicht ganz unwichtig zu sein; in den vergangenen Jahren ist die Frage der Ethik der Tierhaltung sehr oft gestellt, aber meines Erachtens nicht zureichend beantwortet worden - ist Niedersachsen mit seiner epidemiologischen Infrastruktur - ich erinnere an das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das LAVES - gut ausgestattet. Ich denke hier an die tausendfache Keulung von Schweinen, Rindern und die möglicherweise künftige Keulung von Geflügel. Vor diesem Hintergrund ist die Frage der Ethik zu stellen. Hier hilft uns sehr eine wirksame Seuchenbekämpfung. Für mich ist dies auch ein Teil von Tierschutz. Zudem gibt es - das ist ganz wichtig - einen Tierschutzbeirat, angesiedelt beim Niedersächsischen Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Der Beirat ist Mitglied im Tierschutzverband. Unmittelbarer können die Tierschutzinteressen bei Gesetzesvorhaben nicht vertreten werden. Die Verbände werden bei Rechtsetzungsvorhaben angehört. Ebenso sind die Tierversuchskommissionen Mitglieder der Tierschutzverbände. Auch hier finden die schützenswerten Interessen frühzeitig Berücksichtigung. Das bestehende Instrumentarium erachte ich daher als ausreichend und wirkungsvoll. Was wir brauchen, sind sinnvolle Regelungen, die alle Belange und Interessen berücksichtigen. Vor allem brauchen wir keine Regelungen, die zusätzliche Belastungen für den Standort Niedersachsen darstellen und die Bürokratie aufbauen. Wir brauchen Regelungen, die uns im weltweiten Wettbewerb nicht ins Abseits stellen. Ich meine, sieben Jahre Rot-Grün - vor allem Renate Künast seit 1999 - haben gezeigt, wo es eben nicht hingehen darf.

(Rolf Meyer [SPD]: Bis jetzt war es so schön! - Hans-Dieter Haase [SPD]: Durch das ständige Wiederholen wird es auch nicht besser!)

- Herr Kollege Meyer, ich komme dann zum Schluss und will das nicht weiter ausdehnen.

Daher bitte ich Sie, meine Damen und Herren: Verfahren Sie mit der vorliegenden Drucksache so,

wie Sie im letzten Jahr mit Ihrem ähnlich lautenden Entschließungsantrag verfahren sind. Herr Klein: Ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Das Wort hat Herr Minister Ehlen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, als ich den Gesetzentwurf gelesen habe, war ich sehr gespannt, ob das das Gleiche sei, was im April letzten Jahres aus Schleswig-Holstein in den Bundesrat eingebracht wurde, oder ob in Ihrem Gesetzentwurf wenigstens die Erkenntnisse der Beratungen auf Bundesebene und im federführenden Ausschuss berücksichtigt würden.

(Zuruf von Hans-Jürgen Klein [GRÜ- NE])

- Das sind alte Kamellen, da ist nichts Neues drin. Das sage ich hier so platt.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Bloß, weil Sie es abgelehnt haben, wird es doch nicht zu einer ollen Kamelle!)

Ich meine, dass man niedersächsische Gegebenheiten mit berücksichtigen müsste.

Der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht vor, dass ein Tierschutzverein als Anwalt der Tiere, ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, behördliche Entscheidungen, wie z. B. Baugenehmigungen, die Tierhaltung betreffen, und tierschutzrechtliche Anforderungen gerichtlich überprüfen lassen kann. Begründet wird der Gesetzentwurf damit, dass Tiere ihre Interessen nicht selbst artikulieren können, dass Belange des Tierschutzes bei behördlichen Entscheidungen nicht kontrolliert werden und dass nur durch das Verbandsklagerecht eine von Engagement und Sachkenntnis geprägte Prozessführung zu erwarten ist. Als ich diese Ansätze las, habe ich das als Ohrfeige für alle niedersächsischen Behörden gesehen, die für den Tierschutz verantwortlich sind. So geht das nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass der Schutz der Tiere in Niedersachsen einen sehr hohen Stellenwert hat und dass diese Bereiche auch ohne Verbandsklage mit dem nötigen Augenmaß betrachtet werden.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Da ist der Wunsch der Vater des Gedan- ken!)

Im Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz hat der Tierschutzdienst eine sehr wichtige Aufgabe übernommen. Sie wird neben der Beratung und Unterstützung der Veterinärbehörden in Zusammenarbeit mit den Tierschutzorganisationen wahrgenommen.

Ihnen sollte auch bekannt sein, dass die Tierschutzorganisationen bei der Rechtsetzung, aber auch bei der Erörterung von Problemen im Rahmen der Umsetzung des geltenden Rechts über den Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen erfolgreich eingebunden werden. Darüber hinaus wirken die Tierschutzverbände anlässlich von Verbandsanhörungen schon jetzt bei der Vorbereitung von Rechtsvorschriften mit. Die Tierschutzvereine werden auch bei der Erarbeitung von Haltungsempfehlungen und Leitlinien intensiv beteiligt. In allen den Tierschutz betreffenden Fragen haben die Vertreter des Tierschutzes also unmittelbaren Zugang zur obersten Landesbehörde. Meine Damen und Herren, diese Zusammenarbeit ist aus meiner Sicht ausgesprochen positiv. Im Übrigen, Herr Kollege Klein, hat jedermann grundsätzlich die Möglichkeit, Anzeigen zu erstatten, wenn es um tierschutzrelevante Sachverhalte geht.

(Zustimmung von Ulrike Schröder [CDU])

Diese Anzeigen können bei der zuständigen Behörde von jedermann erstattet werden. Verbrechen gegenüber Tieren werden nach geltendem Recht mit aller Konsequenz verfolgt. Die Maßnahmen der zuständigen Behörde unterliegen darüber hinaus durch die Fach- und Dienstaufsicht, gegebenenfalls auch durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren, der Überprüfung. Damit sind in Niedersachsen die Belange des Tierschutzes sowohl im Stadium der Rechtsetzung als auch der praktischen Umsetzung mit der bestehenden Rechtslage in vollem Umfang sichergestellt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ich frage mich: Was wollen Sie eigentlich durch die Gesetzesinitiative für die Tiere erreichen?

(Christian Dürr [FDP]: Das fragen wir uns auch!)

In dem vorliegenden Gesetzentwurf - das ist in den vorigen Redebeiträgen schon dargestellt worden wurden weder der Aspekt der Gefährdung des Forschungsstandortes Deutschland noch der Aspekt der Mehrkosten durch erhöhten Arbeitsanfall bei den Gerichten noch unnötige Verzögerungen von Genehmigungsverfahren berücksichtigt.

Meine Damen und Herren, beispielsweise könnte eine verbandsklagebedingte Verzögerung bei der Medikamentenentwicklung in Deutschland ein zusätzlicher Risikofaktor werden. Dann wird es so werden, wie Herr Kollege Biestmann gesagt hat: Diese Firmen und Institutionen würden Deutschland verlassen. Das ist dabei mit zu bedenken.

Meine Damen und Herren, dass der Bundesrat in seiner 805. Sitzung am 5. November letzten Jahres mit überwältigender Mehrheit beschlossen hat, den von der vorigen schleswig-holsteinischen Landesregierung lancierten Gesetzentwurf im Bundestag nicht einzubringen, sollte uns zu denken geben. Es sollte klar geworden sein, dass auch das hier ein vergeblicher Versuch ist. Für Ihre Initiative sehe ich in Niedersachsen überhaupt keinen Grund. Es gibt auch keine neuen Erkenntnisse. Ich lehne diesen Gesetzentwurf so ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Klein hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Er hat noch zwei Minuten Redezeit.

(David McAllister [CDU]: Sie ziehen zurück?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Kollegen der CDU-Fraktion und vom Minister habe ich nichts anderes erwartet. Aber Herr Oetjen, bei Ihnen hat es mich doch gewundert - oder dann vielleicht doch nicht -, dass Sie in einer solchen Art und Weise argumentieren, in der Sie da

von ausgehen, dass der Staat sozusagen das Maß aller Dinge ist, dass der Staat quasi unfehlbar ist. Das ist die Prämisse, unter der Sie dieses Thema behandeln. Ich frage Sie: Warum soll ausgerechnet die Veterinärverwaltung eine staatliche Ebene sein, die nicht einer Kontrolle durch die dritte Gewalt, durch die Gerichte, unterliegt? - Das ist für mich schlicht und einfach nicht logisch.

(Beifall bei den GRÜNEN - Friedhelm Biestmann [CDU]: Weil sie sich der Tiergesundheit verpflichtet fühlt!)

- Herr Biestmann, das ist doch Unsinn, was Sie da erzählen. - Hier ist gesagt worden: Man hat doch das Anzeigerecht, das reicht doch. - Man muss doch ganz deutlich sehen: Das Anzeigerecht ist mit dem Klagerecht überhaupt nicht vergleichbar. Man gibt die Verantwortung sozusagen an die Staatsanwaltschaft ab und hat danach keinen Einfluss mehr, wie man das sonst im rechtlichen Sinne hat. Leider hat die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt, dass diese Verfahren häufig versanden und eben nicht unter dem Gesichtspunkt des grundgesetzlichen Tierschutzes behandelt werden.

(Glocke des Präsidenten)

Auch der Vorwurf einer Klageflut ist an den Haaren herbeigezogen. Ich habe gesagt, dass das Anerkennungsverfahren filtert. Auch die Tatsache, dass es nach wie vor ein finanzielles Risiko gibt - aufgrund der Gefahr, zu unterliegen -, filtert. Die Erfahrung aus dem Naturschutzgesetz ist: Ein bis zwei Verfahren pro 10 000 Verwaltungsgerichtsverfahren,

(Zuruf von David McAllister [CDU])

Herr McAllister, sind auf das Verbandsklagerecht zurückzuführen. Es ist doch Unsinn, hier zu behaupten, dass es zu einer Überbürokratisierung käme. Das ist nicht nachzuvollziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch eine Verzögerung bei den Genehmigungen ist nicht zu erwarten. Die meisten Prüfungen können im Rahmen des Genehmigungsverfahrens abgehandelt werden. Sie haben die Möglichkeit, sofortige Vollziehbarkeit anzuordnen. Wenn es tatsächlich zu Verzögerungen kommt, dann ist es doch einfach so, dass rechtswidrige Verhältnisse vorliegen.

Ich will Ihnen ein paar Beispiele nennen, um deutlich zu machen, was im Argen liegt.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Noch eine Anmerkung. - Es ist ein Skandal gewesen, dass es 30 Jahre gedauert hat, bis man mit der Krücke eines Normenkontrollverfahrens feststellen konnte, dass die Hennenhaltung in diesem Lande verfassungswidrig und nicht artgerecht war. So können wir wirklich nicht weitermachen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Ältestenrat hat empfohlen, federführend den Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit dem Gesetzentwurf zu befassen und mitberatend folgende Ausschüsse zu beteiligen: Umweltausschuss, Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, Ausschuss für Haushalt und Finanzen, Ausschuss für Inneres und Sport. Gibt es weitere Wünsche? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Meine Damen und Herren, bevor ich den Tagesordnungspunkt 11 aufrufe, darf ich darauf hinweisen, dass die Fraktionen übereingekommen sind - das geht jetzt insbesondere an die Adresse der ehemals vorgesehenen Redner -, dass der Tagesordnungspunkt 13 - dabei geht es um das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Landwirtschaftskammern und anderer Gesetze - ohne erste Beratung direkt in die Ausschüsse überwiesen wird. Bitte stellen Sie sich darauf ein.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD Drs. 15/2162

Der Kollege Bartling hat dazu das Wort.