Die Familie lebt hier seit 16 Jahren; ihr Lebensmittelpunkt ist Westerstede. Die meisten Kinder sind hier geboren; sie sprechen Deutsch. Der Vater wurde wegen sexueller Nötigung und wegen Körperverletzung gegenüber seiner Frau zu einer höheren Freiheitsstrafe verurteilt. Im Jahre 2004 wurde er zu Recht ausgewiesen und abgeschoben. Erst nach seiner Abschiebung konnte seine Familie aufatmen. Nun trat zutage, dass er sich nicht nur an der Frau, sondern auch an den Mädchen vergriffen hatte. Es schlossen sich Behandlungen der Mutter und einer Tochter an.
Die Familie ist vor einigen Jahren vom jesidischen Glauben zum christlichen Glauben übergetreten. Sie hat viele Jahre von Sozialhilfe bzw. ergänzender Sozialhilfe gelebt. Nach Abschiebung des Mannes fand man einen erheblichen Geldbetrag sowie Hochzeitsgoldschmuck der Frau. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Sozialhilfebetrugs erhoben. Das Gericht hat aber bisher die Hauptverhandlung nicht zugelassen, weil es erheblichen Klärungsbedarf sieht. Das ist auch verständlich, da die Ehefrau, die mit 15 Jahren zwangsverheiratet wurde, des Lesens und Schreibens im Wesentlichen nicht mächtig ist, schon gar nicht in der lateinischen Schreibweise. Deshalb hat ihr Mann alle Behördengänge unternommen und alle Anträge selbst gestellt, sodass sie nicht mitbekam, was ihr Mann gemacht hat. Somit hat das Gericht auch zu klären, wer den Sozialhilfebetrug begangen hat. Solange keine Verurteilung erfolgt ist, gilt in unserem Rechtsstaat die Unschuldsvermutung.
Dass die Frau über Goldschmuck verfügte, ist bei jesidischen Gruppen selbstverständlich. Das ist in allen arabischen Ländern so; denn allein stehende ältere Frauen haben keinen Rentenanspruch und bei Trennung auch keinen Unterhaltsanspruch.
Seit längerer Zeit erhält die Frau Unterhaltsmittel seitens der restlichen Familie und des Unterstützerkreises.
Die Familie hat einen Wiederaufgreifensantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellt, der allerdings abgelehnt worden ist. Das Bundesamt sieht keine Gründe, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens rechtfertigten.
Nun könnte man ja glauben, man könne sich zurücklehnen. Nein, meine Damen und Herren, dies tun wir nicht. Die Kinder, um die es in erster Linie geht, entwickeln sich seit 16 Jahren vorzüglich. Dass ihre Misshandlungen bislang nicht bekannt waren, hängt damit zusammen, dass sie sich nicht öffnen konnten, solange der Vater nicht abgeschoben war. Sowohl die Mutter als auch die Kinder haben sich inzwischen geöffnet. Die Mutter wird im Krankenhaus Wehnen behandelt; auch das Kind ist in der Psychiatrie mit posttraumatischen Belastungsstörungen aufgefallen.
Ab dem 15. Lebensjahr gilt dies für die Töchter, ab dem 13. Lebensjahr für die Söhne. So hat es auch das Bundesamt ausgeführt. Aber das Bundesamt sagt:
„Auch wenn sich die Regelung des Sorgerechts in Syrien möglicherweise nicht am konkreten Kindeswohl des jeweiligen Einzelfalles orientieren würde, kann ihr gleichwohl eine Ausrichtung an einem eher abstrakten Kindeswohl unter Berücksichtigung der dortigen gesellschaftlichen Verhältnisse nicht abgesprochen werden. Diese Sorgerechtsregelung stellt nicht eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar...“
- Meine Redezeit läuft ab. - Lassen Sie mich zum Schluss Folgendes sagen: Die Beratergruppe hat - mit einer Ausnahme - positiv entschieden. Ich möchte unsere Sozialministerin zitieren, die in der Braunschweiger Zeitung vom 28. März Folgendes
gesagt hat: „Ein Land ohne Kinder ist ein Land ohne Visionen und Träume.“ Aber Kinder ohne ein Land haben es schwer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mittlerweile kämpfen die Unterstützerinnen und Unterstützer der Familie K. schon ein ganzes Jahr für deren Bleiberecht. Seit Monaten muss sich aber - das hat Frau Merk ausgeführt - die Mutter von acht Kindern für eine nicht selbst verschuldete Lebenssituation rechtfertigen, in der andere Frauen schon längst den Schutz des Staates zugesprochen bekommen hätten.
Monatelang haben Menschen im Umfeld der Familie in Briefen, Stellungnahmen und Gottesdiensten deutlich gemacht, dass Frau K. mit ihren sechs Töchtern und zwei Söhnen trotz der schwierigen Ereignisse in der Vergangenheit ein wichtiger Bestandteil der Gemeinde Westerstede geworden ist.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, die Integrationsleistungen und -bemühungen dieser Familie, vor allem der Kinder, in den 16 Jahren standen aber scheinbar überhaupt nicht im Mittelpunkt der Diskussion. Im Zentrum Ihrer Nachfragen stand immer wieder die Kriminalisierung der Familie. In diesem Fall wurden aber eine Mutter und ihre Kinder, die nachweislich immer wieder zu Opfern der Gewalttätigkeit des Familienvaters wurden, für die Straftaten des Ehemannes und Vaters haftbar gemacht. Meine Damen und Herren, der Vater ist nachweislich der Täter, nicht die Mutter - und schon gar nicht die Kinder. Das ist eindeutig belegt worden.
Meine Damen und Herren, der Gipfel dieser Diskussion waren die Kommentierungen seitens der CDU vor der Presse - als ob Sie die Eingabe, die unzähligen Briefe und Stellungnahmen noch nie
gelesen und die unzähligen Diskussionen und Argumente - vor allem im Ausschuss - noch nie gehört hätten.
Sie begründen Ihre Ablehnung nach fast einem halben Jahr Beratung - wir haben es schon gehört; darüber ist im Plenum schon diskutiert worden damit, dass man aus rechtlicher Sicht gar nicht zuständig sei - dass Sie für diese Feststellung ein halbes Jahr brauchen, ist schon bemerkenswert -, ergänzt um die Standardkommentierung, die ich wirklich nicht mehr hören kann: Das ist eine zielstaatenorientierte Problematik. - Wenn der Fall nicht so dramatisch wäre, dann müsste man über so viel Ignoranz lachen.
Meine Damen und Herren, das Manöver ist leicht durchschaubar. Man gibt die Verantwortung ab und verweist immer wieder auf die Bundesebene. Das kennen wir bereits. Genau mit diesem Verfahrenstrick wird aber der eigentliche Sinn von Härtefallentscheidungen pervertiert. Denn, meine Damen und Herren - es ist müßig, aber wir müssen es scheinbar immer wieder deutlich machen -: Härtefälle sind Härtefälle, weil sie in unserem Rechtssystem über Jahrzehnte durch alle Raster gefallen sind,
Das Härtefall-Beratergremium hat eindeutig mehrheitlich entschieden, Herr Schünemann. Aber Sie haben sich ja auch bisher nie an die Empfehlungen des Härtefall-Beratergremiums gebunden gefühlt. Sie wollen keine Härtefälle anerkennen und werden, wie ich und meine Fraktion befürchten, auch zukünftig keine Härtefälle anerkennen wollen. Eine allein erziehende Mutter von acht Kindern wird, so ist zu befürchten, in Ihrer angekündigten Härtefallkommission keine Chance bekommen.
Meine Damen und Herren, für unsere Fraktion ist Frau K. mit ihren acht Kindern ein Härtefall. Deshalb bitten wir die Kolleginnen und Kollegen, sich für ein Bleiberecht auszusprechen und mit Ihrer Stimme für unseren Änderungsantrag die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen, also die Frau als Härtefall anzuerkennen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zur Eingabe 2214 (01 - 05). Die Ausreiseverpflichtung der Familie Kasem begründet entgegen der Auffassung der Petenten keine besondere Härte. Ich werde auf die Einzelsituation noch eingehen.
Eine individuelle Sondersituation der Familie liegt nicht vor. Die Familie ist ebenso wie andere Ausländer, die sich bereits seit mehreren Jahren im Bundesgebiet aufhalten, zur Ausreise verpflichtet. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Familie bereits seit Jahren die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise hatte. Dass dies auch angedacht wurde, hat die Anwältin der Familie - das sage ich ganz deutlich - am 27. September 2005 gegenüber der Ausländerbehörde geäußert.
Ich möchte noch einmal darauf eingehen, dass nach der Abschiebung des Herrn Bacho, der seine Ehefrau und Kinder misshandelt haben soll,
deutlich geworden ist, dass sich beispielsweise die Abschiebung in ganz anderer Weise zugetragen hat, als Sie es immer wieder anführen. Die Frau hat sich von ihm verabschiedet und hat ihm Geld gegeben. Eine Tochter hat ihn in den Arm genommen, ihn kaum losgelassen, sich ihm vor die Füße geworfen. Ich denke, das macht keine Tochter, die unmittelbar davor von ihm misshandelt worden ist.
(Widerspruch bei SPD und bei den GRÜNEN - Ursula Helmhold [GRÜ- NE]: Sie haben ja gar keine Ahnung!)
Frau Kollegin Polat, wenn Sie sagen, es sind zielstaatenbezogene Asylproblematiken, dann trifft das zu. Wir müssen schon unsere Kompetenzen kennen.
Trotz allem haben die Fraktionen von CDU und FDP die Eingabe noch einmal zurückgestellt, um abzuwarten, was das Bundesamt herausfindet. Das Bundesamt hat ja entscheidende Prüfungen vorgenommen. Der Bericht liegt vor und kann eingesehen werden. Ich bitte, diese grundlegenden Daten nicht außer Acht zu lassen.
Wenn vorgetragen wird, dass Frau Kasem in Syrien erhebliche Schwierigkeiten hat und von ihrem Mann bedroht wird, dann muss man auch anführen, dass es in Syrien mittlerweile 1 590 Frauenverbände gibt, die nahezu in allen Provinzen Syriens vertreten sind. Dort findet man Beratung und Unterstützung.
(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das ist Zynismus! - Karin Stief-Kreihe [SPD]: Das ist nicht mehr erträglich!)
Frau Merk, Sie haben davon gesprochen, dass Geld und Goldschmuck gefunden wurde. Die wirtschaftliche Situation stellt sich also besser dar.
Für die Prüfung spielt auch eine Rolle, dass es seit 2003 ein neues Gesetz gibt. Danach müssen Kinder ab dem 13. bzw. 15. Lebensjahr nicht mehr beim Vater sein, sondern es gibt auch noch andere Möglichkeiten.
Danke schön. - Frau Helmhold hat sich zu einer Kurzintervention zu dem Beitrag des Kollegen Krumfuß gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Krumfuß, ich möchte Ihnen nach diesen Äußerungen, die Sie eben in Bezug auf die von Missbrauch betroffenen Frauen gemacht haben, einen Besuch bei einer Beratungsstelle, beim Kinderschutzbund, bei einer BISS-Stelle empfehlen,
damit Sie zumindest eine leise Ahnung davon bekommen, welche problematischen Familienkonstellationen es in diesem Lande gibt und wie sich