Protokoll der Sitzung vom 23.03.2006

(Zustimmung bei der CDU)

Zu der Debatte, die wir in Niedersachsen in den letzten Wochen und Monaten erlebt haben, muss ich sagen: Man sollte nicht nur einzelne Begriffe in den Raum stellen, sondern genau schauen, was man eigentlich will. Die Diskussion, die hier zum Thema „Härtefallkommission - Ja oder Nein?“ bzw. darüber geführt wurde, welches Verfahren angewendet werden soll, stellt nur einen ganz kleinen Bruchteil der gesamten Debatte dar. Denn das Zuwanderungsgesetz hat in der Tat auch die Frage einer Altfallregelung oder allgemeinen Bleiberechtsregelung abschließend behandelt.

Sie kritisieren ja nicht die Härtefallkommission, sondern Sie kritisieren die nach dem Zuwanderungsgesetz bestehende bzw. nicht bestehende Bleiberechtsregelung. Das heißt, wenn Sie etwas ändern wollen, dann müssen Sie - das habe ich Ihnen das letzte Mal im Plenum auch schon gesagt - etwas an der bestehenden Bleiberechtsregelung ändern,

(Georgia Langhans [GRÜNE]: Ma- chen wir doch!)

aber nicht bei Verfahrensabläufen.

(Georgia Langhans [GRÜNE]: Natür- lich, das gehört dazu!)

Es war schon sehr erstaunlich, was hier in den letzten Wochen und Monaten passiert ist. Ich hätte es jedenfalls nicht für möglich gehalten, dass Einzelfälle derartig politisch instrumentalisiert werden könnten und dabei die intimsten Details an die Öffentlichkeit gezogen werden.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich kann nur fragen: Wer hat denn da an die Kinder gedacht, die morgens in der Zeitung lesen mussten, was andere über ihre Eltern gesagt haben? - Das kann nicht der richtige Umgang mit derartigen Fällen gewesen sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Aber Ab- schieben, das ist gut für Kinder?)

Daher fordert die FDP eine Änderung der Bleiberechtsregelung. Wir wollen eine allgemeine Bleiberechtsregelung. Natürlich muss sich diese an klaren Kriterien orientieren. Natürlich ist die Straffreiheit ein Kriterium, das erfüllt sein muss. Natürlich ist auch die Sprache ein Kriterium, das sein muss. Sie muss ja nicht immer gleich komplett beherrscht werden, aber zumindest die Bemühung, die deutsche Sprache zu lernen, muss ein Kriterium sein.

(Zustimmung von Heidemarie Mund- los [CDU])

Natürlich ist auch die Frage des Lebensunterhaltes ein Kriterium, Frau Merk. Die beste Integration in die deutsche Gesellschaft ist immer noch der Arbeitsplatz. Das muss doch auch entsprechend verlangt werden können.

Frau Merk, ich meine, wir kommen weiter, wenn wir versuchen, gemeinsam, fraktionsübergreifend, an der Frage der Bleiberechtsregelung weiterzuarbeiten. Wir wollen den Betroffenen eine Lebensperspektive in Deutschland bieten. Wir wollen das auch nicht auf die lange Bank schieben.

Daher begrüße ich ausdrücklich, dass in die Diskussion, und zwar auch auf Bundesebene, Bewegung gekommen ist. Ich bin gespannt, was der Bundesinnenminister mit seinen Vorschlägen tatsächlich meint. Bisher sind sie ja sehr unkonkret. Wir sollten uns alle gemeinsam in die Diskussion mit einbringen.

Ich bitte an dieser Stelle unseren Innenminister, dass er sich darum bemüht, Möglichkeiten für einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt durchzusetzen. Darüber würde ich mich freuen. Denn das ist doch ein großes Problem. Dabei stellt sich nicht so sehr die Frage, die Sie angesprochen haben. Aber wenn es sich um einen etwas größeren Arbeitgeber handelt und die Bundesagentur für Arbeit zuständig ist, dann muss es doch nicht sein, dass unterschiedliche Agenturen entsprechende Bestätigungen abgeben müssen; das macht es schwerer. Ich persönlich bin der Meinung, es wäre

besser, wenn es wieder die Ausländerbehörde machen würde.

(Georgia Langhans [GRÜNE]: Das macht sie doch!)

Das würde den Betroffenen entgegenkommen.

Wir brauchen - darum bitten wir den Innenminister ebenfalls - auch Regelungen für ein eigenes Bleibe- bzw. Wiederkehrrecht für die jungen Erwachsenen. Man sollte nicht die Kinder für das haftbar machen, was die Eltern eventuell getan haben. Es kann immer Fälle geben, in denen wir sagen: Da sind Taten begangen worden, bei denen man ein Bleiberecht niemals aussprechen kann.

Ich denke, wenn wir an diesen Kriterien einer allgemeinen Regelung arbeiten und diese Kriterien auch bei der Härtefallkommission zur Grundlage machen,

(Georgia Langhans [GRÜNE]: Wir ha- ben doch Kriterien!)

dann wären wir in Niedersachsen und in Deutschland einen ganz großen Schritt weiter. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Als Nächster hat der Kollege Wenzel das Wort. Ihrer Fraktion stehen noch 3:22 Minuten Redezeit zur Verfügung.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr McAllister, zu dem, was Sie hier zur Verschwiegenheitspflicht bezüglich des angeblichen Missbrauchs von Informationen für parteipolitische Zwecke erklärt haben, sage ich ganz klar und deutlich: Diesen Vorwurf weise ich auf das Schärfste zurück.

(Beifall bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Fühlen Sie sich an- gesprochen?)

Wollen Sie, Herr McAllister, den Kirchengemeinden und Bischöfen etwa auch vorwerfen, dass sie Einzelfälle missbraucht haben, um Druck auf die CDU oder die FDP auszuüben? Die Briefe von einigen Landesbischöfen, die Ihnen sehr gut bekannt sind, die wir in der letzten Plenarsitzung

zitiert haben, sind nicht geschrieben worden, um parteipolitischen Druck oder sonstwie einen unzulässigen Druck auf die CDU auszuüben, sie sind vielmehr geschrieben worden aus einer Betroffenheit heraus, aus der Kenntnis der ganz individuellen Fälle heraus. Wollen Sie, Herr Biallas, den Nachbarschaftsinitiativen vorwerfen, dass sie sich für ihre Nachbarn eingesetzt haben? Nein, meine Damen und Herren, Ihre Vorwürfe sind haltlos.

Herr Schünemann musste einlenken, weil es einsam wurde, aber ich habe das Gefühl, Herr Schünemann versucht weiterhin durch die Hintertür, alle Schotten dicht zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das wird aber nicht funktionieren, wenn wir den Härtefällen, die wir alle kennen, nicht wirklich gerecht werden. Ihre Ausschlusskriterien sind viel zu weitgehend, nach dem Motto: Ihr dürft nicht Mann oder Frau sein, ihr dürft nicht zwischen null und hundert Jahren sein.

(Zuruf von der CDU: Das ist Quatsch!)

Wenn man Ihre 12 oder 14 Kriterien hintereinander liest, dann wird es in diesem Land kaum einen Menschen geben, der diesen Kriterien auch nur in irgendeiner Weise gerecht werden kann. Wahrscheinlich muss dieser Mensch noch geboren werden. An Ihrem Kriterienkatalog muss es Korrekturen geben. Härtefälle - schon von der Bedeutung des Wortes her, Herr Biallas - sollte man nicht per se, vorab, bis zum letzten i-Tüpfelchen regeln. Man sollte dieser Härtefallkommission wirklich die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, wo sie einen Härtefall sieht und wo nicht.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Dann sind wir im Petitionsausschuss!)

Wo ist eigentlich in diesem Kriterienkatalog die Handschrift der FDP? Ich habe sie nicht gefunden.

Meine Damen und Herren, auf das Bleiberecht von Kindern, die hier geboren sind und hier 10 bis 15 Jahre gelebt haben, gehen Sie auch nicht ein. Frau Lorberg hat hier beim letzten Mal das Bild von den Gästen bemüht. Das ist ein völlig falsches Bild.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich will das Bild von einem Baum wählen. Ein Same aus einem fremden Land wächst bei uns in

Deutschland zu einem kleinen, kräftigen Stamm heran. Er trägt Blüten und Früchte, die uns alle gemeinsam bereichern. Dann kommt der Innenminister und sagt: Das ist aber kein deutscher Baum, er muss ausgerissen werden. - Das ist Ihr Verständnis von Familie und Heimat, meine Damen und Herren. Das hat leider mit der Wirklichkeit sehr wenig zu tun; denn wenn diese Kinder hier 10 bis 15 Jahre gelebt haben, dann haben sie hier ihre Heimat, und dann müssen wir ihnen auch eine Perspektive geben.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD)

Herr Wenzel, bitte kommen Sie jetzt zum Ende.

Ich komme zum letzten Satz. - Sie haben sich bewegt, meine Damen und Herren, aber das, was Sie vorgelegt haben, reicht nicht aus. Die Rache der Arbeitsebene und die Angst vor einer konstruktiven und humanitären Lösung hat am Ende offenbar wieder die Oberhand gewonnen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Kollegin Merk, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Sie haben allerdings nur noch eine halbe Minute Redezeit. Möchten Sie jetzt reden?

(Heidrun Merk [SPD]: Ich möchte nach dem Innenminister reden! - Mi- nister Uwe Schünemann: Ich ziehe zurück! - Heiterkeit)

- Der Herr Innenminister zieht zurück. - Also, Frau Merk!

Meine Damen und Herren! Der Minister hat offensichtlich so viel Angst vor meiner Rede, dass er erst nach mir reden will.

(Lachen bei der CDU)

Ich finde das sehr spannend.

Lassen Sie mich Folgendes sagen. Herr McAllister, ich hätte mir gewünscht, dass Sie wenigstens zugehört hätten. All die Punkte, die Sie bezüglich der Straffälligkeit, bezüglich der Illegalität angesprochen haben, habe ich samt und sonders - das werden Sie nachlesen können - in meiner Rede nicht angesprochen, weil ich sie nicht angreife, damit die Sache ganz klar ist. Diese Positionen vertreten wir genauso.