Protokoll der Sitzung vom 23.02.2006

(Reinhold Coenen [CDU]: Das ist eine nichtöffentliche Sitzung gewesen!)

Frau Korter, aus dem Protokoll der nichtöffentlichen Kultusausschusssitzung zitieren Sie nicht.

Ich zitiere nicht, sondern ich fasse zusammen. Herr Brockmann hat für das Kultusministerium dargestellt, dass sie keine Veranlassung sehen, von ihrer Rechtsauffassung abzurücken.

(Zuruf von der CDU: Ja und, was ist da dran?)

Ich möchte jetzt ganz genau wissen - deshalb unser Antrag -: Wird sich das Kultusministerium rechtskonform verhalten und den Erlass ändern, oder wird das Schulgesetz geändert? Ich möchte keine Prüfaufträge, sondern eine klare Zusage.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine Antwort auf die Kurzintervention von Frau Kollegin Körtner.

Frau Präsidentin! Wir leisten bei Notbedarf gern auch Hilfe zur Selbsthilfe. Von daher möchte ich Frau Korter gern auf die Fundstellen im Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes vom 9. Dezember hinweisen. Ich hatte schon erwähnt, dass nach Auffassung des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes alle nach Nr. 8.2 genehmigten Ganztagsschulen die rechtliche Stellung einer Ganztagsschule erlangt haben - Seite 3, vierter Absatz -, dass es keine Verstöße der Vergabepraxis gegen die geltende Förderrichtlinie gibt - Seite 5, letzter Absatz -, dass die niedersächsische Förderpraxis mit der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern übereinstimmt - Seite 7, dritter Absatz - und dass es unterschiedliche Rechtspositionen gibt.

Im Hinblick auf den Dissens über den Ganztagserlass, der mit dem Schulgesetz nicht vereinbar sein soll, wie der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst meinte, ist vom Vertreter des Kultusministeriums klar und deutlich gesagt worden, dass die erforderlichen Änderungen aus den von mir vorgetragenen Gründen - der Kultusminister wird gleich noch näher darauf eingehen - noch vorgenommen werden. Insofern sagen wir ganz deutlich: Wir stimmen heute über Ihren Antrag ab, weil er nicht nur überflüssig, sondern absolut erledigt ist. Deswegen wird er heute auch erledigt.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Das Wort zu einer weiteren Kurzintervention hat Frau Kollegin Eckel. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem Gutachten des Gesetzgebungsund Beratungsdienstes steht eindeutig: Die Genehmigungsverfahren nach Nr. 8.2 sind rechtswidrig. - Das können Sie dort nachlesen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dort steht allerdings auch, dass diejenigen Schulen, die auf diese Art und Weise zu Ganztagsschulen gemacht worden sind, Bestandsschutz genießen. Das ist richtig. Ich finde es peinlich, Frau Körtner, dass Sie sich hier hinstellen und etwas verteidigen, was uns alle eigentlich sehr aufrühren muss. Hier ist etwas geschehen, was nicht geschehen darf: Es ist ein Erlass geschrieben worden, der nicht dem Schulgesetz entspricht. Wir sind doch dazu verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen und auch darauf zu achten, dass so etwas nicht passiert und dass sowohl im Landtag als auch in der Landesregierung nach Gesetz und Recht verfahren wird. Es ist doch unsere Pflicht, darauf zu achten. Man kann sich doch aber nicht wie Sie, Frau Körtner, hier hinstellen und sagen: Wir regen uns hier über völlig unwichtige Dinge auf.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch ich möchte zurückweisen: Wir diffamieren keine Ganztagsschulen light.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie diffa- mieren die Ganztagsschulen!)

Wir diffamieren sie nicht. Wir sagen nur: Es sind nicht die Ganztagsschulen, die in Niedersachsen eigentlich entstehen sollen.

Ihre Redezeit ist zu Ende, Frau Eckel.

(Beifall bei der SPD)

Eine Antwort auf die Kurzintervention wird nicht gewünscht. - Also erteile ich jetzt Herrn Schwarz von der FDP-Fraktion das Wort.

Man muss ja ausgesprochen dankbar sein, dass ich nach all diesen Kurzinterventionen doch noch meinen Beitrag leisten kann.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meiner Meinung nach haben wir allen Grund, mit diesen Dingen gelassen umzugehen. Verständnis hat man - das steht doch völlig außer Zweifel - doch dafür, dass dieser Bereich thematisiert wird und dass man darüber spricht. Die Opposition und wir haben gleichermaßen die Pflicht, uns darum zu kümmern, ob die Dinge rechtmäßig laufen oder nicht. Wenn man dann etwas aufdeckt, was vielleicht nicht ganz griffig ist, dann ist das in Ordnung.

Wofür ich aber überhaupt kein Verständnis habe, ist, dass wir uns mit diesem Thema - das sehe ich jetzt etwas anders als Ulla Körtner - eineinhalb Stunden lang nicht immer unbedingt sachgerecht auseinander gesetzt haben. Wir haben sehr zähflüssig über Detailfragen diskutiert, die sehr störend waren, weil sie uns einfach nicht nach vorn gebracht haben. Dafür habe ich kein Verständnis. In der gleichen Zeit hätte man sich konstruktiv und kritisch mit der Weiterentwicklung der Bildungsqualität auseinander setzen können. Davon hätten wir mehr gehabt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Korter hat hier gesagt, hier würde etwas klipp und klar ausgedrückt. Das kann der eine so, der andere aber anders sehen. Ich beziehe mich auf einen ganz bestimmten Passus in dem Gutachten, das uns der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst vorgelegt hat. Ich bitte all diejenigen Kollegen, die an den betreffenden Sitzungen des Kultusauschusses teilgenommen haben, sich daran zu erinnern, mit welcher Replik der Gesetzgebungsund Beratungsdienst auf meine Intervention bei diesem Punkt reagiert hat. Ich hatte darauf hingewiesen, dass in dem Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes - ich bitte, dies zitieren zu dürfen - Folgendes steht:

„Der Rechtsfehler“

- es geht um die Genehmigung der Ganztagsschulen

„wiegt allerdings nicht derart schwer, dass die Genehmigung nichtig i. S. d. § 44 VwVfG wäre, denn zur Nichtig

keit eines Verwaltungsakts führen nur besonders schwer wiegende offensichtliche Rechtsmängel... Dies bedeutet, dass die auf der Grundlage der zitierten Erlassregelung erteilten Genehmigungen anfechtbar, aber rechtswirksam sind... Auch auf der Grundlage der zitierten Erlassregelung fehlerhaft genehmigte Ganztagsschulen erlangen daher mit der Genehmigung die rechtliche Stellung einer Ganztagsschule nach dem Schulgesetz.“

Das ist die entscheidende Aussage. Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran: Das ist Bestand in dieser Angelegenheit.

Ich möchte Ihnen in aller Klarheit sagen: Hierauf konnte der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst auch nichts Vernünftiges - oder sagen wir besser: nichts Schlüssiges - antworten. Ich möchte Ihnen noch einmal ans Herz legen, dass wir diese ganze Angelegenheit nicht politisieren sollten. Vielmehr sollten wir uns darauf konzentrieren, die Bildungspolitik inhaltlich weiter voranzubringen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Das Wort zu einer Kurzintervention hat Frau Kollegin Seeler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Streit geht doch um die Frage, ob der Erlass des Kultusministeriums mit dem Schulgesetz übereinstimmt. Ich zitiere jetzt die Zusammenfassung aus dem Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes vom 31. Januar 2006:

„Die Auffassung des MK, dass Ganztagsschulen nur an drei Nachmittagen ein Förder- und Freizeitangebot bereitstellen müssten und an einem vierten Tag dieses Angebot zusammen mit dem regulären Unterricht auf einen Vormittag konzentrieren dürften, finden in den Gesetzesmaterialien zu § 23 Abs. 1 Satz 2 NSchG keine Stütze. Auch sonst sind keine Auslegungsgesichtspunkte ersichtlich, die diese einschränkende Auslegung des

§ 23 Abs. 1 Satz 2 NSchG tragen könnten.“

Es gibt für diesen Erlass also keine gesetzesmäßige Absicherung.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Busemann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich bin ich schon die ganze Woche versöhnlich gestimmt. Diese Grundhaltung möchte ich jetzt beibehalten. Bevor Sie, Frau Korter, mich aber an den von mir geleisteten Amtseid erinnern, den ich selbstverständlich ernst nehme, möchte ich Sie bitten, sich an die einfachste parlamentarische Übung zu halten: Sie sollten in Ihre Entschließungsanträge diejenigen Sachverhalte hineinschreiben, die Sie kennen und die wahr sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da bei Ihnen und anderen ja ein absolut anderer Kenntnisstand vorhanden ist, muss mich der Antrag ein bisschen wundern. Vielleicht ist er auch gar nicht als ernsthafter Beitrag zur Diskussion über die Ganztagsschulen gedacht, sondern er soll nur der Verunsicherung vor Ort und der Schaffung von Unsicherheit und anderen Dingen mehr dienen; denn in ihm wird auch eine ganze Menge verschwiegen und vergessen.

Meine Damen und Herren, richtigerweise stellt der Entschließungsantrag fest, dass die Nr. 8.2 des Ganztagsschulerlasses nach Auffassung des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes gegen § 23 Abs. 1 Satz 2 des Schulgesetzes verstößt. Verschwiegen wird im Entschließungsantrag jedoch, dass die Genehmigungen der Ganztagsschulen nach eben diesem Abschnitt des Erlasses nach Auffassung des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes gleichwohl wirksam sind. Verschwiegen wird ferner, dass auch der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst festgestellt hat, dass die betreffenden Schulen in Niedersachsen die rechtliche Stellung einer Ganztagsschule erlangt haben.

Ich sage an diesem Punkt: Der Gesetzgebungsund Beratungsdienst lastet mir an, ich hätte sozusagen einen fehlerhaften Weg beschritten. Er sagt

aber: Das Schiff ist im Hafen angekommen. Es ist im Hafen. Schluss. Aus. Das Ganze ist rechtmäßig. Wir sehen das anders. Verschwiegen wird, dass auch der GBD feststellt, die Förderpraxis in Niedersachsen, mit der inzwischen eine Fülle an Baumaßnahmen an Ganztagsschulen gefördert wird, verstoße nicht gegen die Förderrichtlinie und habe damit Bestandskraft. Hier vermischen Sie zwei Rechtsebenen; dies darf ich Ihnen einmal sagen. Als die Bundesmittel für Ganztagsschulbaumaßnahmen zur Verfügung gestellt wurden - dies war in der Tat zur Zeit der rot-grünen Regierung -, haben Bund und Länder zusammengesessen. Es gibt eine Bund-Länder-Vereinbarung, in der ausdrücklich steht, die Verteilung werde von den Ländern eigenverantwortlich geregelt. Wir haben dazu eine Förderrichtlinie erlassen, nach der die Gelder verteilt werden. Der GBD sagt ausdrücklich, dass die Förderrichtlinie in Ordnung sei und dass der Minister bei der Verteilung von Geldern nicht gegen diese Förderrichtlinie verstoßen habe. Halten Sie dies bitte auseinander! Hier ist in rechtlicher Hinsicht ein ganz wichtiger Unterschied zu machen. Hätten Sie dem GBD mehr Fragen gestellt, die in diesen Komplex hineingehen, hätten Sie auch entsprechende Antworten bekommen. Die aber waren Ihnen vielleicht gar nicht so genehm.

Der Entschließungsantrag verschweigt im Übrigen auch, dass die Rechtsauffassung des GBD, wonach der Erlass - die Genehmigungspraxis, was eine Ganztagsschule ist, hat mit Förderrichtlinien nichts zu tun - in Teilen im Widerspruch zum Schulgesetz stehe, vom Kultusministerium nicht geteilt wird. Wir haben dies in zwei Sitzungen deutlich gemacht. Wenn man so will, gibt es in dieser Rechtsfrage einen Dissens zwischen dem GBD und dem Kultusministerium. Dieser Dissens hat aber keine praktischen Auswirkungen mehr; denn die Schulen, um die es geht, sind allesamt genehmigt. Keine dieser Schulen hat sich beklagt und wollte ihre Genehmigung wieder zurückgeben.

(Beifall bei der CDU)

Zwei Juristen vertreten gelegentlich sechs Meinungen; dieser Grundsatz gilt wohl auch hier.

Dieser Streit um - mit Verlaub - juristische Auslegungen und Spitzfindigkeiten hilft uns auch politisch nicht weiter. Manchmal sind akademische Streitigkeiten ja ganz interessant; für Pragmatiker sind sie nicht unbedingt hilfreich. Mir geht es natürlich weiterhin um die ungestörte Entwicklung der

Ganztagsschulen in Niedersachsen. Wir haben hier einen großen Handlungsbedarf. Viele Schulen wollen auch in den nächsten Jahren noch Ganztagsschule werden. Dies hat mit Fördermitteln gar nichts zu tun; aber wir müssen die entsprechenden Instrumente anbieten.