Meine Damen und Herren, wir haben lange und oft darüber diskutiert, wie wir mit denjenigen Schülerinnen und Schülern umgehen sollen, die in wenigen Wochen dann letztmalig in die Orientierungsstufe eintreten. Wir haben uns für einen klaren Schnitt entschieden. Das Aus für die Orientierungsstufe erfolgt einheitlich zum Schuljahresbeginn im August 2004. Deshalb bleiben diese Schülerinnen und Schüler nur noch ein Jahr in der Orientierungsstufe, um dann auf der Grundlage einer Empfehlung in die weiterführende Schulform zu wechseln. Um eine Chancengleichheit zu gewährleisten, wird auch diesen Schülerinnen und
Schülern generell das Abitur nach zwölf Schuljahren ermöglicht. Wir haben uns für eine zügige Lösung, am besten punktgenau ab August 2004, entschieden. Kürzlich kam dazu ein gutes Argument auf den Tisch, als jemand sagte, es sei ihm völlig klar: Wenn man solch eine große Reform macht, dann ist das wie das Umstellen von Linksverkehr auf Rechtsverkehr. Man kann nicht mit den Lkw in einem Jahr beginnen, mit den Pkw im zweiten Jahr und mit den Fahrrädern im dritten Jahr. Das muss zu einem Zeitpunkt geschehen, auch wenn es gewisse Umstellungsschwierigkeiten mit sich bringt.
Wir sind nicht so naiv, anzunehmen, dass es für die Schulträger keine organisatorische Herausforderung bedeutet. Die Signale sind sehr günstig, selbst aus Hannover, Herr Meinhold. Ich glaube, die kriegen das alle hin. Natürlich gibt es Detailprobleme. Wir werden behilflich sein, es strukturell entsprechend zu begleiten.
Meine Damen und Herren, der Name für dieses Schulgesetz wurde bewusst gewählt. Es geht nicht nur um die Verbesserung von Bildungsqualität, sondern auch um die Sicherung von Schulstandorten, ein gerade im Flächenland Niedersachsen unverzichtbares Anliegen, wenn man den Grundsatz "kurze Wege für kurze Beine" wirklich ernst nimmt. Die Sicherung von Schulstandorten ist ureigenes Anliegen unserer Politik, während die Sozialdemokraten in ihrem Schulgesetz und in ihrem politischen Handeln stets auf größere Einheiten und damit auf das Sterben von kleinen Schulstandorten in der Fläche gesetzt haben. Das darf nicht in Vergessenheit geraten. Mit der Förderstufe haben Sie - die Prämisse der Vierzügigkeit war bekannt - letztlich im Grunde genommen eine Verringerung der Schulstandorte angestrebt. Das noch bestehende Schulgesetz war nichts anderes als eine Kampfansage an ein gegliedertes und wohnortnahes Schulwesen im ländlichen Raum. Dass aus dieser Gefahr keine Realität wird, haben wir der Wählerentscheidung und in der Konsequenz diesem neuen Schulgesetz zu verdanken, meine Damen und Herren.
mangelhaften finanziellen Grundlage des Gesetzentwurfs will nur von der eigenen Verantwortung für das finanzielle Desaster des Landes auch in der Schul- und Bildungspolitik in der Vergangenheit ablenken, meine Damen und Herren. Wer mit einem Finger auf andere zeigt, Herr Jüttner, der muss immer bedenken, dass drei Finger auf ihn selber gerichtet sind. Kosten des Gesetzentwurfs, etwa wenn es um hohe Klassenbildung geht, wären auch entstanden, wenn das SPD-Gesetz umgesetzt worden wäre. Die vorübergehenden zusätzlichen Kosten für das Abitur nach zwölf Schuljahren sowie für die von der SPD eingeführte volle Halbtagsschule können kaum als Beleg für die Kosten einer angeblich rückwärts gewandten Bildungspolitik herhalten. Diese Argumentationskette verstehe ich nicht.
Es muss immer wieder daran erinnert werden, dass die SPD-Fraktion für ihre eigene Schulgesetznovelle keine einzige Lehrerstelle eingeplant hatte und diese Novelle also durch Unterrichtsausfall finanzieren wollte. Rund um die 700 NovemberLehrer, Herr Aller, hat sich ein Trauerspiel abgespielt, das ich gar nicht mehr kommentieren will. Die Ohrfeige dafür haben Sie ja vom Landesrechnungshof erhalten.
Meine Damen und Herren, diese Schulgesetznovelle bestätigt aber auch ein großes Stück Kontinuität und Gemeinsamkeit. Wir machen nicht alles anders, aber vieles besser.
Frühzeitige Sprachförderung, die Möglichkeit einer flexiblen Eingangsstufe in der Grundschule, Werte- und Normenunterricht sowie verbesserte Finanzhilferegelungen für Schulen in freier Trägerschaft - diese Weiterentwicklungen des SPDSchulgesetzes nehmen wir auf und tragen sie ausdrücklich mit. Das muss auch gesagt werden.
Es gibt ein fraktionsübergreifendes Fundament, wenn es um Hochbegabtenförderung, um Integration, um Ganztagsschulangebote sowie um das PRORECO-Konzept an Berufsschulen geht. Das wurde vor zwei Jahren gemeinsam beschlossen.
Wir stehen für eine moderne und reformfreudige Schulpolitik. Trotz aller bildungspolitischen Gegensätze haben die Beratungen im Kultusausschuss in einem offensichtlich recht konstruktiven Klima stattgefunden.
(Heinrich Aller [SPD]: Für solch ein schlichtes Schulgesetz müssen Sie so lange reden? - Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsidenten)
- Der Präsident hat das Wort, Herr Aller. - Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, Ruhe zu halten. Der Minister hatte vorher gesagt, er braucht eine etwas längere Redezeit.
- Bleiben Sie ganz ruhig! Ich habe Verständnis dafür, dass Sie aufgeregt sind. Es ist kurz vor der Mittagspause.
Ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Der Minister hat die Redezeit um das Dreifache verlängert. Ich gehe davon aus, dass er jetzt zum Schluss kommt und Sie noch ruhig zuhören. Dann können wir auch zur Abstimmung kommen, nachdem Frau Harms - sie hat nach § 71 Abs. 2 der Geschäftsordnung um das Wort gebeten - geredet hat.
Ich werde dem Wunsch gerne nachkommen, möchte aber vor allem der linken Seite des Hauses deutlich machen: Ein Schulgesetz ist nicht ein Zufallsprodukt. Es geht um 1 Million Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen und um über 70 000 Lehrkräfte.
Dahinter stehen auch Eltern. Es stehen 3 500 Schulstandorte dahinter. Auch die Öffentlichkeit steht dahinter, die genau wissen will, wie es in Zukunft geht. Sie sollten sich schon mal die eine oder andere Minute Zeit nehmen, sich anzuhören, wie das geht. Die Bürger wollen wissen, was hier läuft.
Ich war bei den Gemeinsamkeiten. Die gibt es zum Beispiel auch, wenn es um die Weiterentwicklung der Sonderschule zur Förderschule geht, die in einem gesonderten Gesetzentwurf umfassend geregelt werden soll.
Meine Damen und Herren, wir haben ein Schulgesetz vorgelegt, welches allen Beteiligten die größtmögliche Flexibilität gibt. Wir beenden mit der Verabschiedung dieses Schulgesetzentwurfs die unselige Schulstrukturdebatte. Wir machen einen klaren Schnitt und setzen auf Neubeginn. Wir wollen und werden die Umstellung schnell und konsequent bewerkstelligen, um ein wesentliches zentrales Ziel zu erreichen - das müssen Sie sich jetzt anhören -: Wir brauchen endlich Ruhe an unseren Schulen!
Wir brauchen Ruhe, damit unsere Lehrerinnen und Lehrer mit den ihnen anvertrauten Schülern konsequent und langfristig arbeiten können. Wir brauchen Ruhe an den Schulen, damit die kommunalen Schulträger verlässlich planen können. Und es wird endlich Schluss damit sein, einmal getroffene schulpolitische Grundsatz- und Strukturentscheidungen immer wieder in Frage zu stellen. Deshalb wird mit der Verabschiedung dieses Gesetzes die ideologische und insofern rückwärts gewandte Debatte um die Schulstruktur endlich beendet sein. Ich fordere hier ganz nachdrücklich für unsere Schulen: Unsere Schulen müssen ideologiefreie Zonen sein.
Nachdem ich den einen oder anderen Redebeitrag vorhin gehört habe, stelle ich fest: Sie wollen es offenbar nicht lernen. Immer wieder dieses ideolo
Das war jetzt das Gesetz. Die nächste wichtige Aufgabe ist die innere Schulreform. Es wird neue Grundsatzerlasse geben, verbindliche Bildungsstandards werden festgeschrieben, Leistungstests und verbindliche Abschlussprüfungen zur Qualitätsentwicklung werden kommen. Ferner sind die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit von Schule im Rahmen des staatlichen Bildungsauftrags und die frühe und ganzheitliche Förderung aller Schülerinnen und Schüler zu nennen. Lassen Sie uns einfach die Ergebnisse abwarten, wie sich zum Beispiel 2006 das Zentralabitur auswirkt, wie sich dann die Prüfungen an Haupt- und Realschulen ab 2007 darstellen. Dann mag sich ja manche Frage auch neu stellen, zum Beispiel die Frage nach neuen Gesamtschulen. Das warten wir mal ganz gelassen ab, Herr Jüttner. Wenn ich mir erste Tests aus Brandenburg ansehe, dann war das für die Gesamtschulen nicht ganz so toll. Ich würde sagen, wir schauen uns das mal in Ruhe an. Das wird dann alles ohne Scheuklappen angegangen.
Ich habe ein schönes Zitat von Thomas Edison gefunden. Er sagte: „Wenn es einen Weg gibt, etwas besser zu machen, finde ihn!“ - In diesem Sinne bin ich für konstruktive Verbesserungsvorschläge jenseits überholter ideologischer Debatten immer aufgeschlossen. Ich freue mich auf Ihre Beiträge.
Ich danke ausdrücklich allen, die sich an der Erarbeitung und Beratung des Gesetzentwurfs beteiligt haben: den Kolleginnen und Kollegen der vergangenen Legislaturperiode, die mit dem CDUGesetzentwurf vom November den Weg bereitet haben, den Fraktionen von CDU und FDP für die konstruktive Zusammenarbeit insbesondere auch im Ausschuss, der Öffentlichkeit und allen beteiligten Verbänden, die im Rahmen der landesweiten Diskussion und Anhörung nützliche Vorschläge gemacht haben, den Abgeordneten im Kultusausschuss - das sage ich noch einmal -, die über Parteigrenzen hinweg auch wichtige Gemeinsamkeiten festgeschrieben haben, dem Gesetzgebungsund Beratungsdienst des Landtages sowie der übrigen Landtagsverwaltung für die Unterstützung und hilfreichen Hinweise, und nicht zuletzt meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Kultusministerium, die die Herkulesaufgabe der Gesetzesbe
ratung reibungslos bewältigt haben und für die die eigentliche Herausforderung mit dem Schuljahresbeginn 2004 möglicherweise noch bevorsteht.
Ich bin überzeugt, meine Damen und Herren: Mit diesem Gesetz und den damit verbundenen herausragenden Richtungsentscheidungen setzen wir Maßstäbe über den Tag hinaus, für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus, für das Aufgreifen europäischer und internationaler Herausforderungen und für notwendige inhaltliche Reformen. Das ist eine Richtungsentscheidung für ein begabungsgerechtes, durchlässiges und wohnortnahes gegliedertes Schulsystem. Dafür schaffen wir die Voraussetzungen. Das Ziel muss sein, dass niedersächsische Schüler in späteren Jahren bei PISA-Tests nicht mehr Verlierer, sondern Gewinner sind. Dafür liefert dieses Gesetz die Grundlage. - Ich danke Ihnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle fest, das war das Vierfache dessen, was die Landesregierung als Redezeit zur Verfügung hatte.
Ich sage ausdrücklich: Da ein Schulgesetz für ein Land eine besondere Bedeutung hat - jedenfalls mehr Bedeutung als Kormorane -,
hat das Präsidium entschieden, diese Debatte im zeitlichen Ablauf laufen zu lassen. Das ist aber nicht jedes Mal der Fall. Ich sage das hier ganz deutlich. Das war die große Ausnahme.
Nach § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung hat sich Frau Harms zu Wort gemeldet. Frau Harms, ich erteile Ihnen das Wort für vier Minuten.