Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

der Firmenbagger, mit dem am Wochenende ganz privat eine Baugrube ausgehoben wird, oder vieles mehr.

Es macht Sinn, Informationen über Unternehmen, die sich auf ungesetzliche Art und Weise Aufträge verschaffen oder verschaffen wollen, über ein Korruptionsregister der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Schon in früheren Jahrhunderten hat der Gesetzgeber mit der öffentlichen Zurschaustellung von Betrügern Erfahrungen gesammelt. Der Unterschied zur heutigen Zeit besteht jedoch darin, dass der Pranger früher auf dem Marktplatz gegenüber dem Brauhaus stand, aber heute bald im Internet zu finden ist.

Niedersachsen ist auf dem richtigen Weg, wenn wir die seit längerem stattfindenden Beratungen zur Einführung eines Korruptionsregisters in Berlin positiv begleiten.

(Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo über- nimmt den Vorsitz)

Nach der gesetzlichen Verankerung auf der Ebene des Bundes soll dann die Übernahme der betroffenen Regelungen in Niedersachsen erfolgen.

Auch andere Forderungen des vorliegenden Antrags werden bereits umgesetzt. So werden die positiven Erfahrungen aus der Arbeit der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Korruptionsverfahren in Hannover für den Aufbau weiterer Schwerpunktstaatsanwaltschaften wie z. B. in Braunschweig benutzt.

Die internen Kontrollsysteme in den Verwaltungen sind weiter gestärkt worden. Ebenso wird auf die Sensibilisierung der öffentlichen Beschäftigten viel Wert gelegt.

Das von Bündnis 90/Die Grünen geforderte Informationsfreiheitsgesetz oder die jährliche Unterrichtung des Landtages lassen sich jedoch mit unserer Politik des Bürokratieabbaus und der Verringerung des Verwaltungsaufwandes nicht unbedingt vereinen. In diesem Zusammenhang eine kleine Randbemerkung: Es steht fest, dass, je mehr Bürokratie geschaffen wird, auch die Korruption einen besseren Zugang in diese Bereiche hat.

(Beifall bei der CDU)

Zur Bekämpfung der vielen Arten der Korruption ist es unerlässlich, die Polizei stärker als bisher in die Lage zu versetzen, die Möglichkeiten der modernen Technik zu nutzen. Das ist jedoch nicht die Auffassung von Bündnis 90/Die Grünen.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Auch nicht die vom Bundesinnenminister?)

Wer sich also in berechtigter Weise dafür einsetzt, dass korrupte Unternehmen geächtet werden, der muss sich auch dafür einsetzen, dass die Fälle von Korruption aufgedeckt werden können.

Zum Abschluss meiner Rede noch ein Zitat des Journalisten Wolfgang Reus, welches uns zwar nicht in unserem Kampf gegen die Korruption entmutigen soll, sondern welches uns vielmehr unser gemeinsames Ziel deutlich vor Augen führen soll:

„Man kann Bestechung und Korruption wohl niemals ganz besiegen. Aber man kann wie in einem Teich den Wasserstand so niedrig halten, dass den Fröschen die Lust am Quaken vergeht.“

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Position der SPD stellt uns jetzt Frau Susanne Grote vor. Frau Grote, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bündnis 90/Die Grünen haben mit dem vorliegenden Antrag ein weltweit sehr ernstes Thema der Kriminalitätsbekämpfung angesprochen. Es geht heute nicht um Einzelfälle oder konkrete Details in Niedersachsen und im restlichen Bundesgebiet, sondern darum, welche präventiven Maßnahmen wir in Niedersachsen treffen können, um Korruption wirksam entgegenzutreten.

Weit gefasst kann man Korruption als den Missbrauch einer Vertrauensstellung in einer Funktion in Verwaltung, Wirtschaft oder auch Politik definieren, um einen materiellen oder immateriellen Vorteil zu erlangen, auf den kein rechtlicher Anspruch besteht. Korruption bezeichnet alle Arten von Bestechung und Bestechlichkeit, Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung. Die Straftatbestände sind in

Deutschland in den §§ 331 ff. des Strafgesetzbuches geregelt.

Deutlich muss gesagt werden, dass die Regelung im Strafgesetzbuch auch Vorteile umfasst, die Dritten gewährt werden. Somit kann u. a. die Spendengewährung an öffentliche Körperschaften oder Parteien ein Einfallstor für Korruption sein.

Zunächst einmal müssen wir uns aber ins Bewusstsein rufen, dass Korruption nicht nur ein Kriminalitätsphänomen ist, das in erster Linie volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet. Ähnlich wie bei der Steuerhinterziehung, Herr Dr. Noack, kommt nicht nur ein Einzelner zu Schaden, sondern es betrifft die komplette Gesellschaft. Wir alle sind somit betroffen. Weiterhin müssen wir uns verdeutlichen, dass jede Meldung über Korruption das allgemeine Vertrauen in den Staat und in die öffentliche Verwaltung erheblich reduziert - nicht nur, wenn ein so genanntes schwarzes Schaf aus diesem Bereich an der Korruption beteiligt ist, sondern allein schon dadurch, dass wir der Korruption nicht in Gänze Herr werden.

Seit über zehn Jahren veröffentlicht die nichtstaatliche Organisation Transparency International weltweit Informationen rund um das Thema Korruption und Korruptionsbekämpfung, u. a. in welchem Ausmaß Korruption in verschiedenen Staaten durch Geschäftspersonen und Länderanalysten wahrgenommen wird. Der Index liegt zwischen 10 - frei von Korruption, was wir uns alle wünschen - und 0 - von Korruption extrem befallen -.

Deutschland liegt mit einem Punktwert von 8,2 zugegeben im oberen Bereich. Aber so richtig zufrieden stellen kann uns dieser Wert nicht, oder, meine Damen und Herren? Von den aufgelisteten 159 souveränen Staaten liegen wir mit der Bundesrepublik Deutschland auf Platz 16. So haben die nordischen Staaten Dänemark, Schweden und Norwegen eine wesentlich geringere Korruptionsrate zu verzeichnen. Mir ist bewusst, dass wir bei aller Anstrengung der Korruption nicht völlig Herr werden können. Aber Finnland sollte auch hier unser Vorbild sein. Denn Finnland hat einen Punktewert von 9,6, also eine kaum wahrnehmbare Korruption.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um aber Korruption wirksam bekämpfen zu können, müssen wir vor allen Dingen die einzelnen Bereiche kennen, in denen Korruption vorkommt. Hier kann u. a. das Bundeskriminalamt weiterhelfen. Die strafrechtli

chen Ermittlungsverfahren werden im Bundeslagebild Korruption des Bundeskriminalamtes aufgelistet. Demnach ist der Baubereich auf der so genannten Geberseite mit 43,1 % führend, gefolgt von den Dienstleistungsgewerben mit 15,4 % und dem Handwerk mit immerhin noch 12,4 %. Auf der so genannten Nehmerseite sind die Gesundheitsbereiche mit immerhin 18,8 % und die Baubehörden mit 18,7 % vertreten. Die privaten Betriebe sind mit 7,9 % ebenfalls auf der Nehmerseite zu finden.

Erschreckend ist - das macht das Bundeskriminalamt deutlich -, dass die Mehrzahl der aufgedeckten Fälle bereits eine mehrjährige korruptive Beziehung zwischen den Tatbeteiligten aufweist. Die Langjährigkeit und der vermeintliche Vorteil auf Geber- sowie auf Nehmerseite erschweren die Aufklärung der Korruptionsfälle umso mehr. Umso wichtiger ist eine effektive Präventionspolitik.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat in ihrem Entschließungsantrag eine Vielzahl von Punkten aufgezählt, die auf den ersten Blick geeignet erscheinen, Korruption nachhaltig einzudämmen. Aber der erste Blick reicht nicht immer aus. Wir sollten in der nachfolgenden Beratung die einzelnen Punkte sehr genau betrachten. Dabei darf eine gezielte Kosten/Nutzen-Analyse nicht fehlen. Ich sage dies nicht ohne Grund; denn in Nr. 4 wird gefordert, das Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg zu bringen. Insbesondere hierdurch befürchtet die SPD-Fraktion vorab eine uneinschätzbare Kostenlawine auf die Kommunen zurollen. Einen weiteren Kostendruck auf die Kommunen werden wir aber nicht mittragen.

(Beifall bei der SPD - Hans-Christian Biallas [CDU]: Sehr gut!)

Zum Schluss habe ich noch eine Bitte. Es wurde schon angesprochen: Hier in Niedersachsen verfügen wir über ein Internetangebot, in dem Hinweisgeber, die Korruption anzeigen, anonym bleiben können. Mir sind bisher noch keine Ergebnisse bekannt. Ich gehe davon aus, dass wir im Rahmen der Beratungen über diese Ergebnisse verfügen können.

Insgesamt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wünsche ich uns für alle Menschen, die hier in Niedersachsen leben, eine erfolgreiche Beratung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Als Nächster hat der Kollege Professor Zielke von der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Korruption ist eines der größten Übel in einer Gesellschaft, die sich auf Vertrauen, Gerechtigkeit und Sicherheit des Rechtsstaates gründet. Deshalb begrüßen wir Freie Demokraten die Beschäftigung mit dem Problem Korruption, die durch den Antrag der Grünen angestoßen worden ist. Davon ganz unabhängig zu betrachten ist die Frage, ob die diversen in dem Antrag genannten Maßnahmen tatsächlich zielführend sind, d. h. geeignet sind, die Korruption besser als schon bisher zu bekämpfen.

Vier Minuten Redezeit reichen auch nicht annähernd aus, um die angesprochenen Einzelmaßnahmen und die vielfältigen Folgefragen, die mitgeklärt werden müssen, in angemessener Tiefe auszuloten. Das muss den sicherlich sehr ausgiebigen Beratungen vorbehalten bleiben. Auf einige Aspekte sei trotzdem kurz hingewiesen. Die Nrn. 5, 6 und 8 des Antrags sind richtig, wenn auch teilweise appellativer Natur. Wie man Planung, Überwachung und Ausführung öffentlicher Vorhaben innerhalb einer Verwaltung, etwa einer Gemeinde, in verschiedene Hände legen und zugleich noch halbwegs effiziente, schlanke Verwaltungsstrukturen aufrechterhalten will, erschließt sich mir nicht. Insoweit sehe ich praktische Schwierigkeiten, insbesondere in kleinen Gemeinden.

Ich habe auch meine Zweifel, ob ein regelmäßiger Korruptionsbericht der Landesregierung tatsächlich mehr bringt als jeweils nur den Anlass zu einem oberflächlichen Geplänkel im Landtag.

Sensibilisierung der Beschäftigten ist immer gut. Der Corporate Governance Kodex ist eine gute Richtschnur.

Ob ein niedersächsisches Informationsfreiheitsgesetz speziell für die Korruptionsbekämpfung Erfolge bringen würde, ist mir nicht deutlich. Ich glaube kaum, dass Bestechungsvorgänge in allgemein zugänglichen Akten schriftlich niedergelegt werden.

Ich komme zu dem eigentlichen Punkt, nämlich dem nationalen oder auch landesweiten Korruptionsregister. Wir haben seit 2000 in Niedersachsen ein Korruptionsregister, allerdings durch Erlasse

etabliert und nicht durch Gesetz. Ob dieses Instrument tatsächlich so untauglich ist, wie Sie in der Begründung behaupten, wäre noch zu klären. Register von so weit reichender Verbindlichkeit, wie sie Ihnen offenbar vorschweben, sind allerdings mit erheblichen Problemen belastet. Nicht nur der Zeitraum, für den ein Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden soll, muss geregelt sein. Soll das im Rahmen der Strafzumessung von den Gerichten entschieden werden, oder ist an eine generelle Regelung gedacht? Und wie effizient ist die Maßnahme, wenn der Übeltäter einfach ein neues Unternehmen gründet oder von Strohmännern gründen lässt? Und wie fair ist ein solches Verfahren, der Ausschluss von weiteren Aufträgen, den Mitarbeitern einer Firma gegenüber, in der einzelne Personen im Namen der Firma korrupt gehandelt haben, während die Mitarbeiter völlig unschuldig sind und trotzdem wegen ausbleibender Aufträge den Arbeitsplatz verlieren? Grenzt das nicht fast an Sippenhaft?

Teilen die Antragsteller den Standpunkt von Justus Woydt, dem stellvertretenden Vorsitzenden von Tranparency International Deutschland? Ich zitiere:

„Die Vorstellung, in ein solches Korruptionsregister könnten nur Firmen aufgenommen werden, die rechtskräftig verurteilt sind, entzieht einem solchen Register jegliche Grundlage.“

Im Rechtsstaat galt bisher für jeden Angeklagten bis zu seiner Verurteilung die Unschuldsvermutung. Würde man aber Transparency Deutschland folgen, stellte sich die spannende Frage, nach welchen Kriterien sonst die Aufnahme in das Register erfolgen soll. Soll Denunziation ausreichen oder der begründete Verdacht oder die Einleitung einer staatsanwaltschaftlichen Ermittlung? Und soll es verschiedene Kategorien von Eintragungen geben? - Fragen über Fragen.

Zum Schluss noch eine Sache, die mich wirklich geärgert hat. Sie benutzen in Ihrer Begründung schlankweg den Begriff „korruptionsanfällige Bauindustrie“. So geht das nicht! Sie können nicht einfach einen ganzen bedeutenden Industriezweig unseres Landes unter Generalverdacht stellen!

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie sollten sich bei der Bauindustrie öffentlich entschuldigen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Als Nächster hat sich der Innenminister gemeldet. Herr Schünemann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus der Sicht der Landesregierung hat die Bekämpfung der Korruption eine große Bedeutung; denn Korruption und Wirtschaftskriminalität ist ein Kriminalitätsfaktor, der volkswirtschaftlich den größten Schaden verursacht. Deshalb müssen wir hier sehr intensiv dagegen vorgehen. Deshalb haben wir auch als Landesregierung sehr schnell darauf reagiert. Das ist teilweise schon angesprochen worden. Erstens haben wir im Rahmen der Umorganisation der Polizei zentrale Kriminalinspektionen gebildet, in denen wir die Bekämpfung der Korruption und der Wirtschaftskriminalität zentralisiert haben. Das ist ein sehr wichtiger Schritt, um auf diesem Gebiet noch erfolgreicher zu sein. Zweitens wurde im Landeskriminalamt Niedersachsen eine Zentralstelle Korruption eingerichtet. Auf den „Business-Keeper“ ist schon hingewiesen worden. Ich habe die Erfolge bereits dargestellt, würde Ihnen die Ergebnisse aber auch gerne zur Verfügung stellen oder sie Ihnen im Ausschuss darlegen.

Meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, Herr Briese, Sie haben die acht Forderungen beschrieben, die Sie aufgestellt haben. Drei Viertel dieser Forderungen haben wir bereits umgesetzt bzw. befinden sich in der Umsetzungsplanung. Lassen Sie mich kurz im Einzelnen darauf eingehen.

Die Nrn. 1 und 2 betreffen das Korruptionsregister. Sie wissen, dass ein entsprechender Gesetzentwurf auf Bundesebene bereits vorgelegt worden ist. Aufgrund der vorgezogenen Bundestagswahl ist dieser Gesetzentwurf nicht verabschiedet worden. Ich gehe davon aus, dass die neue Bundesregierung dieses Gesetzesvorhaben wieder auf den Tisch bringt und dass dieses Gesetz dann auch hoffentlich verabschiedet wird; denn ich meine, dass das durchaus ein richtiger Weg ist. Allerdings kommt es auf die Details an. Darauf hat Herr Dr. Zielke schon hingewiesen.