Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

Ich wiederhole auch noch etwas anderes. Sie haben eben gesagt, die SPD habe das angefangen. Ich wiederhole es: Das stimmt. Sie hat es aber leider nicht finanziert.

(Beifall bei der CDU)

Niedersachsen aber war das erste Bundesland, das die Sprachförderung und die damit zusammenhängenden Verfahren im Schulgesetz verankert hat.

(Beifall bei der CDU - David McAllister [CDU]: Richtig! Richtig!)

Wir haben den „Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder“ und den Erlass „Die Arbeit in der Grundschule“ - das muss man zusammen sehen - ins Leben gerufen. Wir haben Inhalt und Form der Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten und Grundschulen beschrieben, womit sichergestellt werden soll, dass Kontinuität im Bildungsgang für alle Kinder gewährleistet werden kann.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Gut Frau Ernst!)

Wir haben - auch das muss ich noch einmal betonen - trotz der katastrophalen Haushaltslage bislang 4,8 Millionen Euro an freiwilligen Leistungen investiert. Diesen Betrag werden wir im neuen Haushaltsplan auf ca. 6 Millionen Euro aufstocken.

(Beifall bei der CDU)

Das heißt kurz gefasst: Die Schulen erhalten für die Sprachförderung vor der Einschulung und auch in der Grundschule - ich fasse das jetzt zusammen - zusätzlich ca. 37 000 Lehrerwochenstunden. Das entspricht etwa 50 Millionen Euro pro Jahr. Ich frage Sie noch einmal. Auch andere Länder hinken langsam hinterher. Wir aber haben weitaus mehr für die frühe Sprachförderung getan als andere Bundesländer, denen es finanziell besser geht. Das muss man immer betonen.

(Beifall bei der CDU)

Selbstverständlich sind wir dabei - das ist äußerst wichtig -, das Programm weiterzuentwickeln und

zu verbessern. Ich habe es vorhin schon gesagt. Es ist das zweite Durchführungsjahr. Das erste Jahr - darüber hat das Ministerium im Ausschuss doch berichtet - ist überwiegend positiv gelaufen. Das bestätigt doch, dass die Landesregierung hier auf dem richtigen Weg ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann das noch einmal zusammenfassen. Der Erfolg der Maßnahmen zeigt sich auf unterschiedlichen Ebenen. Nennen möchte ich:

erstens die verbesserte Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten und Schulen, die Lernwerkstätten und Lernzirkel, Dienstbesprechungen, die Bildung von Tandems, problembezogene Workshops, die Organisation flächendeckender Koop-Gruppen, die Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen und insbesondere Fortbildungsveranstaltungen - das ist in diesem Zusammenhang ganz wichtig -,

zweitens die Verbesserung der Sprachstände auf unterschiedlichem Niveau,

drittens die Verbesserung der allgemeinen Schulfähigkeit - auch das ist ein positives Ergebnis -;

viertens Fortschritte im sozialen Lernen,

fünftens - das betone ich noch einmal - die Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten und Schulen und insbesondere Ansätze für eine gemeinsame intensivierte Elternarbeit.

Meiner Meinung nach ist es doch ein Erfolg, wenn Schulen insbesondere in städtischen Brennpunkten von guten Ergebnissen berichten. Die Abfrage hat ergeben, dass 2 % weniger einzuschulende Kinder zurückgestellt worden sind. Im Gegensatz zu früher können heute fast alle Kinder die Arbeitseinweisung in der Schule verstehen. Die Grundlagen für die schulische Weiterarbeit sind verbessert worden. Als Nebenprodukt der vorschulischen Sprachförderung sind die Kinder sehr gut auf die Schule vorbereitet worden. Meiner Meinung nach geht es nicht positiver. Wir wissen aber auch genau, dass wir uns nicht zurücklehnen können. Deshalb habe ich gesagt, dass wir zunächst einmal das Ergebnis des zweiten Durchgangs abwarten, alles beobachten und ferner versuchen sollten, Verbesserungen dort vorzunehmen, wo es noch hakt. Wir sind selbstverständlich der Meinung, dass alle vorhandenen Ressourcen in vollem Umfang genutzt werden müssen. Wenn es an

dem einen oder anderen Standort noch Mängel gibt, müssen diese abgestellt werden.

Meine Damen und Herren, das ist hier doch wie mit neuen Schuhen. Sie müssen sich einfach erst einmal einlaufen. Dafür sind die Dinge zu neu. Zu Beginn drückt es hier und da. Man hat aber etwas falsch gemacht, wenn man dicke Blasen bekommt. Die aber kriegen wir nicht. Wir haben hier nämlich nichts falsch gemacht. Das ist bei der Sprachförderung nicht der Fall.

(Beifall bei der CDU)

Die Sprach- und Sprechförderung für unsere Kinder, für Kinder aus Migranten- und Aussiedlerfamilien und auch aus sozialschwachen Familien ist und bleibt ein bildungspolitischer Schwerpunkt dieser Landesregierung. Wir werden weiterhin beobachten, evaluieren und weiterentwickeln. Ich habe es schon gesagt. Uns liegen inzwischen die Ergebnisse einer weiteren PISA-Studie vor. Ich denke: Auch wenn sich Niedersachsen ins Mittelfeld hochgearbeitet hat, so sagt der Kultusministers dennoch - ich kann es zitieren -: Wir sind noch lange nicht dort, wo wir hinwollen. - Er hat weiter gesagt, dass gerade in der frühkindlichen Bildung noch gewaltige Kraftanstrengungen nötig seien. Das ist uns allen klar. Ich glaube, dass wir uns auf dieses Wort verlassen können. Fest steht: Wir befinden uns auf dem richtigen Weg. Wir werden ihn fortsetzen. Nach dem zweiten Durchgang werden wir hier sicherlich über noch mehr positive Dinge berichten können. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, im Augenblick sind wir hier zeitlos. Beide Uhren funktionieren nicht mehr.

(Zurufe)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Robbert zu Wort gemeldet.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Du hast jetzt eine Stunde! - Weitere Zurufe)

- Nein, Herr Eppers, keine Sorge. Wir werden das hier oben schon regeln. - Herr Robbert, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der ersten Beratung kam nach Frau Ernst Herr Minister Busemann. Er hat den Vortrag von Frau Ernst als Hymne gelobt. Ob er das heute auch wieder tun wird, weiß ich nicht.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Ich glaube schon! Es könnte gut sein! Er war ja auch klasse!)

- Ja, das könnte gut sein. Ich weiß es nur noch nicht. - Eine Hymne muss ja nicht sachdienlich sein, aber sie macht Freude. Dass Sie auf der rechten Seite des Hauses Freude hatten, habe ich verstanden. Ich glaube aber, dass man den Antrag der Grünen schon etwas ernster nehmen sollte, um ihm gerecht zu werden. Ich kann es ja verstehen: Wenn man die Mehrheit hat, kann man locker ablehnen. Dafür hat man ja die Mehrheit. Aber auch das muss nicht sachdienlich sein.

Ich möchte anhand weniger Beispiele belegen, weshalb ich der Meinung bin, dass man damit der Sache selbst, nämlich der Sprachförderung, nicht ganz gerecht geworden ist. Unbestritten ist - das haben auch alle Vorredner so gesagt -, dass es Reibungsverluste gibt. Dann kann es auch mittendrin - so wie jetzt - Sinn machen, zu sagen: Wir wollen einmal hören, wie gerade auch die Träger von Kindertageseinrichtungen diese Reibungsverluste beschreiben mit dem Ziel, sie unter Umständen ab sofort, zumindest aber im nächsten Schritt zu vermeiden. Es macht doch keinen Sinn, zu warten, bis der zweite Durchgang beendet ist. Dann ist das Schuljahr beendet. Dann können geeignete Schritte erst zum nächsten oder gar erst zum übernächsten Schuljahr greifen. Das ist für mich ein Grund, zu sagen: Eine Anhörung wäre gut gewesen. Wir wären schlauer geworden. Die punktuellen Erfahrungen, die wir alle gemacht haben, wären durch in die Breite gehende Erfahrungen ergänzt worden.

Trotzdem teile ich die Einlassungen des Ministeriums dahin gehend, dass man Erfahrungen mit dem ersten Durchgang gemacht hat und dass die Prozentzahlen bekannt sind. Das ist ein Erfolg. Bevor mit der wissenschaftlichen Auswertung begonnen wird, muss zunächst aber der zweite Durchgang abgewartet werden. Das ist keine Frage. Das macht Sinn. Wir müssen aber bedenken, dass Sprachförderung kein Wert an sich ist. Es war ja die vorherige Landesregierung, die eine entsprechende gesetzliche Verankerung vorgenom

men hat. Sie haben diese Verankerung zum Glück beibehalten. Wir alle finden das ja sehr positiv. Auch die Ergebnisse sind positiv.

Man muss aber auch sehen, dass die Sprachförderung nicht nur in Bezug auf die Schule einen Erfolg darstellen muss, sondern sie soll dazu beitragen, dass Jugendliche später die Möglichkeit haben, mit einem Schulabschluss - ohne abzubrechen - einen Beruf zu ergreifen und nicht isoliert in der Gesellschaft stehen zu bleiben oder abgewiesen zu werden. Welche dramatischen Folgen solche Verweisungen und ein solches In-die-Ecke-Stellen auch haben können, wird zumindest am Beispiel Frankreich deutlich. Deutschland ist nicht Frankreich. Es gibt Unterschiede.

Sie kennen aber auch die Aussagen von verschiedenen Bürgermeistern, die durchaus die Befürchtung haben, dass ähnliche Zustände auch hier möglich sind. Das sind Dinge, die auf mangelnde Integration zurückzuführen sind, die immer auch mit mangelndem Sprachvermögen zu tun hat. Darum, meine ich, muss uns wirklich daran gelegen sein, zu vermeiden, Geld an einer Stelle auszugeben, an der es nicht die Wirkung entfalten kann, die wir erhoffen.

Warum sind Kindertagesstätten unter Umständen eher geeignet als Schulen? Nicht weil sie besser sind, sondern weil Kindertagesstätten inzwischen fast landesweit, kann man sagen, auf die Kundenwünsche, auf die Erfordernisse von Eltern und Kindern auch im Zeitmanagement ganz anders reagieren, als Schulen das tun. Ich kenne im Grunde genommen keine einzige Schule, die in ihrem Zeitmanagement auf Elternwünsche eingeht. Das machen aber Kindertageseinrichtungen. Sie orientieren sich an der Berufstätigkeit, an der Belastungssituation der Eltern und bieten dementsprechend auch Sprachförderung an. Nach meiner Auffassung wäre es richtig gewesen, die Mittel dort stärker zu konzentrieren. Ich glaube nicht, dass wir in die riesigen Millionenbereiche hineinkommen würden, die der Minister in der ersten Beratung genannt hat. Dass es Geld kosten wird, ist klar. Aber es kann nicht sein, dass wir meinen, an einer so zentralen Stelle mit den dramatischen Auswirkungen als erstes sparen zu müssen.

(Ursula Körtner [CDU]: Wo wollt ihr das Geld denn hernehmen?)

Es kann auch nicht sein, dass Sie als Regierungsfraktion immer meinen, es in der Geschichte su

chen zu müssen. Das Land ist hoch verschuldet. Aber Sie haben die Regierungsverantwortung übernommen, und Sie haben die Dinge zu richten, die zu richten sind. Die Dinge sind, wie sie sind. Auch jede andere Regierung hätte die gleichen Probleme zu lösen und müsste Lösungen finden.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: So blauäugig! - Ursula Körtner [CDU]: Sie haben das Geld ausgegeben, das wir nicht haben!)

- Ich würde gerne mitregieren, keine Probleme. Geben Sie es einfach ab! - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Schwarz das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Robbert, da ist auch eine ganze Reihe verbindlicher Töne dabei gewesen. Wir haben hinreichend über die Sprachförderung insgesamt gesprochen. Ich denke, dass wir uns in der Beurteilung der Sachlage in vielen Teilen offensichtlich einig sind.

Nicht nur Kinder von Migrantenfamilien, sondern auch immer mehr deutsche Kinder haben unzureichende sprachliche Fertigkeiten.

(Ursula Körtner [CDU]: Genau!)

Diese sind in der Tat zu berücksichtigen.

Wir leben aber nicht in nahezu paradiesischen Verhältnissen, wie sie in Skandinavien bestehen, wo auf drei Migrantenkinder zwei Lehrkräfte kommen bzw. eine Lehrkraft und ein Praktikant. Dort können solche Probleme in der Tat intensiver gelöst werden. Aber in diesen Verhältnissen leben wir nun einmal nicht.