Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

(Beifall bei der SPD)

Im Jahr 2008 werden die Mehreinnahmen nach der neuen Steuerschätzung des MF 712 Millionen Euro betragen. Davon nehmen wir für das beitragsfreie Kita-Jahr 90 Millionen Euro. Wir werden uns vorbehalten, im Jahr 2008 noch weitere Schwerpunkte im bildungspolitischen Bereich zu setzen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat sich noch einmal die Kollegin JanssenKucz zu Wort gemeldet. Frau Kollegin, Sie haben noch eine Redezeit von 2:43 Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ein paar Sätze zu dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion sagen. Ich finde, dieser Gesetzentwurf ist ein legitimer Aufschlag. Aber ich halte ihn für nicht praktikabel. Stellen Sie sich doch einmal vor, in der Kommune A ist das dritte KitaJahr und in der Kommune B das erste Kita-Jahr kostenfrei und die Eltern haben die Wahlfreiheit. Dann suchen sich doch die Eltern die Kindertages

stätte aus, die gerade kostenfrei ist. Dann kann ich sogar zwei Jahre mitnehmen.

(Unruhe bei der SPD)

Liebe SPD, mit Ihrem Vorschlag öffnen Sie dem Kita-Tourismus Tür und Tor, und Sie sorgen für noch mehr Unruhe im elementaren Bildungsbereich.

(Beifall bei der CDU)

Ziel ist es doch, gleiche Bildungschancen für alle zu erreichen. Deshalb ist ein verbindliches kostenfreies Kita-Jahr nur im dritten Jahr sinnvoll. Darüber streiten die Fachleute auch nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Denken Sie einmal darüber nach! Mit Ihrem Antrag zerstören Sie den Konsens, den wir mit Herrn Busemann haben. Er hat im Februar gesagt: Ich unterstütze im Kern die Forderung nach Beitragsfreiheit im dritten Kindertagesstättenjahr. - Lassen Sie uns diesen Konsens weiter vorantreiben und hören Sie endlich auf, auf diesem Kern herumzukauen, sondern lassen Sie uns gemeinsam einen Kern pflanzen, damit das Bäumchen anfangen kann zu wachsen!

Ich meine, es besteht in der Tat Übereinstimmung, dass der Bildungsauftrag in den Kindertagesstätten gestärkt werden soll.

(Astrid Vockert [CDU]: Durch unsere Initiative!)

- Darin stimmen wir überein, liebe Frau Vockert. Das Paket, das wir vorgelegt haben, beinhaltet alles: frühkindliche Bildung, höhere Bildungsqualität, mehr Plätze für Kinder unter drei Jahren. Wir haben ein Komplettpaket vorgelegt und betreiben nicht Flickschusterei.

Meine Damen und Herren, wir alle gemeinsam - das ist hier noch einmal deutlich geworden - wollen für ein familien- und kinderfreundliches Niedersachsen streiten. Das können wir nur, wenn die Flickschusterei ein Ende hat, wenn wir ein Komplettpaket verabschieden, auf den Weg bringen und endlich auf allen Ebenen eine gemeinsame Kraftanstrengung unternehmen. Ich habe in meinem ersten Wortbeitrag sehr deutlich gemacht, dass wir als grüne Fraktion keine Ebene aus der Verantwortung entlassen möchten, wenn es um die frühkindliche Bildung geht. Der Bund ist gefor

dert - auch Frau Dr. von der Leyen mit ihren Sprüchen und Zitaten, die ich lobe -, die Landesebene ist gefordert, - -

Und Sie sind aufgefordert, jetzt zum Schluss zu kommen.

- - - aber auch die Kommunen sind gefordert, die im Moment noch einen großen Batzen alleine tragen und auch bereit sind, weitere Schritte zu gehen. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung erteile ich jetzt Herrn Minister Busemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir befassen uns hier mit einem sehr wichtigen Thema. Ich meine, wir haben in weiten Gebieten - auch, was Bausteine des Konzepts anbelangt sogar eine breite Übereinstimmung. Aber ich habe den Eindruck, es wird jemand gesucht, der das Ganze bezahlt.

(Walter Meinhold [SPD]: Das ist im- mer so!)

Das soll im politischen Leben ja vorkommen - Herr Meinhold, Sie kennen das Thema natürlich auch; Sie sind ja auch in den lokalen Parlamenten vertreten -, und das ist manchmal gar nicht einfach.

Trotzdem, Herr Kollege Jüttner, man muss schon starke Nerven oder vielleicht auch eine gewisse Amnesiefähigkeit mitbringen, um solche Reden zu halten, wie Sie sie hier gehalten haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich darf in Erinnerung rufen: Es soll ja im Lande Niedersachsen im Jahre 1990 eine Grundsatzauseinandersetzung und eine Entscheidung des Wählers gegeben haben. Seinerzeit wurde unter Beschreibung des unbestreitbaren Bedarfs gesagt, die Landesregierung werde ab sofort bzw. in Kürze zu 100 % Mittel für die Personalkosten im Kindertagesstättenwesen zur Verfügung stellen. Wir sind jetzt bei knapp 20 % angekommen. Das entspricht

zurzeit 160 Millionen Euro. Würden wir 100 % liefern müssen, wären das ca. 800 Millionen Euro. Wenn das damals so klar war, warum haben Sie das in 13 Regierungsjahren nicht hinbekommen? Warum müssen wir heute überhaupt darüber reden?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist erst drei Jahre her, dass Sie und Ihre Freunde abgetreten sind. Das möchte ich auch in Erinnerung rufen.

(Zuruf von Christa Elsner-Solar [SPD])

- Der Wähler hat so entschieden.

Auch hinsichtlich der Notwendigkeit der frühkindlichen Bildung haben wir eigentlich keinen Streit. Man kann lange über PISA nachdenken: Das ist ein Vorwurf an ganz Deutschland - von mir aus auch an Niedersachsen -, an die komplette Politik, egal, wer wo mit welchem Parteibuch regiert hat. Wir haben die frühkindliche Bildung vernachlässigt. Wenn Sie so wollen, ist das Fundament für den weiteren schulischen Weg unserer Kinder vernachlässigt worden. Daran müssen wir arbeiten; das ist völlig klar.

Ich sage dann auch einem alten 68-er: 30 Jahre lang durften wir offenbar nicht das wissen, was wir heute wieder wissen und was Sie heute auch vorgetragen haben: Kinder sind wissbegierig, können sozusagen spielerisch lernen, können bilingual ausgebildet werden usw. Über Jahrzehnte wurde das doch vernachlässigt. Manche Dinge durften ja gar nicht angepackt werden.

(Beifall bei der CDU - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Das passt doch nicht!)

Das einmal vorweg, meine Damen und Herren. Man muss das Thema, so schwierig es auch ist - am Ende geht es immer ums Geld -, in aller Ruhe miteinander sortieren und gucken, an welchem Punkt wir sind und welche Möglichkeiten sich eventuell auftun.

Bei aller Übereinstimmung in der großen Linie möchte ich hier noch einmal ausdrücklich deutlich machen: Diese Landesregierung hat immerhin vor drei Jahren etwas getan, was die Regierungen davor 13 Jahre lang nicht getan haben. Wir haben etwas strukturell sehr Wichtiges getan, nämlich die Zuständigkeit für das Kindertagesstättenwesen an das Kultusministerium übergeben. Das hätte man eher machen sollen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Janssen-Kucz, auch besten Dank für das Lob. Wir haben es gemeinsam mit allen Trägern der über 4 000 Kitas im Lande Niedersachsen erreicht, einen umsetzungsfähigen Orientierungsplan - nicht nur 500 Seiten Literatur - für Bildung und Erziehung im Elementarbereich zu kreieren, der auch tatsächlich umgesetzt wird. Das ist jedenfalls mein Eindruck. Man muss bei der Umsetzung nicht immer Druck von oben erzeugen; die Kitas scheinen das ja zu verinnerlichen.

Zur Rechtslage: Die Kitas - das ist eine gute Sache - stehen in der Regel in freier Trägerschaft. Da können wir nicht mit dem landesgesetzlichen Knüppel kommen und sagen: Ihr müsst das oder das tun. - Der Konsens, den wir gefunden haben, ist, glaube ich, genau das richtige Mittel.

Ich möchte auch darum bitten, einmal ins Schulgesetz zu schauen. Es wird zu Recht angesprochen, dass wir eine bessere Kooperation zwischen Kitas und Grundschulen erreichen müssen. Hier hat sich in den letzten Jahren deutlich etwas verändert. Das ist auch im Schulgesetz so angelegt. Kitas und Grundschulen verinnerlichen das und sind, wie ich finde, durchaus konstruktiv und erfolgreich dabei.

Weiter will ich einen Komplex ansprechen, der gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Schon im sozialdemokratischen Schulgesetz des Jahres 2002 war die Sprachförderung angelegt. Aber Sie wissen ja, welcher Vorhalt jetzt kommt, Herr Jüttner: Sie haben leider vergessen, die notwendigen Etatmittel dafür zu organisieren.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist doch falsch! Das ist doch Unfug!)

Das mussten wir dann machen. Ich finde, die Sprachförderung über das gesamte vorschulische Jahr, die wir mittlerweile mit allen Beteiligten zustande gebracht haben, kann sich sehen lassen. Im Elementarbereich funktioniert das auf der Basis lokaler Konzepte, insbesondere auch für die unter Fünfjährigen. Dann stehen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren bereit. Der gesamte Komplex Sprachförderung reicht bis in die Grundschule hinein. Da findet ja etwas statt. Es ist ja nicht so, dass da nichts stattfindet. Das war eine Mehrausgabe von 20 Millionen Euro. Das könnten Sie bei dieser Gelegenheit ruhig einmal loben! Denn vorher war das nicht der Fall, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ganz wichtig für die Kitas ebenso wie für die Grundschulen ist die individuelle Lernentwicklung mit höchst unbürokratischer Dokumentation.

(Unruhe)

Herr Minister Busemann, halten Sie bitte einen Moment inne, bis es etwas ruhiger geworden ist. Bitte!

An der individuellen Förderung auch im KitaBereich sind wir dran. Uns wird ja von Erziehern und Lehrern gesagt, wie stressig das alles sei. Daher wäre ich dankbar, wenn wir auch die Unterstützung der Opposition hätten, wenn wir das alles schrittweise umsetzen. Es wäre auch auf der lokalen Ebene durchaus hilfreich, wenn Sie dann sagen würden: Ja, das muss so sein; das ist richtig; das hat seinen Sinn.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben also einiges auf den Weg gebracht. Nun stellt sich die Frage: Wie kommen wir weiter? - Dabei stellt sich die wichtige Frage: Können wir die Eltern von den Beiträgen - von der wirtschaftlichen Belastung befreien? Das ist ein wichtiger Baustein in dem großen Konzept. Da gibt es gar keinen gewaltigen Gegensatz. Aber man muss prüfen, wie man das erreichen kann.