Da gehört so etwas schon dazu. Es reicht nicht, ein bisschen darüber zu reden „Die sind zu dick und unbeweglich; wir müssen einmal gucken, ob wir das über mehr Lehrer, über mehr Stunden usw. lösen können“. Herr Jüttner, wir sind auf dem Weg in eine grandiose Zivilisationskrankheit. Auf unsere Gesellschaft kommt ein Riesenproblem zu, weil die Kinder zu dick und zu unbeweglich sind. Das hat verschiedene Ursachen, die im Elternhaus beginnen. Weil das später zu Haltungsschäden, Herzkrankheiten, Kreislaufproblemen, Stoffwechselkrankheiten, Zuckerkrankheiten usw. führen kann, ist es jetzt wirklich an der Zeit - weil es bundesweit so noch nicht geschehen ist -, einen flächendeckenden Feldversuch durchzuführen und ein ganzes Land daraufhin zu überprüfen, in welchem Gesundheitsbzw. Beweglichkeitszustand sich seine jungen Menschen befinden.
Das kriegt man nur hin, wenn man in einer groß angelegten Aktion erst einmal eine Bestandsaufnahme durchführt. Das Ziel ist, bei 500 000, 600 000 oder 700 000 Schülerinnen und Schülern den Status quo zu ermitteln. Das kann nur ein Institut wie das WIAD. Andere können das nicht. Dazu sage ich Ihnen gleich noch etwas.
Man merkt auch, wie über diese Übungen nachgedacht wird. Die hat zum Teil schon Turnvater Jahn durchgeführt. Auch bei der Bundeswehr - Sie waren ja da - gab es Zirkeltraining und andere Dinge. Von daher kennen wir solche Dinge auch. Es geht jetzt aber nicht um sportpädagogische Spielereien, sondern darum, medizinisch richtige Übungen, auch leichte Übungen, anzubieten. Sie müssen aber zu einem entsprechenden Erkenntnisstand führen. Mit diesen Übungen wird geprüft: Wie beweglich sind die Schülerinnen und Schüler? Wie ist die Motorik? Wie ist die Kondition? Wie sind die Gewichtsverhältnisse? - Auf diese Weise kann man die notwendigen Erkenntnisse gewinnen.
Im Vorfeld gab es große Zustimmung: Jawohl, das muss endlich mal gemacht werden. - Dann aber ging das Kleinkarierte los. Das ist keineswegs eine Show-Veranstaltung. Ich fand da vieles kleinkariert.
Zunächst einmal zu den Kosten. Um einen solchen Versuch neu zu entwickeln und auf die Beine zu stellen, meine Damen und Herren, müssen pro Schüler 500 bis 1 000 Euro aufgewendet werden. Insofern waren wir froh, dass wir auf WIAD zurückgreifen konnten. Die jährlichen Kosten betragen 200 000 Euro. Das ist nicht ausschreibungspflichtig. Darin stecken null Euro Landesgeld. Sponsoren haben das Ganze gefördert - aus guten Gründen. Denen wird es jetzt madig gemacht. Ursprüngliche Initiatoren waren der Deutsche Sportbund, die AOK und andere. Die haben gesagt: Endlich macht das mal jemand.
Ich will Ihnen sagen: Das Sportinstitut aus Hannover hat sich zu Wort gemeldet - mit einem blamablen Schreiben, wie ich finde. Das will ich Ihnen einmal ganz deutlich sagen.
Der Tenor war: Im Kern ist alles richtig, aber wir können es natürlich viel besser. - Ich will Ihnen sagen: Bei diesem Sportinstitut - der Wissenschaftsminister ist gerade nicht da - können Sie sich ohne Aufnahmeprüfung anmelden. Sie können dort, ohne die Rolle vorwärts zu beherrschen,
- Ja, ja, jetzt haben Sie ein Thema. - Dann sagen die einen: Oh Gott, das ist gefährlich. Die Kinder können sich die Nase brechen. - Dann kommen Sportpädagogen und eifersüchteln, das ist zu sportmedizinisch angelegt, es ist alles falsch. Dann kommt das große Thema Datenschutz. Herr Poppe, Sie haben völlig Recht mit Ihrem Hinweis auf den Papierwust: Noch eine Information, noch ein Blatt usw. - Der Datenschutz fordert uns das ab. Ich finde es wirklich nicht toll, die Schulen mit solchen Papieren und Aufklärungsschreiben zu belämmern. Das entspricht aber dem Datenschutz, der gefordert wird. Ich bin dafür dankbar, dass der Datenschutzbeauftragte bei allen Anwürfen Klarheit geschaffen hat. Hier ist die individuelle Datenschützerei gesichert. Absolut.
Es geht um das Gesamtergebnis, nicht aber etwa um Einzelergebnisse. Ich sage Ihnen: Es fällt kein Sportunterricht aus. Das ist Sport; genau so wie eine Unterrichtsstunde, die meinetwegen auf die Bundesjugendspiele vorbereitet. Da fällt nichts aus.
Ich möchte auch noch etwas zum Thema Bürokratie sagen. Unsere geschätzten Sportlehrer sind nicht mit Bürokratie überlastet. Damit werden die auch noch fertig. Was Sie da ständig kolportieren, kann ich gar nicht nachvollziehen.
Wissen Sie, was mir in diesem Zusammenhang auffällt? - Wie war es vor 50 Jahren, als wir in Deutschland die TB bekämpfen mussten und flächendeckende Röntgenreihenuntersuchungen verordnet haben, als flächendeckende Impfungen gegen Pocken und Kinderlähmung durchgeführt worden sind, um schweren Krankheiten zu begegnen? - Damals gab es in der Gesellschaft einen Konsens, und man hat gesagt: Jawohl, das machen wir, um der Sache Herr zu werden. - Ich befürchte, heute kriegen wir so etwas gar nicht mehr hin, weil es Individualrechte gibt, weil alles überreguliert ist und weil es Egoismen gibt. Warum sollen
wir das überhaupt machen? - In Deutschland soll ja demnächst eine Volkszählung stattfinden. Ich sehe die Institute schon kommen: Das sind die falschen Fragen, das ist die falsche Methodik, die Persönlichkeitsrechte sind betroffen usw. usf. - Ich ahne es. Der Bundesinnenminister wird es möglicherweise nicht hinkriegen.
Zu unserem Verfahren will ich Ihnen sagen: Der Test läuft Ende der Woche aus. In der nächsten Woche erwarten wir die letzten Ergebnisse. Bislang sind 200 000 bis 300 000 Ergebnisse eingetroffen. Von der Gesamtauswertung, die ich für Januar ankündigen darf, werden erhebliche Erkenntnisse darüber zu erwarten sein, wie der Status quo in Niedersachsen insgesamt aussieht, welche regionalen Unterschiede es gibt, wie wir im Bundesvergleich dastehen, wie es mit Sportstättenangeboten und all diesen Dingen aussieht, wie es um das Ernährungsverhalten in den Familien bestellt ist und vieles mehr. Es wird eine gesamtgesellschaftliche Diskussion geben. Dabei geht es nicht nur um ein paar zusätzliche Stunden Schulsport, sondern wir müssen da gemeinsam ein gewaltiges Problem lösen. Ich sage an dieser Stelle schon einmal ungeschützt: Nach einem ersten vorsichtigen Trend wird der Fitnessstatus der niedersächsischen Schülerinnen und Schüler den Bundesdurchschnitt wohl nicht erreichen. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu dem Tagesordnungspunkt 3 a liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Mir liegt jetzt noch eine Wortmeldung des Kollegen Dr. Winn vor. Er hat sich nach § 76 unserer Geschäftsordnung zu einer persönlichen Bemerkung gemeldet. Herr Kollege Winn, ich lese diesen Paragrafen einmal vor:
„Einem Mitglied des Landtages, das sich zu einer persönlichen Bemerkung zum Wort gemeldet hat, ist das Wort auch nach Schluss der Besprechung zu erteilen. Das Mitglied des Landtages darf in der persönlichen Bemerkung nur Angriffe zurückweisen, die in der Aussprache gegen es gerichtet wurden, oder eigene Ausführungen
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Lenz, dass gerade Sie hinter meiner Funktion als Vorsitzender dieses Institutes Korrumpei und Filz vermuten, wundert mich überhaupt nicht. Das als Eingang.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Heiner Bartling [SPD]: Wissen Sie überhaupt, wer geredet hat? - Axel Plaue [SPD]: Sie wissen ja noch nicht einmal, wer geredet hat!)
Weiterhin möchte ich Folgendes dazu sagen: Ich bin seit einigen Legislaturperioden Vorsitzender des Gemeinnützigen Vereins, der das WIAD trägt ehrenamtlich. Das heißt, ich sehe die Mitglieder dieses Vereins einmal im Jahr. Von dem operativen Geschäft verstehe ich ohnehin nichts. Beim WIAD handelt es sich um ein hoch qualifiziertes Gesundheitsforschungsinstitut, das sich gerade auf solche Sachen spezialisiert hat. Ähnliche Untersuchungen gibt es schon aus den Jahren 1997 und 2000. Herr Minister Busemann hat es gerade ausgeführt.
Außerdem möchte ich der Vollständigkeit halber noch sagen: Über die Planung einer Fitnesslandkarte Niedersachsen habe ich erst nach der Kontaktaufnahme des Kultusministeriums mit dem Institut erfahren nach dem Motto: Wir machen jetzt auch etwas mit Niedersachsen. - Weiter habe ich damit überhaupt nichts zu tun.
Eines muss ich Ihnen noch sagen, verehrte Grüne: Man kann auch einmal das Internet benutzen und auf die Homepage des Institutes schauen. Dann wird man sehen, dass die Fitnesslandkarte - wie der Minister schon ausgeführt hat - aus Sponsorengeldern finanziert wird. Mit Ausschreibungen hat das aber überhaupt nichts zu tun. Das muss man einfach einmal begreifen. Es nützt überhaupt nichts, die Geschwindigkeit zu erhöhen, wenn man in die falsche Richtung läuft.
Herr Kollege Winn, ich muss eine Ihrer Bemerkungen berichtigen. Der Herr Kollege Lenz hat hier gar nicht gesprochen - er hat sich dazu auch gar nicht geäußert -, sondern es war der Kollege Poppe. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. Vielleicht haben Sie ja die Gelegenheit, diese Geschichte draußen an der Kaffeebar zu klären. Ich wollte das von mir aus klarstellen.
Bevor ich den Tagesordnungspunkt 3 b aufrufe, möchte ich - es geht ja auch um Ansprechpartner auf der Regierungsbank als neuen Staatssekretär den ehemaligen Kollegen Ripke und auf der anderen Seite die neue Staatssekretärin Dr. Christine Hawighorst begrüßen. Herzlich willkommen in unseren Reihen!
b) Wennemer-Kapitalismus - Die soziale Marktwirtschaft steht auf dem Spiel - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2448
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Unternehmen Conti ist ökonomisch auf der Erfolgspur, wie zunehmende Gewinne und erhöhte Dividenden ausweisen. Diesem Weltkonzern sind Ortsbindung, Tradition sowie Verantwortung für Beschäftigte und Angehörige leider immer mehr zu Fremdworten geworden. Herr Wennemer exekutiert die Logik einer internationalen Ökonomie, die mit der Tradition der sozialen Marktwirtschaft brutal gebrochen hat.
Demgegenüber erleben wir eine elektrisierte Öffentlichkeit, eine Belegschaft und Betriebsräte, die ihr Entgegenkommen schamlos ausgenutzt sehen,
Wir alle, meine Damen und Herren, reagieren mit moralischen Appellen an die ethische Verantwortung der ökonomischen Elite. Das ist richtig und notwendig. Vielleicht mildert es auch das Ergebnis bei Conti. Auch wir sind über die ökonomische Skrupellosigkeit von Herrn Wennemer entrüstet.
Meine Damen und Herren, es geht aber nicht nur um Moral. Die soziale Marktwirtschaft ist vorrangig eine zutiefst ökonomische Kategorie. Das Prinzip der Freiheit auf dem Markt ist mit dem des sozialen Ausgleichs und der sittlichen Verantwortung jedes Einzelnen dem Ganzen gegenüber zu verbinden, um Ludwig Erhard zu zitieren. Bei Conti wird dieser Ausgleich, wird diese Balance mit Füßen getreten
zur Freude der Aktionäre und zum Leidwesen der Beschäftigten. 23 % Steigerung werden für die DAX-Unternehmen als Dividende für 2005 prognostiziert. Ich bin mir sicher: Überzogenes kurzfristiges Renditestreben hat einen hohen ökonomischen Preis.