d) Föderalismusreform ist nur der erste Schritt gegen den Reformstau in Deutschland und in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 15/2340
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was vor knapp einem Jahr gescheitert ist, wird jetzt endlich umgesetzt. Das ist eine Föderalismusreform für Deutschland und letztlich auch für Niedersachsen. Es ist mit Sicherheit noch nicht der lang ersehnte große Wurf, aber es ist erst einmal ein Anfang. Angesichts der aktuellen politischen Situation in Berlin ist das schon ganz schön viel.
Im Interesse des Landes hoffen wir, dass dies nicht die einzige Reform in dieser Legislaturperiode bleibt. Denn mit dieser Reform wird die Grundlage für weitere notwendige Veränderungen geschaffen.
Wir heißen es gut, dass es das größte Ergebnis ist, dass wir zu einer echten Entflechtung hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern gekommen sind. Waren bislang etwa 60 % der Bundesgesetze zustimmungspflichtig, so werden es künftig etwa 35 % sein. Aus unserer Sicht ist selbst diese Zahl weiter herabzusetzen.
Neu ist die Abweichungsgesetzgebung, die künftig den Ländern die Möglichkeit gibt, bei einigen wenigen Bundesgesetzen in engen Grenzen von den bundesrechtlichen Regelungen abzuweichen. Dieses Instrument muss sich aus unserer Sicht noch in der Praxis bewähren. Dennoch haben die Länder endlich die Möglichkeit bekommen, den Einstieg in einen echten Wettbewerbsföderalismus zu finden. Das wurde aus unserer Sicht höchste Zeit.
Ebenso positiv ist es, dass bestimmte Kompetenzen vollständig auf die Länder übertragen werden sollen, z. B. im Bereich des Versammlungsrechts, Presserechts und Gaststättenrechts sowie beim Ladenschluss. Insofern hat uns die Äußerung des Bundeswirtschaftsministers vom heutigen Tage gefreut, der sich noch einmal klar zum Ladenschlussgesetz geäußert hat. Wir sagen an dieser Stelle: Jetzt hat Niedersachsen einmal mehr die Möglichkeit, das erste Land zu sein, diesmal bei der Regelung 6 mal 24.
Besonders wichtig war für uns natürlich auch, dass nicht nur die Länderhoheit im Bereich der Kulturund Bildungspolitik gewahrt wird, sondern dass wir zusätzliche Kompetenzen im Bereich des Hochschulwesens bekommen. Damit wurde ein langjähriger Streit endgültig und in richtiger Weise beendet. Für uns bleibt die Behauptung bestehen: Bildungspolitik, Kulturpolitik und künftig auch die Hochschulpolitik gehören in Länderhand.
Wer aber den echten Wettbewerbsföderalismus will, der braucht zwingend auch eine Finanzreform. Wir wollen den Ländern mehr Möglichkeiten bei der Gestaltung ihrer Einnahmen und Ausgaben geben. Wir haben am Ende den Mut zu mehr Eigenverantwortung von Ländern und Kommunen.
Zu dieser mutigen Politik gehört auch eine Reform des Länderfinanzausgleichs. Wir kennen die schwierige Situation dort. Auch wenn Niedersachsen heute noch zu den Nehmerländern zählt - - Ich denke, unter der neuen Landesregierung haben wir einen beispiellosen Konsolidierungskurs angepackt.
Punkt der Wirtschaftsdynamik in den Ländervergleichen immer auf den vorderen Plätzen, sodass wir heute schon sagen können, morgen wird sich das ändern. Wir werden uns natürlich noch steigern: heute noch Nehmerland, morgen Geberland. Dann wäre es schön, wenn der Länderfinanzausgleich Leistung belohnen würde. Das ist momentan nicht der Fall. Bisher bietet der Länderfinanzausgleich wenig Anreize für eine solide Standortpolitik und eine sparsame Haushaltsführung. Ich meine, es muss unser Interesse sein, an diesem Punkt gemeinsam etwas zu ändern.
Dafür braucht es Mut in der Politik. Dieser Mut ist in den jetzigen Koalitionsverhandlungen nicht immer zu erkennen. Deshalb fordern wir von dieser Stelle aus die etwas zaghaften Koalitionäre auf, sich nicht auf eine Absichtserklärung zur Finanzreform zu beschränken. Vielmehr braucht unser Land Taten, und das noch im nächsten Jahr. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich nicht ganz einfach, in dreieinhalb Minuten dieses komplexe Thema abzuarbeiten.
Erstens. Wir stellen fest, dass vor elf Monaten die Arbeit einer Kommission von Vertretern des Bundestages und des Bundesrates an diesem Thema knapp gescheitert ist. Jetzt ist im Rahmen der Verhandlungen über die Bildung einer großen Koalition relativ schnell eine Einigung erzielt worden. Das zeigt uns, dass das Ergebnis der Bundestagswahl den Verhandlungsdruck erheblich verstärkt hat. Die Bereitschaft, eine solche Einigung zu erzielen, ist gegeben.
Zweitens. Das angesprochene Problem im Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesrat ist deutlich entschärft worden; ich nenne das Stich
wort „Blockadepolitik“, das in der Vergangenheit jede Bundesregierung der jeweiligen Opposition im Bundestag und der Mehrheit im Bundesrat vorgeworfen hat. Das ist ermutigend. In der Vergangenheit war es häufig genug so, dass Gesetze nicht so sehr gemacht worden sind, um ein möglichst gutes, der Sache entsprechendes Gesetz zu schaffen, sondern mehr unter der Fragestellung, wie man an dem Zustimmungserfordernis des Bundesrates vorbeikommt. Das hat die Zuständigkeiten und Kompetenzen verwässert. Der Souverän, der Bürger, wusste eigentlich gar nicht mehr, wer in unserer Republik für was verantwortlich ist. In dieser Hinsicht ist eine deutliche Verbesserung eingetreten.
Das System der Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern ist modernisiert worden. Wir werden keine Rahmengesetzgebung mehr haben. Wir werden eine ausschließliche Gesetzgebung des Bundes haben. Wir werden eine konkurrierende Gesetzgebung zwischen Bund und Land haben, von der der Bund Gebrauch machen kann, wenn es erforderlich ist, wobei das Land, wenn es möglich ist, in gewissen Grenzen abweichende Regelungen treffen kann.
Wir haben eine neue Aufgabenbestimmung im Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Ich nenne die Stichworte „Beamte“, „Bildung“, „Hochschulen“, „Strafvollzug“ - alles Kompetenzen, die in den Bereich der Länder übergehen. Umgekehrt wird die Position des Bundes in Bezug auf die Themen Umwelt und innere Sicherheit gestärkt.
Dem Kollegen Rösler ist darin zuzustimmen, dass die Finanzbeziehungen nicht geregelt werden. In der Tat haben wir es auf diesem Gebiet bisher nur mit einer Absichtserklärung zu tun. Aber die Absichtserklärung geht dahin, dies noch gemeinsam zu regeln.
Das Ganze ist zurzeit noch ein Kompromiss auf der Ebene einer Arbeitsgemeinschaft. Es muss in ein Gesamtpapier der Koalitionsvereinbarung eingearbeitet werden. Es bedarf, weil es eine Grundgesetzänderung voraussetzt, einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Aber nach den Ausführungen von Herrn Dr. Rösler bin ich sehr zuversichtlich, dass im Bundesrat eine Mehrheit von zwei Dritteln für diese Reform erreichbar sein wird. Man kann zwar jedes einzelne Ergebnis dieser Kommission kritisieren. Ich sage dazu aber eines: Es handelt sich um einen Kompromiss. Ich bin sicher, dass wir uns in der derzei
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit den bisher erzielten Ergebnissen bei den Verhandlungen zur Föderalismusreform kommt es endlich zu der längst überfälligen Entflechtung von Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern. Das haben bereits alle Vorredner betont. Das kann aber wirklich nur ein erster Meilenstein auf dem Weg zu schnelleren und klareren Entscheidungen sein.
Ziel jeder Entflechtung muss die unmissverständliche Zuordnung von Verantwortung sein; denn das, meine Damen und Herren, wirkt der Politikverdrossenheit entgegen und gibt den Menschen mehr Vertrauen in unseren Staat und in die Gesellschaft.
Meine Damen und Herren, bisher gibt es eine wachsende Grauzone bei Bund-LänderEntscheidungen. In weiten Teilen der Bevölkerung besteht der nicht unberechtigte Eindruck, beim Föderalismus handele es sich praktisch um ein System organisierter Verantwortungslosigkeit. Auch das ist ein Beispiel, um Politikverdrossenheit - so will ich es einmal nennen - zu schüren.
Ein abschreckendes Beispiel dafür, wie falsch es derzeit im Verhältnis von Bund und Ländern läuft, ist das Verhalten der Niedersächsischen Landesregierung im Bundesrat. Ministerpräsident Wulff blockiert in der Länderkammer aus rein taktischen Gründen wichtige Entscheidungen und schadet damit dem Land Niedersachsen.
Wir verlieren im Zeitraum 2003 bis 2006 1 Milliarde Euro, weil die Landesregierung durch ihre Blockadepolitik im Bundesrat jede Form von Subventionsabbau verhindert hat.
Ländern führen. Nun wird es darauf ankommen, diesen Wettbewerb so zu gestalten, dass auch finanzschwache Bundesländer eine faire Chance erhalten, in diesem Wettbewerb zu bestehen. Der Teufel steckt - wie immer - im Detail; denn der Konflikt geht auch quer durch die Länderreihen.
Ich möchte dazu ein Beispiel bringen: die Öffnungsklauseln im Beamtenrecht. Zu vermuten ist, dass die reichen Bundesländer künftig bessere Bezahlung und größere Aufstiegschancen für besonders qualifizierte und motivierte Beamte aus anderen Bundesländern anbieten und sie damit abziehen werden. Niedersachsen wird in diesem Wettbewerb nicht mithalten können, während die reichen süddeutschen Länder die Gewinner sein werden. Welche Folgen das für Niedersachsen hätte, kann sich wohl jeder vorstellen.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass es nicht allein um Entflechtung und Transparenz des Gesetzgebungsverfahrens zwischen Bund und Ländern geht. Vielmehr müssen die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern auf eine neue Basis gestellt werden - und das so schnell wie möglich. Dabei gebe ich meinen Vorrednern voll und ganz Recht.
Die Undurchschaubarkeit der Finanzströme führt häufig dazu, dass nicht mehr erkennbar ist, wer wofür zu bezahlen hat.
- Entschuldigung, ich meinte die FDP-Fraktion -; denn Sie haben ja den Antrag zu dieser Aktuellen Stunde eingebracht. Ich habe den Eindruck, Sie wollen offenbar an diesem Punkt auf die leichte Tour Ihre vermeintliche Eigenständigkeit betonen. Doch wie sieht diese aus? - Vor mehr als eineinhalb Jahren wurde von Minister Hirche die Initiative zum Bürokratieabbau groß angekündigt. Es sollten Schneisen in den Paragrafendschungel geschlagen werden. - Geschehen ist nichts.