Protokoll der Sitzung vom 05.10.2005

Wenn Sie bei Ihrer Haltung zu den Studienbeiträgen bleiben, die Sie heute und in den letzten Wochen an den Tag gelegt haben

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Schon länger!)

- Sie übrigens allein; ich muss die Zitate der anderen SPD-Kollegen, die eine völlig andere Auffassung haben, gar nicht vorlesen; das wäre ja peinlich -, dann bestätigen Sie nur, - -

Herr Klare, die Gutmütigkeit des Präsidenten ist schon weit überschritten. Kommen Sie jetzt bitte zum Schluss.

- - - dass es trotz aller Polemik, die Sie ja wirklich beherrschen, im Ergebnis schon immer die CDU war, die für soziale Gerechtigkeit steht,

(Lachen bei der SDP)

und zwar wenn es um konkrete Handlungen geht. Im Reden über soziale Gerechtigkeit sind Sie besser als wir. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Axel Plaue [SPD]: So wie der Schluss war die ganze Rede! So ein Umgang mit der Wahrheit!)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Stratmann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine liebe Kollegen von der Sozialdemokratie und - ich muss das leider sagen - auch von den Grünen, ich bin wieder einmal einigermaßen fassungslos

(Beifall bei der FDP - Oh! bei der SPD)

ob der Tatsache, dass Sie überhaupt nicht bereit sind, das zur Kenntnis zu nehmen, was uns alle ernst zu nehmenden Experten aus der Hochschulpolitik in Deutschland und darüber hinaus sagen und raten,

(Beifall bei der FDP)

nämlich dass das deutsche Hochschulsystem nur wettbewerbsfähig sein wird und sein kann, wenn wir uns weiterer Ressourcen bedienen, um das Hochschulsystem zu finanzieren. Eine dieser Ressourcen sind nun einmal die Studiengebühren.

Liebe Frau Andretta, ich hätte ja vor Wochen noch gesagt, Ihre Rede tue ich unter „Wahlkampf“ ab. Aber die Wahlkämpfe sind gelaufen. Wir haben keinen Wahlkampf mehr in Deutschland. Sie werden sich mit der Situation vertraut machen müssen, dass sehr ernst zu nehmende sozialdemokratische Kolleginnen und Kollegen schon sehr bald in ihren Ländern auch Studienbeiträge einführen. Schon jetzt sind hier etliche zitiert worden, die mit

guten Argumenten, weil es eben die Argumente der Experten sind, Studienbeiträge für unser System einfordern. Das vorab.

Jetzt einige für mich sehr wichtige Hinweise. Auch diese Landesregierung steht in der Tat auf dem Standpunkt, dass Studienbeiträge überhaupt nur dann verantwortet werden können, wenn sie sozialverträglich gestaltet werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dies ist und bleibt für uns Conditio sine qua non. In allen Ländern, in denen es seit vielen, vielen Jahren Studienbeiträge gibt, stellen wir fest, dass diese Länder geringere Probleme mit der Bildungsmobilität haben, also mit der Tatsache, dass Kinder aus bildungsfernen Schichten an die Hochschulen gehen, als das ausgerechnet in Deutschland der Fall ist, in dem es seit 1971 keine Gebühren mehr gibt.

Ich sage es noch einmal. Ich habe es von dieser Stelle aus schon oft wiederholt.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Es gibt offensichtlich keinen Zusammenhang zwischen der von Ihnen immer wieder wiederholten Behauptung, die Einführung von Studienbeiträgen würde dazu führen, dass sogenannte Arbeiterkinder nicht mehr an unsere Hochschulen gehen. Alle Erfahrungen aus dem Ausland sprechen dafür, das eher das Gegenteil der Fall ist, wenn man Beiträge sozialverträglich gestaltet.

Ich sage noch einmal: Wir werden in Kürze ein Kreditfinanzierungsmodell vorlegen, es den Regierungsfraktionen vorschlagen. Das Modell ist in meinem Haus gefertigt, und es ist fertig. Dieses Modell - auch das ist wichtig - wird niemanden - niemanden! - dazu zwingen, Beiträge zurückzuzahlen, wenn er nicht vorher die entsprechende Leistungsfähigkeit erzielt hat. Mit anderen Worten: Jemand, der eine Hochschule mit einem Abschluss verlässt und beispielsweise 6 000 Euro Kredit in Anspruch genommen hat - 5 000 Euro plus Zinsen -, wird diese Beiträge nicht zurückzahlen müssen, wenn nach dem Studium keine finanzielle Leistungsfähigkeit gegeben ist.

Meine Damen und Herren, was ist daran unfair? Was ist daran eine Überforderung der Betroffenen? Dies ist in vielen Bereichen unserer Gesellschaft eine völlige Selbstverständlichkeit. Ich sehe überhaupt nicht ein, warum wir nicht den Mut ha

ben sollten, wie viele andere Länder der Welt auch, diesen Weg zu gehen. Wir müssen diesen Weg gehen, weil wir wegen der Haushaltssituation nicht in der Lage sein werden, unsere Hochschulen mit den Mitteln auszustatten, die sie eigentlich brauchen.

Wenn wir uns mit anderen Ländern vergleichen, etwa mit den Vereinigten Staaten von Amerika, stellen wir fest, dass auch die exakt den gleichen Betrag, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, für ihre Hochschulen staatlicherseits ausgeben, aber im Ergebnis dreimal mehr zur Verfügung haben, weil mehr Finanzierungsquellen da sind.

Meine Damen und Herren, ich sage dies jetzt in aller Ernsthaftigkeit. Die Wahlkämpfe sind gelaufen. Lassen Sie uns an dieser Stelle bitte vernünftig miteinander diskutieren. Hören wir auf, uns gegenseitig Unwahrheiten vorzuhalten. Sie behaupten z. B., Frau Dr. Andretta, was mich einigermaßen entsetzt hat, wir hätten Wortbruch begangen, weil BAföG-Empfänger nicht mit einbezogen würden. Können Sie aus einer einzigen Rede zitieren, in der ich behauptet hätte, BAföGEmpfänger nicht einbeziehen zu wollen?

Dann behaupten Sie wieder wahrheitswidrig, es gebe ein Eckpunktepapier von Frau Schawan. Es ist das Eckpunktepapier, das ich mit beschlossen habe, das Eckpunktepapier der B-Minister. Dort finden Sie keinen einzigen Satz, der auch nur den Schluss zulässt, der die Interpretation zulässt, dass BAföG-Empfänger ausgenommen werden sollen. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir wollen gerade nicht an das Gehalt der Eltern anknüpfen, sondern wir wollen etwas machen, was einkommensunabhängig funktioniert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das bedeutet, sowohl der Millionärssohn als auch der Sohn oder die Tochter aus kleinen Verhältnissen sollen das Recht haben, einen Kredit zu bekommen. Wir wollen keine weitere Benachteiligung des Mittelstandes, nämlich der Eltern, die gerade kein BAföG für ihre Kinder in Anspruch nehmen können, weil das Gehalt gerade über der Grenze liegt; und die dann auch noch Studienbeiträge finanzieren sollen, ohne dafür einen Kredit in Anspruch nehmen zu können. Das wollen wir gerade nicht. - Meine Bitte ist wirklich, Frau Andretta: Hören Sie auf, hier solche Behauptungen aufzustellen.

Der nächste Punkt, der mir wichtig ist, betrifft den Zukunftsvertrag. Es gibt keinen anderen Bereich - ich sage das noch einmal in Anbetracht der desaströsen Haushaltssituation -, der über so viel spürbar mehr Mittel die nächsten Jahre verfügen kann, wie das für den Hochschulund Forschungsbereich in Zukunft zutrifft. Das muss man doch mal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb haben uns die Hochschulpräsidenten für diesen Vertrag gelobt, den wir am 10. Oktober unterzeichnen werden. Dieser Vertrag führt im Ergebnis dazu, dass es nicht nur mehr Geld aus Studienbeiträgen geben wird. Er führt auch dazu, dass wir zusichern, dass wir die Mittel für die Exzellenzinitiative gegenfinanzieren. Das können dann, wenn die Hochschulen in Niedersachsen erfolgreich arbeiten, erfolgreich Anträge stellen, bis zu 10 Millionen Euro sein. Dieser Vertrag führt dazu, dass wir die dreiprozentige Steigerung bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen mitfinanzieren. Das heißt, wir legen staatlicherseits sogar noch mehr Geld drauf, als dass wir etwas herausnehmen. Die Diskussion zum HOK haben wir geführt, die will ich hier nicht wiederholen.

Ich sage Ihnen noch einmal: Dieser Zukunftsvertrag ist gerade im Vergleich zu anderen Ländern ein Riesenerfolg. Kein einziges Land, auch kein sozialdemokratisch regiertes hat so etwas zustande gebracht. Gucken Sie nach Berlin oder sonst wo hin, was da los ist. Sie könnten hier ja solche Reden halten, wie Sie es gerade getan haben, wenn Sie wenigstens positive Beispiele in sozialdemokratisch geführten Ländern hätten. Die haben Sie aber nicht. Hören Sie also bitte damit auf!

Herr Minister, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass auch für Sie die Geschäftsordnung gilt. Ihre Redezeit ist weit überschritten.

Letzte Bemerkung: Das Bundesverfassungsgericht hat uns Vorgaben gemacht. Herr Zielke, eine Vorgabe ist beispielsweise, dass wir nur 500 Euro nehmen dürfen, sonst würden wir uns verfassungswidrig verhalten. Dies ist der Grund dafür, warum sich alle Länder, die das machen wollen, auf 500 Euro verständigt haben. Das ist also vor

allem rechtlicher Natur. Ich bin aber auch aus politischen Gründen der Meinung, dass wir nicht mehr als 500 Euro nehmen sollten, weil wir es hier in Deutschland mit einem Traditionswechsel, einem Paradigmenwechsel zu tun haben. Es ist schwer genug, dies den Menschen zu verkaufen und die Argumente dafür zu transportieren. Das merken wir ja in diesen Tagen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Sehr gut!)

Die SPD-Fraktion hat nach § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung um zusätzliche Redezeit gebeten. Sie bekommt zwei Minuten. Frau Dr. Andretta, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich verstehe Ihre Aufregung nicht.

(Bernd Althusmann [CDU]: Wer ist denn hier aufgeregt?)

Hätten Sie bis heute einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Studiengebühren regelt, dann hätten wir diese Debatten nicht.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie be- kommen ihn schon noch!)

Tun Sie doch nicht so, als ob Sie überrascht seien! Ich erinnere an das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Januar. Sie waren sich so sicher, dass Sie gewinnen. Sie waren sich so sicher, dass das Studiengebührenverbot fällt. Sie haben den Eindruck erweckt, als ob der Gesetzentwurf schon längst in der Schublade liege und dass er nur noch gezückt werden müsse. Nichts ist passiert! Aber schon jetzt - und das ist das Traurige daran - hat allein die Debatte über die Einführung der Studiengebühren dazu geführt, dass der Anteil derjenigen, die ein Studium neu beginnen, zurückgegangen ist.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie wissen doch gar nicht, was Sie wollen! Sie sind völlig orientierungslos!)

Das ist übrigens eine Feststellung der KMK, nicht der SPD. Dies zeigt, wohin die Reise geht. Deshalb werden wir auch in Zukunft dafür sein, keine neuen Hürden aufzubauen, sondern alte abzureißen.

Noch ein Punkt: Immer wieder wird auf andere Länder verwiesen, dass dort mehr Arbeiterkinder an den Hochschulen seien. Das wird auf die beglückenden Gebühren zurückgeführt. - Sind Sie so dumm, oder tun Sie nur so?

(Bernd Althusmann [CDU]: Na, na, na!)

Sie wissen doch genau, dass es nicht unsere Hochschulen sind, sondern dass es das hochselektive Schulsystem ist, das verhindert, dass wir mehr Arbeiterkinder an den Hochschulen haben. Und daran wollen Sie festhalten.

(Beifall bei der SPD)

Noch ein letztes Wort zu den Zitaten, mit denen sich hier immer gerne geschmückt wird. Sie zitieren Herrn Oppermann und Herrn Gabriel. Ich kann den Ministerpräsidenten zitieren, der noch vor gar nicht allzu langer Zeit - die Wähler und Wählerinnen erinnern sich noch ganz genau - gesagt hat: „Das Erststudium in Niedersachsen bleibt gebührenfrei.“