Protokoll der Sitzung vom 11.11.2005

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb haben sich neben Freunden und der Kirche auch viele Abgeordnete im Saal für diese Fa

milie eingesetzt. Auch die Landesbischöfin Käßmann hat mit mir gemeinsam an den Ministerpräsidenten geschrieben.

Aber, meine Damen und Herren, letztlich machen Sie die Zukunft dieser Familien und vor allem die Zukunft dieser Kinder von einem einzigen Kriterium abhängig: Das ist die Frage des Aufenthaltsrechts, auf die wir das bislang reduziert haben. Das ist absurd; denn hier geht es um Humanität. Ich möchte Sie daran erinnern, dass gerade diese Familie beispielhaft für die Menschen steht, die wir in unserem Land haben möchten und die wir dringend brauchen: gut integrierte Menschen, die bereit sind, sich in unsere Gesellschaft einzufinden, die ihren Beitrag leisten. Ich bitte Sie dringend, Ihre Position noch einmal zu überdenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für uns ist es nicht vertretbar, diese Familie abzuschieben. Wir sagen ganz klar: Nein! - Bitte stimmen Sie mit uns für einen Aufenthalt dieser Familie hier in Deutschland! - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zu der gleichen Eingabe hat sich für die FDPFraktion Herr Kollege Bode zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jede Petition in den aufenthaltsrechtlichen Bereichen stellt immer ein schwieriges Einzelschicksal dar. Ich glaube, ich spreche für alle Fraktionen, wenn ich sage, dass wir uns jedes Einzelschicksal wirklich zu Herzen nehmen und intensiv im Petitionsausschuss und auch in der Härtefallkommission, die sich dem anschließt, prüfen, anschauen und betrachten.

Wir können feststellen, dass es in vielen Situationen Probleme gibt, bei denen auch das Zuwanderungsgesetz, das sich ja geändert hat, die abschließende Lösung noch nicht beinhaltet. Deshalb begrüßen wir es, dass Niedersachsen genauso wie Nordrhein-Westfalen versucht, eine neue, in vielen Dingen menschlichere Regelung zu finden, insbesondere für diejenigen, die hier in Deutschland geboren und aufgewachsen sind.

Wir freuen uns und begrüßen es, dass das Innenministerium und auch die Ausländerbehörden vor Ort versucht haben und Angebote gemacht haben, Möglichkeiten für Neli, also für die Kinder, zu finden, um es ihnen hier bzw. in Bulgarien erträglicher zu machen.

Bei der Wertung dieses Falls kann ich für uns und auch für die CDU-Fraktion sagen, dass der Kollege Horn die Sachlage sehr gut und sehr sachlich dargestellt hat. Wir kommen in der Bewertung zu der gleichen Erkenntnis wie die SPD-Landtagsfraktion: In diesem Fall ist - das haben wir uns heute noch einmal vom Innenministerium bestätigen lassen kein neuer Sachstand eingetreten, der unsere Entscheidung heute noch hätte ändern können. Wir können daher nur auf „Sach- und Rechtslage“ plädieren, so schwer uns das in allen Einzelfällen auch fällt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Möhrmann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bode, ich meine, in der Beurteilung der Rechtslage sind wir nicht auseinander. Der Kollege Horn hat das sicherlich zutreffend dargestellt.

Sie werden sich daran erinnern, dass wir bei unserer letzten Zusammenkunft der Geschäftsführer darüber geredet haben, ob es nicht sinnvoll sein könnte, die Frage solcher Petitionen, bei denen es, wie gesagt, um junge Leute geht, die in Deutschland geboren sind, intensiver auch in den Fraktionen zu diskutieren. Deswegen wäre meine Bitte - ich kann es auch beantragen -, dass wir diese Eingabe wie auch die anderen, die vorhin genannt worden sind, noch einmal in den Petitionsausschuss zurückgeben, weil es möglicherweise bis dahin schon Entscheidungen auch in Ihren Fraktionen gibt, die diese Sachlage dann doch anders beurteilen, obwohl die Rechtslage eindeutig ist, was ich noch einmal bestätigen will. Auch der Präsident des Landtages hat ja gesagt, dass es in der Vergangenheit Fälle gegeben hat, bei denen man nach längerem Nachdenken möglicherweise doch eine andere Entscheidung hätte treffen können. Deswegen meine Bitte: Lassen Sie uns diese Petition noch einmal zurückgeben und im Lichte der

dann gewonnenen Erkenntnisse im Dezember neu darüber beraten!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Möhrmann. Ich werte das als Antrag. Bei der Abstimmung komme ich darauf zurück.

Zu der Petition 2250 liegt mir eine Wortmeldung der Kollegin Merk vor. Frau Merk, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde es Ihnen nicht leichter machen können. Auch dieser Fall wird Sie sicherlich berühren; mich jedenfalls berührt er.

Es geht um Zeynap Bulut. Zeynap Bulut ist 1992 im Alter von vier Jahren zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern als Flüchtling aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Das ist eine kurdische Familie. Zeynap besucht den Kindergarten, freundet sich mit den Kindern an, kommt zur Schule, macht den Hauptschulabschluss und spricht fließend Deutsch. Sie lässt sich zum Konfliktlotsen ausbilden und schlichtet unter den Schulkameradinnen und Schulkameraden. Sie zeigt sich, wie die Schule mitteilt, als hervorragend integriert.

Nun möchte sie eine Berufsausbildung machen, aber das wird ihr verwehrt. Sie macht stattdessen das Berufsgrundbildungsjahr in Körperpflege. Eine Arbeitserlaubnis erhält sie nicht.

Da alle Asylverfahren rechtskräftig negativ abschlossen sind und sie gerade volljährig geworden ist, soll sie in die Türkei zurück. Ihre Eltern, aber auch die weiteren minderjährigen Geschwister dürfen hier bleiben. Ihnen ist im Zusammenhang mit der schweren Krankheit des Vaters eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden. Der Vater leidet noch heute unter schwer erlittener Folter und schwierigsten Nachwirkungen. Die Nachwirkungen haben sich nun bei Vater und Mutter enorm, bis zu einem Trauma, verstärkt; denn einer der zwei inzwischen volljährig gewordene Brüder von Zeynap wurde am 21. Dezember 2004 abgeschoben, weil er 18 Jahre alt geworden war. Der andere ging freiwillig, weil er etwas über 18 Jahre alt war. Die Mutter ist verzweifelt, weil sie erkennen kann: Auch das nächste Kind, Feyzulah - sie ist über 17 Jahre

alt -, wird wie die beiden anderen davor in Kürze abgeschoben werden. So setzt sich die Kette für eine Familie in bitterster Form fort. Der Familie wird durch die Volljährigkeit der Kinder der Reihe nach der Garaus gemacht.

Meine Damen und Herren, ich habe mich lange mit diesem Fall befasst; es trifft einen tief. Die Untersuchungen über die beiden Söhne, die in der Türkei leben, sind verheerend. Wir haben Bilder vorliegen. Sie leben unter schlimmsten Umständen zu acht in einem kleinen Zwei-Zimmer-Laden und müssen die Matratzen vermieten, um sich den Unterhalt zu verdienen. Wenn dieses Mädchen mit 18 Jahren als Kurdin unter acht Männer zurückkommt, dann wird sie - wir haben über Zwangsheirat gesprochen - in eine schlimme Situation kommen.

Ich bitte Sie inständig, diesen Fall, den wir als Härtefall ansehen, den auch die Härtefallkommission mehrheitlich so gesehen hat - den Eltern werden durch die Volljährigkeit der Reihe nach die Kinder entzogen -, noch einmal zurückzustellen, damit wir die Möglichkeit haben, noch einmal darüber nachzudenken. Dieser Gedankengang ist bereits hier erörtert worden. Die Innenministerkonferenz wird sich im Dezember mit diesen Fragen befassen, weil das ein nicht gelöstes Problem ist. Das wäre meine sehr dringende Bitte an Sie.

(Beifall bei der SPD)

Zu dieser Petition liegt keine weitere Wortmeldung vor. Es gibt zwar noch eine Wortmeldung von der SPD-Fraktion. Aber, Herr Kollege Voigtländer, die SPD-Fraktion hat ihre Redezeit bereits überschritten. - Nun hat Herr Böhlke das Wort zur Petition 1119.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Stichwort „Härtefälle“ steht heute im Mittelpunkt unserer Diskussion. Ich möchte daran erinnern, dass mit Wirkung vom 1. Januar 2005, also vor elf Monaten, eine neue gesetzliche Grundlage geschaffen worden ist. Die entsprechenden Diskussionen und Entscheidungen des Bundestages und des Bundesrates waren langwierig. Sowohl die Mehrheit von Rot-Grün im damaligen Bundestag als auch die Mehrheit im Bundes

rat haben einen verbindlichen rechtlichen Weg vorgegeben.

Innenminister Schily hat damals sehr deutlich gemacht, dass es wenige Härtefälle geben wird, weil in den gesetzlichen Vorgaben und den rechtlichen Bestimmungen ein sehr eindeutiger Kriterienkatalog vorgegeben worden sind. Er hat auch eine Zahl genannt: Im Durchschnitt erwartete Schily, dass es in der Bundesrepublik Deutschland etwa 100 Fälle geben wird, die aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht klar dargestellt werden können und möglicherweise Härtefälle sind. Insofern würde es in Niedersachsen - statistisch betrachtet - etwa zehn Fälle geben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bereits in der Vergangenheit haben wir - auch ohne die Einsetzung einer Expertengruppe, die sich zusätzlich zum Petitionsausschuss mit diesem Thema befasst - mehrere Einzelfälle als Härtefälle deklariert, oder unser Ausschuss hat im Vorfeld erreichen können, dass bestimmte Probleme zwischen dem Innenministerium und den zuständigen Ausländerbehörden vor Ort so geklärt werden konnten, dass den Anliegen zumindest teilweise oder auch ganz entsprochen werden konnte.

Meine Damen und Herren, wir haben als Petitionsausschuss die grundsätzliche Aufgabe zu erfüllen, eine Gleichbehandlung zu gewährleisten. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es in unserem demokratischen Rechtsstaat eine Rechtsgrundlage gibt und diese Menschen den Rechtsweg natürlich voll ausschöpfen, sodass es teilweise zehn Jahre oder noch länger dauert, bis verbindliche und endgültige Entscheidungen getroffen sind.

Wir haben auch daran zu denken, dass es viele Menschen gibt, die die Entscheidungen der deutschen Gerichte akzeptiert haben und wieder zurück in ihre Heimat gegangen sind. Fälle wie der Fall Bulut machen deutlich, dass man in der Bundesrepublik Deutschland mit 18 Jahren volljährig ist und dass mit der Volljährigkeit in unserem Rechtsstaat auch ganz bestimmte Entwicklungen - als rechtliche Position dargestellt - verbunden sind.

Dazu zählt, dass ein Kind, das zu seiner Familie gehört und bisher ihrem Schutz unterstand, ab dem Zeitpunkt seiner Volljährigkeit rechtlich anders zu bewerten ist. Sie erinnern sich sicherlich daran, dass wir hier entsprechende Diskussionen erlebt

und in solchen Fällen Personen bereits zurückgeschickt haben, da aus der Zugehörigkeit zur Familie dann kein Aufenthaltsrecht abgeleitet werden kann.

Zum Abschluss möchte ich noch auf eines hinweisen, meine Damen und Herren: Wir müssen uns grundsätzlich darüber verständigen, dass es auch die Aufgabe von Eltern ist, ihre Kinder, die aufgrund unserer Rechtsgrundlagen nicht langfristig in der Bundesrepublik Deutschland bleiben können, so darauf vorzubereiten, in ihre Heimat zurückzukehren, dass sie keinen Schaden nehmen. Es ist nicht nur unsere Aufgabe, dies zu bewerten, sondern es ist auch unsere Aufgabe, dies einzufordern. Das tue ich hiermit.

(Elke Müller [SPD]: Sie sind ja sehr menschlich!)

Meine Damen und Herren, nun noch ein Wort zum erstgenannten Fall. Dem Antrag von Herrn Möhrmann, das erneut zu beraten, wollen und können wir nicht folgen. Wir haben uns mit diesem Fall sehr viel Mühe gegeben und sehr intensiv darüber diskutiert. Es gibt keine neuen Aspekte. Diese Situation, so beklagenswert sie ist, ist durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen eingetreten. Vor diesem Hintergrund sind wir - auch in Absprache mit der FDP-Fraktion - der Auffassung, dass es keinen Sinn macht, hier ein Zeichen zu setzen und die Entscheidung noch einmal zu vertagen. Wir können nicht erkennen, dass es neue Argumente gibt, die eine andere Bewertung als „Sach- und Rechtslage“, wie von Herrn Horn vorgetragen, zur Folge haben könnten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen einzeln über die Eingaben ab. Ich rufe sie einzeln und nur bei gleichem Sachinhalt im Block auf. Vom Grundsatz her lasse ich zunächst immer erst über den Änderungsantrag und dann, falls dieser abgelehnt werden sollte, über die Ausschussempfehlung abstimmen. Es gibt allerdings eine einzige Ausnahme: Bei der ersten Petition lasse ich zunächst über den Antrag des Kollegen Möhrmann abstimmen.

(Zuruf von der SPD: Frau Merk hat auch einen Antrag gestellt! Zurück- überweisen!)

- Das war eine Bitte. Wenn Sie das aber als Antrag formulieren - ich sehe: Sie nicken -, dann verfahren wir so.

Zunächst kommen wir zur Eingabe 2411 (01 bis 04). Hier geht es um die Aufenthaltserlaubnis für eine Familie aus Bulgarien. Hierzu liegt ein Antrag der SPD-Fraktion vor: Zurücküberweisung an den Petitionsausschuss. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Danke schön.

Zu dieser Petition liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, der „Berücksichtigung“ lautet. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses: Sach- und Rechtslage. Wer so beschließen möge, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen gibt es nicht. Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden: Sach- und Rechtslage.

Ich rufe die Eingabe 2207 auf: Erlassentwurf „Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten in Lesen, Rechtschreibung oder Rechnen.“ Hier gibt es gleich lautende Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD, die auf „Berücksichtigung“ lauten. Wer so beschließen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Damit ist dem Änderungsantrag nicht gefolgt.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses. Sie lautet: Sach- und Rechtslage. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen sehe ich nicht. Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.

Ich rufe die Eingaben 2889 auf. Hier geht es um die Aufenthaltsgenehmigung für eine Familie aus dem Kosovo. Auch hierzu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Er lautet: Berücksichtigung. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag abgelehnt.