Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

Abschließend bitte ich namens des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen, entsprechend der Empfehlung in der Drucksache 2544 zu beschließen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Rolfes von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Vorlesen des Tagesordnungspunktes hat eben fast so lange gedauert, wie ich jetzt Redezeit habe. Deshalb kann ich auf die inhaltlichen Positionen dieser Verfassungsänderung nur sehr begrenzt eingehen.

Mit der Einführung der Konnexität wird eine weitere Zusage dieser Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP eingelöst.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der heutige Tag, meine Damen und Herren, ist ein guter Tag für Niedersachsen und insbesondere für unsere Kommunen.

(Beifall bei der CDU)

Die Einführung der Konnexität in unsere Niedersächsische Verfassung ist kein formaler Vorgang, sondern hat für die Zukunft erhebliche politische Konsequenzen. Dies war natürlich auch der Grund dafür, warum die Diskussion über die Ausgestaltung der Verfassung in dieser Frage so lange gedauert hat. Abstimmungsgespräche mussten sowohl mit den anderen Fraktionen in diesem Hause als auch mit Vertretern der Landesregierung und der Kommunen geführt werden. Dass diese Gespräche letztlich zu einer einvernehmlichen Regelung geführt haben, beweist, dass alle Fraktionen in der Lage sind, in wichtigen Bereichen verantwortungsvoll zusammenzuarbeiten.

Ich will heute nicht mehr auf die sehr unterschiedlichen Ausgangslagen eingehen, sondern nur darauf verweisen, dass einiges aufeinander abgestimmt werden und aufeinander zu bewegt werden musste. Das Ergebnis dieses Diskussionsprozesses wird von allen Fraktionen akzeptiert. Dies ist - ich wiederhole es - ein sehr verantwortungsvoller Umgang des Parlaments mit der Verfassung und eine gute Grundlage für einen vertrauensvollen Umgang des Landes mit seinen Kommunen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als „Schule der Demokratie“ hat AltBundespräsident Herzog die Kommunen bezeichnet. Mit dieser Einschätzung steht er nicht allein. Aber Kommunalpolitik ist mehr: die dem Bürger nächste und im Sinne der Verwaltung leistungsfähigste Politikebene. Rechtlich ist sie bekanntlich nicht selbständig, sondern den Ländern zugeordnet.

In letzter Zeit ist sehr häufig von einer von den Kommunen empfundenen Partnerschaftskrise zwischen ihnen und dem Staat die Rede. In der „Schule der Demokratie“ herrscht offensichtlich der Eindruck vor, dass ihnen ohne entsprechenden geldlichen Ausgleich immer mehr Aufgaben aufgebürdet würden. Die Höhe der Kassenkredite und die vielfach dramatische finanzielle Lage der Kommunen verstärken diesen Eindruck. Ich sage aber mit aller Deutlichkeit: Die Ursache für die dramatische finanzielle Lage vieler Kommunen in

Niedersachsen, aber auch vieler Kommunen in der Bundesrepublik ist nicht darin begründet, dass wir erst heute über diese Verfassungsänderung beschließen. Schon im Jahre 1998 hat beispielsweise die rot-grüne Koalition auf Bundesebene in ihrer Koalitionsvereinbarung verabredet, eine Konnexität einzuführen. Bei dieser Vereinbarung ist es geblieben; getan hat sich nichts. Nur zulasten der Kommunen hat sich etwas getan, z. B. durch die Steuerreform von Lafontaine, deren Auswirkungen die Kommunen teilweise in den Ruin getrieben haben. Auf der Ebene des Landes Niedersachsen hätten Sozialdemokraten glatt 13 Jahre Zeit gehabt, um entsprechende Anträge zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung vorzulegen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich will jetzt gar keinen Streit anfangen. Aber wer auf 100 Tage hinweist, selbst jedoch 13 Jahre Zeit hatte, sollte sich die Relationen richtig vor Augen führen. Dann weiß er, was er versäumt hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für den Fall, dass dies gleich wieder thematisiert wird, habe ich eine ganze Liste von Entscheidungen der Regierungen von Schröder, Glogowski und Gabriel mitgebracht, mit denen entweder im Zuge von Aufgabenübertragungen vom Bund auf die Länder oder durch Veränderung von Landesgesetzen Belastungen bei den Kommunen ausgelöst wurden, ohne sie auch nur annähernd auszugleichen. Ich habe dies jetzt nur angefügt, weil zu meinem Erstaunen sowohl Herr Möhrmann als auch Herr Professor Dr. Lennartz bei der Vorstellung dieses gemeinsamen Gesetzentwurfs zur Änderung der Verfassung glaubten, auf Versäumnisse der jetzigen Regierung hinweisen zu müssen.

(Elke Müller [SPD]: Was denn sonst?)

- Frau Müller, wer ganz stolz darauf ist, hier 13 Jahre lang regiert zu haben, aber gar nicht mitbekommt, dass man das, was man jetzt als vordringlichste Aufgabe ansieht, 13 Jahre lang selbst nicht hinbekam, darf jetzt nicht fragen: Wer denn sonst? - Ich meine natürlich diejenigen, die 13 Jahre lang die Chance dazu hatten.

(Beifall bei der CDU)

Allerdings sollten Sie diesen guten Tag für Niedersachsen und für die niedersächsischen Kommunen nicht länger mit jenem damals ausgelösten

klein karierten Streit belasten. Ich bin sicher, dass die Sprecher aller anderen Fraktionen gleich darauf hinweisen werden, dass im Wesentlichen sie die Initiatoren der heute zu verabschiedenden Verfassungsänderung waren. Sie werden sagen, ohne ihre Initiative wäre nichts daraus geworden. Es ist so wie immer: Der Erfolg hat viele Väter. In diesem Fall hat dieser Satz eine gewisse Gültigkeit: Diese Verfassungsänderung ist ein Erfolg; daran haben alle mitgewirkt.

An dieser Stelle bedanke ich mich für die konstruktive Mitarbeit der kommunalen Spitzenverbände.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bedanke mich auch bei den Mitarbeitern des Gesetzgebungsund Beratungsdienstes. Man macht so etwas nicht allzu häufig; aber in diesem Falle hat eine intensive Zusammenarbeit auch zu einer geglückten Formulierung geführt.

Die Kommunen haben seit langem eine Zusammenführung von Gesetzgebungskompetenz und Aufgabenlast frei nach dem Motto „Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen“ gefordert. Nun ist die Ausgestaltung der Konnexität auf der Ebene der Bundesländer sehr unterschiedlich. Darauf kann ich jetzt nicht weiter eingehen; ich habe die Modelle aber bei mir. Mit dem, was wir hier formuliert haben, können wir uns sehr gut sehen lassen.

Neben der Klärung, wie bei einer Veränderung von alten Aufgaben vorzugehen ist, ist auch klargestellt, wie bei neuen Aufgaben zu verfahren ist. Für den Fall, dass das Land wegen eines Rechtsverstoßes einer kommunalen Körperschaft in Anspruch genommen wird, ist klargestellt, dass es nach Maßgabe eines Landesgesetzes bei der Kommune Rückgriff nehmen kann.

Abschließend halte ich fest:

Erstens. Die Beteiligungsrechte der Kommunen sind durch Beteiligung in Form einer Anhörung bei Gesetzesvorhaben, die die Kommunen betreffen, sichergestellt.

Zweitens. Es kommt zu einer Stärkung der finanziellen Eigenverantwortung durch genaue Zuweisung von Zuständigkeiten, vor allem aber durch die effiziente und rechtlich bewehrte Verwirklichung des Konnexitätsprinzips.

Drittens. Das Konnexitätsprinzip verhindert wirkungsvoll die Überwälzung der finanziellen Belas

tungen durch Veränderung oder neue Aufgabendefinitionen auf die Kommunen.

Viertens. Im Sinne des Formulierungsvorschlags besteht die Möglichkeit, Entscheidungen auch beim Staatsgerichtshof überprüfen zu lassen. Die Verlängerung der Klagefrist auf zwei Jahre ist ebenfalls geregelt. In der Verfassung wird auch die vorläufige Haushaltsführung beim Staatsgerichtshof geregelt.

Wenn ich eingangs von einer empfundenen Vertrauenskrise gesprochen habe, dann ist die jetzt anstehende Verfassungsänderung die Grundlage für einen sehr vertrauensvollen Umgang der Gemeinden mit dem Land. In der CDU-Fraktion gibt es sehr viele Anwälte aus den kommunalen Räten und den Kreistagen. Sie können sicher sein, dass sie intensiv darauf achten werden, dass das Konnexitätsprinzip strikt angewendet wird.

Mit der heutigen Verabschiedung des Konnexitätsprinzips wird umgesetzt, was versprochen wurde. Dies werden wir mit Blick auf die Kommunalwahl den Kommunen, aber auch den Bürgerinnen und Bürgern hinreichend deutlich zur Kenntnis bringen. - Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, einigen ist wohl noch nicht bewusst, dass wir bei der Schlussabstimmung namentlich abstimmen. Es gibt noch ein paar freie Plätze hier im Saal. Jetzt geht es um eine Verfassungsänderung. Diejenigen, die noch nicht im Plenarsaal sind, haben jetzt Zeit, hierher zu kommen.

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich nun Herrn Dr. Lennartz das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, wir befinden uns jetzt in einer besonderen Situation. Es ist wohl das erste Mal in dieser Wahlperiode, dass alle Fraktionen gemeinsam einem Gesetz, in diesem Fall einer Verfassungsänderung, zustimmen. Man muss sich einfach einmal vergegenwärtigen, dass die Landespolitik und im Übrigen auch die Bundespolitik natürlich nicht ganz so schnell bei der Hand sind, wenn es um die

Einführung einer Konnexitätsregelung geht. Als Landespolitiker - einerseits ist hier die Regierung zu nennen, andererseits die Opposition, die Regierung werden will - befinden wir uns in der Situation, angesichts der hohen finanziellen Überschuldung des Landeshaushalts und der Personalkosten in diesem Landeshaushalt zum einen und des Verhältnisses zu den Kommunen zum anderen zunehmend in Bewegungsunfähigkeit zu geraten. Deswegen kann man, wie ich finde, durchaus sagen, dass wir nach kontroverser Vordebatte hier zum Schluss eine gute Lösung gefunden haben, die wir heute hier verabschieden werden.

Artikel 57 Abs. 4 der Verfassung regelt bereits jetzt, dass Aufgaben auf die kommunale Ebene übertragen werden können - ich zitiere -, „wenn... Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden.“ Diese Regelung stammt von 1993, also aus der Zeit, als die jetzige Niedersächsische Verfassung verabschiedet wurde und in Kraft trat. Die erwähnte Vorschrift ist sehr unbestimmt. Es wurden in der Folge zwar Regelungen über die Kosten getroffen, es wurden aber die Mittel nicht entsprechend den Aufgaben, die übertragen wurden, bereitgestellt. Deswegen hat ein recht bekannter Jurist, Hans Julius Wolff, einmal gesagt, eine Aufgabenübertragung an die Kommunen sei „die billigste Form der Staatsverwaltung“. Das ändert sich jetzt hier in Niedersachsen.

Herr Rolfes, Sie haben sich zu der Frage geäußert, was die SPD versäumt hat. Erst seit 1996 gibt es in den Bundesländern zunehmend ein Bewusstsein dafür, dass man sich sozusagen der bisherigen Praxis entziehen muss, dass man also etwas korrigieren muss. Das drückt man in der juristischen Form der Konnexitätsregelung aus.

Natürlich muss auch der Deutsche Bundestag etwas liefern. In der Koalitionsvereinbarung soll ja eine entsprechende Passage enthalten sein. Ich habe das allerdings nicht genau nachgeprüft. Das heißt, auch vom Deutschen Bundestag her muss in dieser Legislaturperiode eine Konnexitätsregelung kommen.

Es geht, um es auf den Punkt zu bringen, um die Selbstbindung des Landesgesetzgebers und zukünftig auch des Bundesgesetzgebers in der Hinsicht, was sie von den Kommunen an Aufgaben wahrnehmen lassen. Wir werden uns genauer überlegen müssen, ob wir Gesetze verabschieden, die bei den Kommunen Aufgaben auslösen, weil wir die Kosten mit übernehmen müssen. Es ist, wie

ich meine, ein heilsamer Kontrollmechanismus, der hier mit eingebaut wird. Die Antwort darauf, warum die Landesregierung nicht nach 100 Tagen handlungsfähig war, wie sie es angekündigt hatte, und warum es eine solche Fülle von Anträgen, beginnend im Februar 2004, geben musste, bevor wir jetzt, Anfang 2006, zur Entscheidung kommen, mag angesichts des Ergebnisses dahingestellt sein, für welches im Prinzip gelten kann: Was lange dauert, wird letztlich gut. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Bode das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen. Das klingt ganz einfach und scheint normalerweise auch eine Selbstverständlichkeit zu sein. In der Vergangenheit haben politische Ebenen allerdings nicht immer danach gehandelt. Wie kompliziert es in den Finanzkonstruktionen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist, diese Selbstverständlichkeit auch auszuformulieren, haben die lange dauernden Beratungen und die unterschiedlichsten Aspekte, die in die Beratungen eingeführt worden sind, tatsächlich gezeigt.

Wir ziehen jetzt einen dicken Schlussstrich unter all das, was bisher war. Die in der Vergangenheit übertragenen Aufgaben sollen auch weiterhin nach den alten Systemen abgegolten werden. Wenn wir als Landtag jetzt aber etwas Neues machen, wenn wir Verordnungen oder Gesetze verabschieden, die bei den Kommunen Mehrkosten auslösen, müssen wir hierfür auch bezahlen. Alle Abgeordneten in diesem Hause werden für ihr Handeln finanziell entsprechend verantwortlich sein. Wir können die Verantwortung nun nicht länger anderen übertragen bzw. andere die Suppe auslöffeln lassen, wie wir gekocht haben.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)