Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Biallas, Sie haben unseren Antrag angesprochen. Die Situation ist seit 2001 eine andere geworden.
- Bei den Grünen partiell, aber von der Weltlage her gravierender. Der Antrag, von dem Sie gesprochen und den wir hier eingebracht haben, hat einen konkreten Aufhänger, nämlich das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren.
Wir sagen in der Begründung des Antrages, dass es die jüngste Panne in der Serie „Pleiten, Pech und Pannen“ verschiedenster Geheimdienste und Verfassungsschutzämter in Deutschland ist, aber es wird wahrscheinlich nicht die letzte sein.
Aus diesem unkoordinierten Vorgehen des Bundesamtes und der Landesämter, was V-Leute in der NPD angeht - Sie kennen das alles, unterstelle ich -, hat sich ergeben, dass die NPD, obwohl an ihrer Verfassungsfeindlichkeit wohl kein Zweifel besteht, weiterhin parteilich existent ist. Dadurch bedingt ist auch eine Diskussion über Fehler in der Koordination, im Zusammenspiel der Verfassungsschutzämter und der Geheimdienstbehörden ausgelöst worden.
Die Bundesregierung hat eine Kommission in Planung. Ich weiß, Sie mögen Kommissionen nicht, aber manchmal geht es nicht ohne. Diese Kommission soll die Geheimdienste des Bundes überprüfen und gegebenenfalls zu Änderungsvorschlägen kommen. So weit, wie Sie vorhin in Ihrer Annahme waren, was wir wollen würden, bin ich beispielsweise noch nicht. Es geht jetzt nicht darum, so zu tun, als sei nichts passiert, und die Befugnisse für das Landesamt für Verfassungsschutz durch ein entsprechendes Gesetz zu erweitern. Erst einmal müsste man jetzt über das Gesamtpaket des Landesamtes im Zusammenspiel mit den anderen Landesämtern und dem Bundesamt reden. Darum geht es bei unserem Antrag.
Jetzt zu Ihrem Gesetzentwurf. Herr Schünemann hat vorhin zwei Dinge gesagt, die ich kurz aufgreifen möchte.
Erstens. Sie haben gesagt, es geht um eine Umsetzung des Bundesrechts, Sicherheitspaket II des Bundes. Das stimmt aber in Ihren konkreten Formulierungen nur teilweise. Sie gehen nämlich zum Teil über die Bestimmungen des Bundesrechts hinaus. Das ist ein Problem. Ich werde versuchen, das an einem Beispiel deutlich zu machen.
Zweitens. Sie haben gesagt, niemand soll besorgt sein - datenschutzrechtliche Standards würden voll eingehalten. Wenn ich mir ansehe, wie Ihr Haus mit der Stellungnahme des Niedersächsischen Datenschutzbeauftragten umgegangen ist, bekomme ich Zweifel hinsichtlich Ihrer Aussage. Denn von
den Bedenken, die der Datenschutzbeauftragte in seiner Stellungnahme vorgetragen hat, ist keines im Gesetzentwurf berücksichtigt worden.
Was wollen Sie konkret ändern? - Bisher entscheidet über die Frage, welche Gruppen vom Verfassungsschutz beobachtet werden, der Innenminister. Nach dem Gesetzentwurf entscheidet das in Zukunft der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz. Das nenne ich eine gelungene Deregulierung.
In § 5 a gehen Sie, was die Auskunftsrechte und pflichten von Finanzdienstleistern und Bankinstituten angeht, deutlich über die Regelungen des Bundesrechts hinaus. In Zukunft sollen diese Institute auskunftspflichtig werden. Das bisherige Ergebnis der Schleppnetzfahndung in der Welt der Banken zu Geldern, die von terroristischen und extremistischen Gruppen verwendet wurden, waren 4 935 Euro - die Zahl stammt vom Bundeswirtschaftsministerium bzw. von der Bundesbank. Unter Effizienzgesichtspunkten hat sich diese Regelung des Sicherheitspaketes II als Flop erwiesen. Ich verstehe nicht, wieso Sie diese Regelung angesichts des Scheiterns auf Bundesebene in niedersächsisches Landesrecht übertragen wollen. Gerade an dieser Stelle hätte auch die FDP eine Möglichkeit gehabt, sich verdient zu machen.
Ein besonders gravierender Tatbestand findet sich in § 6 des Gesetzentwurfs. Erstmals soll der verdeckte Einsatz besonderer technischer Mittel zur akustischen und optischen Überwachung in Wohnungen zugelassen werden. Diese Regelung erlaubt intensivste Grundrechtseingriffe bis in den Kernbereich der Intimsphäre hinein. Es handelt sich um einen besonders schwer wiegenden Eingriff. Die im Entwurf enthaltene Befugnis geht weit über die bundesrechtliche Regelung hinaus. Noch gravierender ist, dass derartige Überwachungen auch in Wohnungen Nichttatverdächtiger, also von Personen, gegen die nicht die Vermutung besteht, sie würden verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützen, möglich sind.
Schließlich der IMSI-Catcher: Sie schaffen es mit diesem Instrument mit Hilfe des Verfassungsschutzes, eine Fülle von rechtstreuen Bürgerinnen und Bürgern mit zu erfassen, und können dann sozusagen Bewegungsbilder all dieser Personen, die Sie über das System, über das technische Medium ergreifen, erstellen.
Über eine ganze Reihe weiterer Änderungen kann ich aus Zeitgründen nicht sprechen. Ich meine, dass diese im Ausschuss besprochen werden.
Letzter Punkt zum Sicherheitsüberprüfungsgesetz: Sie dehnen die einfache Sicherheitsüberprüfung auf als lebenswichtig definierte Unternehmen aus. Sie definieren beispielhaft: Die Deutsche Post, die Deutsche Bundesbahn sind lebenswichtige Unternehmen. Wir alle kennen die ungefähren Zahlen der Beschäftigten dieser Einrichtungen und können uns ein ungefähres Bild davon machen, was eine Sicherheitsüberprüfung, die vom Verfassungsschutz durchgeführt wird - von daher eine gute Beschäftigungszusatztherapie für das Landesamt für Verfassungsschutz -, an Kosten bringen wird. Es wäre schön, wenn Sie im Haushalt des Jahres 2004 die ungefähre Kostengröße für diese zusätzlichen Aufgaben und den Personalzuwachs, den Sie benötigen, klassifizieren würden. Wir sind der Auffassung, dass in diesen Zeiten, unter den Rahmenbedingungen knapper Kassen, auch ein Landesamt für Verfassungsschutz zu Einsparvolumina beizutragen hat und beitragen kann, wenn man seine Befugnisse nicht ausweitet. - Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die liberale Definition der Freiheit ist heute schon sehr oft auch von anderen lobend erwähnt worden. Ich werde es diesmal wiederholen; denn man kann es nicht oft genug sagen: Für uns Liberale bedeutet Freiheit, dass der Staat nicht einfach so in die Privatsphäre des Einzelnen eindringen kann, wenn dies nicht erforderlich ist, aber auch, dass der Staat zum Schutz der Menschen vor Verbrechen und auch vor Terrorismus beitragen muss.
Der 11. September hat deutlich gemacht, dass eine ganz neue Bedrohung auf uns zukommt, auf die wir mit neuen Mitteln reagieren müssen. Allerdings stellt sich immer die Frage nach der Wahl der Mittel. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die FDP auf Bundesebene das Schily-2-Paket abgelehnt hat - und das auch mit gutem Grund. Ich wundere mich schon, dass die Grünen heute, wenn wir daran gehen, das, was Abgeordnete und Regierungsbeteiligte der Grünen unserer Meinung nach
weitgehend mit verbockt haben, in Landesrecht umzusetzen, so tun, als wären sie nirgendwo dabei. Die rot-grüne Koalition in Berlin hat all diese Maßnahmen beschlossen. Wenn wir jetzt ganz ehrlich daran gehen und länderübergreifend einen effektiv arbeitenden Verfassungsschutz haben wollen, dann müssen wir den Verfassungsschutz auch auf ein gleiches Niveau bringen. Es ist wichtig, dass wir nur die Maßnahmen umsetzen - auch wenn das der Innenminister an dieser Stelle nicht so gerne hört -, die wir auch auf Bundesebene haben. Das bedeutet, dass der gewaltbereite Inlandsextremismus nicht von diesen Maßnahmen erfasst werden darf. Der Verfassungsschutz soll das tun, was er tun muss - und nicht mehr. Deshalb, Herr Schünemann, kann man auch einmal Nie sagen. Vielleicht ist es Ihnen lieber, wenn wir das jetzt modifizieren. Von daher werde ich es so definieren, dass die Landtagsfraktion der FDP in den nächsten fünf Jahren niemals der Ausweitung des Verfassungsschutzes auf die Organisierte Kriminalität zustimmen wird.
Es gibt eine eindeutige Trennung der Aufgaben - die Polizei tut das, was die Polizei tun muss - und auch erfolgreich. Der Verfassungsschutz tut das, was er tun muss. Es ist für uns ganz wichtig, dass wir die Regelungen, wie sie auch auf Bundesebene befristet worden sind, hier in Niedersachsen - das werden wir im weiteren Verfahren entsprechend berücksichtigen - evaluieren, damit wir in fünf Jahren sehen können, was sich bewährt hat, was erforderlich war, welchen Schutz die Menschen in Niedersachsen brauchen. Dabei hoffen wir auf Ihre Unterstützung. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratungen. Ich erteile jetzt Frau WörmerZimmermann das Wort für eine persönliche Bemerkung nach § 76 unserer Geschäftsordnung. Frau Wörmer-Zimmermann, ich mache Sie aber darauf aufmerksam, dass Sie lediglich Angriffe, die in der Aussprache gegen Sie gerichtet waren, zurückweisen und eigene Ausführungen berichtigen dürfen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte hiermit ausdrücklich einen Angriff des Kollegen Biallas zurückweisen. Ich fordere Herrn Biallas auf, der eben behauptet hat, meine Aussagen wären unrichtig, den Nachtragshaushalt auf der Seite 68 aufzuschlagen, Einzelplan 03, Ausgabentitel 422 01, alter Ansatz: 9 828 000, neuer Ansatz: 9 616 000. Das ist eine Differenz von 212 000 Euro und entspricht, wie Sie auf der Seite 69 sehen, einem Minus von 4,63 Vollzeiteinheiten. Mir war es wichtig, das hier zu erklären. Auf eine Entschuldigung verzichte ich. Ich weiß ja, wer das gesagt hat.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Wörmer-Zimmermann, bei aller Sympathie, ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe. Sie haben richtig gerechnet und den Haushalt richtig wiedergegeben, aber nicht die tatsächliche Lage, was den Stellenplan im Landesamt für Verfassungsschutz anbetrifft.
Ich gebe jetzt die Fakten wieder: Nach dem 11. September hat die SPD-Landesregierung den Stellenbestand von etwa 210 auf knapp 220 angehoben, also um zehn Stellen. Dieser Bestand ist nach dem Stellenplan im Jahr 2002 auf 209 Stellen zurückgegangen und jetzt wieder auf 215,24 angestiegen. An dem Bestand von 220 Stellen fehlen im Haushalt in der Tat 4,63 Vollzeitstellen. Diese werden jedoch durch Abordnung - -
Herr Kollege Biallas, bitte erwidern Sie ausschließlich auf persönliche Angriffe, bzw. korrigieren Sie eigene Angaben!
- Frau Wörmer-Zimmermann - vorgetragen hat. Ich bin auch gleich fertig. - Frau WörmerZimmermann irrt, denn diese 4,63 Vollzeitstellen sind durch Abordnungen der Landespolizei besetzt. Insofern ist es falsch, was sie hier vorgetragen hat.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Beratungen. Wir kommen nun zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport sein, mitberaten sollen der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, der Ausschuss für Haushalt für Finanzen sowie der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen! Stimmenthaltungen? – Das Erste war die Mehrheit. Dann wird so verfahren.
Tagesordnungspunkt 20: Einzige (abschließende) Beratung: Geschäftsordnung für den Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, soweit er Aufgaben nach § 2 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 des Grundgesetzes (NAusfG zu G 10) wahrnimmt - Antrag des Ausschusses für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes - Drs. 15/162
Der nach § 2 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 des Grundgesetzes in der Fassung vom 21. November 1997 vom Landtag bestimmte Ausschuss - das ist jetzt der Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes - hat am 11. September 1998, wie in § 17 a Absatz 4 der Geschäftsordnung des Landtages vorgesehen, eine besondere Geschäftsordnung beschlossen, die der Bestätigung durch den Landtag bedarf. Diese Geschäftsordnung liegt Ihnen als Drucksache 162 vor.
Die Landesregierung ist gehört worden. Die Niedersächsische Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 16. Juni 2003 mitgeteilt, dass die Landesregierung keine Bedenken gegen die Geschäftsordnung hat.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 des vorgenannten Gesetzes erforderliche Bestätigung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Dann ist das so beschlossen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die beiden für heute noch vorgesehenen Wahlen nach dem nächsten Tagesordnungspunkt - Tagesordnungspunkt 21: Partnerschaftliche Sozialpolitik vorzunehmen. Wir müssen das vorher bekannt machen, damit der eine oder andere Abgeordnete, der noch in seinem Arbeitszimmer ist, rechtzeitig den Weg zu uns finden kann.