Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Rösler das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem die SPD-Fraktion und Herr Gabriel es damals so wollten und die SPD-Fraktion es heute unter Herrn Jüttner so sollte, kann ich Ihnen zumindest versichern: Die FDP-Fraktion bleibt bei ihrer kritischen Grundhaltung gegenüber einem flächendeckenden Kombilohn. Wir haben auf Bundesebene dazu eine echte Alternative auf den Tisch gelegt, nämlich unser Bürgergeldsystem. Das Bürgergeld soll an die Stelle aller bisherigen staatlichen Transferleistungen treten. Die Ausgestaltung sollte im Rahmen einer negativen Einkommensteuer erfolgen, so wie sie einige Staaten bereits erfolgreich eingeführt haben.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Da sind wir doch dicht beieinander!)

Das, meine Damen und Herren, wäre das beste Modell, um Arbeitsplätze auch im Niedriglohnbereich effizient zu fördern.

(Beifall bei der FDP)

Dennoch kann man das Bürgergeldmodell natürlich nur auf Bundesebene umsetzen. Da sind wir momentan nicht am Zuge. Das ist bekannt. Dort sind wir kurzfristig in der Opposition.

(Heiterkeit)

In Niedersachsen aber sind wir in der Regierung. Deswegen geht es hierbei nicht um eine theoretische Auseinandersetzung, sondern wir stehen in der Verantwortung, zu überlegen, wie wir den Menschen ganz konkret, praktisch und vor allem schon heute helfen können. Denn die Menschen, die im Niedriglohnbereich einen Arbeitsplatz suchen, interessieren sich weder für eine ordnungspolitische Debatte noch für eine Diskussion über Zuständigkeiten, Herr Jüttner. Was diese Menschen brauchen, ist ein Arbeitsplatz - und das möglichst gleich.

(Beifall bei der FDP)

Da sich die große Koalition in Berlin nicht ganz einig werden kann, ist es völlig richtig, dass wir in Niedersachsen gemeinsam einen Weg suchen, um Arbeitsplätze neu zu schaffen. Das nunmehr von der Landesregierung vorgelegte Modell Niedersachsen-Kombi ist dabei eine Möglichkeit, um gerade für Langzeitarbeitslose im Niedriglohnbereich neue Möglichkeiten zu eröffnen. Wenn es dann noch gelingt, durch eine zielgerechte Ausgestaltung mögliche Mitnahmeeffekte zu verhindern, dann, meine Damen und Herren, können auch wir als FDP-Fraktion solch einem Modell in Niedersachsen zustimmen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Zur Ehrlichkeit gehört aber auch die Feststellung, dass man ohne echte Flexibilisierung im Arbeitsund Tarifrecht und ohne eine deutliche Senkung der Lohnzusatzkosten durch eine Reform im Bereich Rente und Gesundheit weder im Niedriglohnbereich noch in anderen Bereichen dauerhaft wird Arbeitsplätze schaffen können. Deswegen werden diese Reformen die eigentliche Aufgabe einer jeden Regierung auf Landes- wie auf Bundesebene sein.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Auch wenn ich weiß, dass es bessere Möglichkeiten für mehr Arbeit und Beschäftigung gibt, und auch wenn die SPD heute einmal mehr gezeigt hat, dass sie kein Interesse an der Schaffung neuer Arbeitsplätze hat, lade ich Sie dazu ein, im Interesse der betroffenen Menschen diese kleine Chance für Niedersachsen nicht kaputt zu reden, sondern gemeinsam mit dieser Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP konsequent und konstruktiv ein Niedersachsen-Kombi hier in Niedersachsen einzuführen. Wir sind dazu bereit. Entscheiden Sie selbst! Verlassen Sie sich nicht auf Ihre Führung! Die ist etwas verwirrt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat sich der Herr Ministerpräsident Wulff zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem in der HAZ heute Morgen zu lesen war „Schmoldt lobt Kombilohn“, hatte ich eigentlich erwartet, dass die SPD ihren Antrag zur Aktuellen Stunde zurückzieht. Der IG-BCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt hat in der HAZ den zutreffenden Satz gesagt: „Es ist allemal sinnvoller, Arbeit denn Arbeitslosigkeit zu finanzieren.“ Insofern sei ein Kombilohn-Modell sinnvoll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das intelligente Kombilohn-Modell der Niedersächsischen Landesregierung hat für alle drei Beteiligten einen Vorteil:

Der Arbeitnehmer kommt in einen sozialversicherungspflichtigen Job. Er hat netto mehr. Für ihn lohnt es sich zu arbeiten, anstatt nicht zu arbeiten.

Die Wirtschaft bietet Arbeitsplätze an, bei denen sie auf die Brutto-Arbeitgeberbeiträge verzichten kann. Dadurch können neue Jobs im Dienstleistungsbereich entstehen.

Der Staat zahlt, wenn er den Kombilohn mitfinanziert, weniger, als wenn er die Arbeitslosigkeit finanziert.

Das sind auch die Gründe, warum Österreich zum 1. Januar dieses Jahres ein solches KombilohnModell eingeführt hat und warum Hubertus Schmoldt unsere Initiative, mit der wir etwas für Jugendliche unter 25 Jahre und ältere Langzeitarbeitslose - vor allem für solche ohne Ausbildung tun wollen, ausdrücklich lobt.

Niedersachsen hat die verschiedenen KombilohnModelle ausgewertet. Es hat sich für das beste und erfolgreichste Modell, nämlich das Hamburger Modell, entschieden und entwickelt dieses fort. Die Bundesagentur für Arbeit begrüßt ausdrücklich, dass wir dieses Modell nicht nur in einer Metropolregion, also einem Ballungsraum, ausprobieren, sondern auch in der Fläche. Wir schaffen zusätzliche Beschäftigung und nutzen Mittel der Eingliederungshilfe und des Europäischen Sozialfonds. Es ist sinnvoll, eine Erfolgsgeschichte wie in Hamburg auch hier gemeinsam mit den Arbeitsgemeinschaften, den Landkreisen, den Optionskommunen und der Bundesagentur in einer konzertierten Initiative umzusetzen.

Ihnen sollte aufgefallen sein, dass Hubertus Schmoldt dafür ist, dass die Unternehmerverbände Niedersachsen dafür sind und dass die Bundesagentur für Arbeit mitmacht. Selbstverständlich rede ich seit Monaten mit Herrn Weise, dem Chef der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, und selbstverständlich haben wir dies auch mit Herrn Stietenroth, dem Chef der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen, besprochen.

Wenn Sie bei uns die entsprechenden Informationen angefordert hätten, dann hätten Sie sich klug machen können, Herr Jüttner; denn alle von Ihnen aufgeworfenen Fragen werden in dem Papier des Wirtschaftsministers selbstverständlich beantwortet.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Keine ist beantwortet!)

Herr Jüttner, ich hatte zeitweilig das Gefühl, ich befände mich in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier.“

(Heiterkeit bei der CDU)

Heute ist nämlich der vierte Jahrestag der Anfrage von Frau Pothmer: „Niedersachsen als Vorreiter im Kombilohnsektor“. Am 25. Januar 2002 hatte Frau Pothmer aus der HAZ zitiert:

„Im Januar 2000 sagte Ministerpräsident Gabriel beim Neujahrsempfang der IHK Hildesheim-Hannover, er wolle Niedersachsen zum Vorreiter im Kombilohnbereich machen, und kündigte eine entsprechende Initiative im niedersächsischen Bündnis für Arbeit an.“

Zwei Jahre später hat Ministerpräsident Gabriel das wieder gemacht. Im Januar 2002 hat er gesagt, so Frau Pothmer in ihrer Anfrage, „er wolle Niedersachsen zum Vorreiter im Kombilohnbereich machen, und kündigte ein ‚konkretes Bündnis‘ an.“

Der einzige Unterschied war: 2000 hieß es „im Bündnis für Arbeit“, und 2002 war es ein „konkretes Bündnis“. Aber passiert ist in Niedersachsen beim Kombilohn nichts - bis er abgewählt wurde.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich hatte Ihnen erklärt, Herr Jüttner, dass Sie immer für Kombilohn-Modelle waren, sie aber nicht eingeführt haben. Daraufhin haben Sie Ihre Kritik nicht mehr gegen den Kombilohn gerichtet, sondern gegen die Tatsache, dass wir fremder Leute Geld verwenden würden. - Ja, wir verwenden Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds, wir verwenden die Eingliederungshilfemittel der Bundesagentur für Arbeit. Damit sind sie auch sinnvoll eingesetzt. Aber in der damalige Antwort der Landesregierung Gabriel auf die Frage der Grünen, wie sie ihr Kombilohnmodell denn finanzieren will, heißt es wörtlich: „Es ist davon auszugehen, dass der Bund die Kosten übernehmen wird.“

(Zurufe von der CDU)

Also, das, was Sie in dieser Aktuellen Stunde kritisieren, nämlich dass wir die Mittel nutzen, die dafür zur Verfügung stehen, haben Sie selber vorgehabt. Insofern sollten Sie überlegen, ob Sie nicht darauf verzichten wollen, immer wieder Eigentore zu schießen. Sie sollten auf miesepetrige Kritik verzichten, alles noch einmal durchdenken und am Ende sagen: Wenn wir auf diese Art und Weise Menschen in Niedersachsen helfen, in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu kommen, dann ist jeder Einzelne, dem wir geholfen haben, ein Glücksfall für unser Land. Allein das rechtfertigt schon unseren Einsatz.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Von der SPD-Fraktion hat sich noch einmal Herr Kollege Jüttner zu Wort gemeldet. Bitte schön!

(David McAllister [CDU]: Gib auf! - Zu- ruf von der CDU: Er war damals doch auch im Kabinett!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wulff, Arbeit zu finanzieren ist immer besser, als Arbeitslosigkeit zu finanzieren, das ist doch überhaupt keine Frage. In diesem Sinne wurde seinerzeit auch etwas unternommen. Da hat es dann Fehlentwicklungen gegeben, wie wir in der Koalitionsvereinbarung auch gemeinsam festgestellt haben. Deshalb gibt es das dringende Bemühen, dieses gesamte Instrumentarium zu überprüfen. Dem haben Sie in der Koalitionsvereinbarung auch zugestimmt. Gleichwohl setzen Sie jetzt etwas in die Welt, das eben nicht im Wirtschaftsministerium, sondern in der Marketingabteilung in der Staatskanzlei ausgearbeitet worden ist. Das ist Ihre Art von Politik.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU und von der FDP)

Wenn Sie uns sagen, es geht nicht darum, wer zuständig ist, dann sage ich Ihnen: Wir lassen es nicht zu, dass Sie sich Dinge zurechnen, für die Sie keinerlei Verantwortung und bei denen Sie keinerlei Gestaltungsspielraum haben.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU und von der FDP)

- Das ist so. 90 % der Mittel sind vom Bund, und es ist abschließend gesetzlich geregelt, dass es den Fallmanagern zusteht, darüber zu entscheiden.

(Reinhold Coenen [CDU]: Erbsen- zähler!)

Sie müssen nur einmal bei der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit nachfragen. Dort wird man Ihnen sagen: Herr Wulff kann selbstverständlich darum bitten, dass die Fallmanager ihre Arbeit machen und die rechtlichen Bestimmungen umsetzen. - Aber das müssen die auch ohne die Bitte von Herrn Wulff machen, meine Damen und Herren! Herr Wulff macht sich etwas zu Eigen, um zu brillieren, aber es steckt nichts, überhaupt nichts hinter diesem Konzept.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen die Zustimmung aller Optionsgemeinden, aller Arbeitsgemeinschaften bekommen. Wenn es auf Bundesebene zur einer Verabredung darüber kommt, wie es in diesem Bereich in Zukunft aussehen soll, dann wird das abschließend rechtlich geregelt. Damit sind sämtliche Landesverabredungen, die Sie treffen, hinfällig. Herr Wulff, Sie versuchen zu präjudizieren, dem Bund etwas vorzugeben. Das ist Ihre Art von Alleingang, die wir hier kritisieren.

Und dann erzählen Sie etwas vom Hamburger Modell. Ich sage Ihnen: Hamburg steckt Geld in dieses Konzept - Niedersachsen nicht. Hamburg hat es mit einem Mindestlohn verknüpft - Niedersachsen nicht. Das hätte im Übrigen zur Folge, dass die Agentur für Arbeit trotz der Beschäftigungsfinanzierung noch etwas draufpacken müsste.

Herr Hirche, ich bin mir sicher, dass alle die Fragen, die ich eben aufgeworfen habe - ich will sie gerne ergänzen; denn ich hatte nur fünf Minuten Zeit -, vom niedersächsischen Wirtschafts- und Arbeitsministerium nicht beantwortet werden können. Im Moment wird da doch nur herumgeeiert, um dem Ganzen ein bisschen Grund und Boden zu geben, um diesen Alleingang des Ministerpräsidenten einigermaßen aufzufangen, damit wenigstens der Eindruck von Redlichkeit vermittelt wird. Das ist doch die Situation!