Die Frage, die Sie gestellt haben, habe ich im Grunde genommen in der Antwort auf die Dringliche Anfrage im ersten Teil bereits beantwortet.
Dabei ging es um die Stellungnahme zu den grundsätzlichen, allgemeinen Bleiberechtsregelungen, für welche die große Mehrheit der Innenministerkonferenz für die Zukunft keinen Bedarf sieht, u. a. mit dieser Begründung und, liebe Frau Polat, auch vor dem Hintergrund, dass es sich immer wieder um Personengruppen handelt, die illegal eingereist sind. Sie dürfen das dabei nicht außer Acht lassen. Es geht um die allgemeine Bleiberechtsregelung.
Wenn es um die jungen Menschen und die jungen Heranwachsenden geht - ich weise an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hin -, dann sollten Sie bedenken, dass man den jungen Menschen, die ohne Verschulden irgendwelcher anderer Personen in bestimmte Situationen kommen und dadurch langjährig hier den Aufenthalt haben, hier integriert sind, hier ihre Schulbildung haben, hier ihre Ausbildung haben, eine zusätzliche Möglichkeit eröffnet. Dagegen können Sie doch nicht sein.
Frau Präsidentin! Ich frage die Landesregierung, ob sie sich von ihrem sonst immer hoch gehaltenen Ziel des Schutzes und der Förderung der Familie verabschiedet hat, um Herrn Schünemann die Möglichkeit zu geben, jetzt die Trennung von Flüchtlingskindern von ihren Eltern zu betreiben.
Herr Hagenah, ich möchte hinsichtlich der Terminologie darauf hinweisen, dass wir hier zwar von Kindern in dem Sinne sprechen, dass es Kinder der Eltern sind.
- Aber, Herr Hagenah, wir sprechen hier nicht von unter 14 Jahre alten Kindern, sondern von Jugendlichen - von 15 Jahren an aufwärts - und jungen Erwachsenen bis 21 Jahre, die nach geltendem Recht mit Ihrer Zustimmung im Bund bereits jetzt die Möglichkeit haben, im Rahmen dieser Option ohne Eltern hier in Deutschland zu leben. Wir sagen: Es kann für diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen keinen Unterschied machen, ob sie hier vorher rechtmäßig gelebt haben oder ob ihnen das Fehlverhalten ihrer Eltern zu ihrem Nachteil angelastet werden soll. Das ist der Unterschied.
Frau Ministerin, Sie begrüßen hier ausdrücklich mit Verweis auf die Versorgungslasten, dass es zu keiner allgemeinen Bleiberechtsregelung kommt. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund Forderungen von Wirtschaftsverbänden, die sich im Hinblick auf die Problematik der demografischen Entwicklung und der Rentenkassen ausdrücklich für eine allgemeine Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge aussprechen, weil dann in die Gewinn- und Lastenrechnung eingerechnet wird, dass für diese Flüchtlinge bereits Integrationsleistungen im Sinne von Schulausbildung usw. erbracht worden sind und sie selbst auch eine Integrationsleistung erbracht haben und Deutsch als Muttersprache sprechen usw. Das heißt, unter Kosten/NutzenAspekten macht es überhaupt keinen Sinn, sie zurückzuschicken. Da funktioniert auch Ihre Rechnung nicht.
Frau Heinen-Kljajić, ich meine, dass man diese Problematik nicht nur unter Kosten/NutzenGesichtspunkten betrachten kann. Das ist meine persönliche Auffassung.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Dazu ha- ben Sie eben aber lange ausgeführt!)
Ich bin der Meinung, dass man diese Problematik nicht nur unter Kosten/Nutzen-Gesichtspunkten beurteilen sollte. Man sollte diese Gesichtspunkte aber mit berücksichtigen, weil wir nicht nur für diese Personengruppe, die illegal nach Deutschland eingereist ist, sondern auch für die große Personengruppe verantwortlich sind, die sich legal in
Deutschland aufhält und auch einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz und eine Versorgung im Alter hat.
Vor diesem Hintergrund müssen wir sehen, um wen es sich handelt. Deshalb schauen wir uns die Personengruppen auch an. Es ist festgestellt worden - diese Feststellung habe nicht ich getroffen; ich gebe sie nur wieder; ich gehe davon aus, dass sie richtig ist -, dass es für diese Persongruppen - deshalb auch dieser mögliche Verdrängungsprozess, der bei der Bleiberechtsregelung auf Probe eine Rolle spielen könnte - überwiegend Angebote zur Arbeit im Niedriglohnbereich gibt. Jetzt überlegen Sie sich einmal, was das bedeutet. Das heißt letztendlich: Gastronomie. Es gibt auch noch andere Bereiche, z. B. Saisonbereiche, wo diese Arbeitskräfte unter diesen Rahmenbedingungen und zu diesen Konditionen Arbeit finden. Meine Damen und Herren, ist es eine ganz allgemeine Erfahrung - der können wir uns auch nicht verschließen -, dass die Angebote im Niedriglohnbereich auch in der Industrie zunehmend weniger werden. Wir haben diese Angebote nicht mehr in diesem Umfang. Dem Standort Deutschland wird gerade vor dem Hintergrund von Innovation und hoch qualifizierter Arbeit eine Zukunft eingeräumt, aber nicht in diesem anderen Bereich. Das heißt, wir haben in diesem Bereich wenig Angebote und haben außerdem noch einen Verdrängungsprozess. Ich betrachte das nicht als illegitim, sondern ich betrachte das als sehr zuverlässig, auch in Bezug auf die Verlässlichkeit gegenüber anderen Generationen. Ich bin davon überzeugt, dass das, wenn man es unter Kosten/Nutzen-Gesichtspunkten, Versorgungslasten, Erwerbseinkommen und auch im Hinblick auf die anderen Rahmenbedingungen betrachtet, keine soziale Regelung ist.
Angesichts Ihrer Ausführungen zu der Frage, Kinder hier zu lassen und die Eltern zwangsweise zurückzuführen, und insbesondere zu Kosten/Nutzen-Fragen und im Hinblick darauf, dass bei Ihnen ein ganz bestimmtes Familienbild deutlich zum Ausdruck gekommen ist, frage ich Sie,
wie Sie den Zusammenhang zu Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention, den Sie sehr oberflächlich beschrieben haben, und zum Pakt über bürgerliche und zivile Freiheiten beurteilen. Haben Sie alle diese Artikel abgeprüft, und ist Ihnen damit bewusst geworden, dass Sie hier ein Menschenbild aus einer Zeit zeichnen, als die Sklaverei so weit ging, dass Menschen verkauft und Eltern von ihren Kindern getrennt wurden?
Liebe Frau Merk, ich gehe davon aus, dass alle diese Gesichtspunkte, die Sie jetzt angesprochen haben, schon bei dem Beschluss des Zuwanderungsgesetzes durch die Bundesregierung und die dieses Gesetz tragenden Parteien geprüft worden sind. Sonst hätte das in dieser Form mit dieser Regelung schlicht und ergreifend nicht erlassen werden dürfen.
Ich frage die Landesregierung: Wie ist die bisherige Beschlusslage der Innenministerkonferenz zur Frage des Bleiberechtes?
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Jetzt können Sie die ganze Antwort noch einmal vorlesen! Das dauert eine halbe Stunde!)
Die Beschlusslage der Innenministerkonferenz stellt sich wie folgt dar: Man ist übereingekommen, keine allgemeinen Bleiberechtsregelungen mehr zu beschließen, sondern, wie ich gesagt habe, durchaus Bleiberechtsregelungen für bestimmte Personengruppen ins Auge zu fassen, aber nicht generell Stichtagslösungen. Das ist die Beschlusslage der Innenministerkonferenz.
Frau Präsidentin! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund der Tatsache, dass alle bisher beschlossenen Bleiberechtsregelungen so genannte Stichtagsregelungen waren: Teilt sie meine Auffassung, dass Bleiberechtsregelungen dieser Art sowohl Vorteile als auch Nachteile für die Betroffenen haben,
und zwar in der Weise, dass durch die Stichtagsregelung diejenigen begünstigt werden, die die Voraussetzungen erfüllen, dass es aber durchaus auch aus humanitärer Sicht Menschen gibt, die man auch berücksichtigen müsste, die aber nicht das Glück haben, diesen Stichtag zu erfüllen? Teilen Sie die Auffassung, dass deswegen diese Regelung auch nicht gerecht ist?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat eben erklärt, wie der Innenminister des Landes Niedersachsen sich die Entwicklung auf diesem Gebiet möglicherweise vorstellt. Ich frage die Landesregierung: Welche möglichen unterstützenden Maßnahmen insbesondere für diese Jugendlichen und jungen Menschen kann sich die Landesregierung in Zukunft vorstellen?