Protokoll der Sitzung vom 21.06.2006

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Frau JanssenKucz das Wort. Bitte schön, Frau Janssen-Kucz!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich zu der Aufforderung von Frau Vockert gemeldet, dass die Opposition endlich ein solides Finanzierungskonzept vorlegen sollte. Wir haben etwas vorgelegt. Die SPD hat in Ansätzen auch etwas vorgelegt.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Nicht nur sagen, was es kostet!)

Ich will noch auf etwas anderes hinweisen: Wer hat eigentlich im Landtagswahlkampf 2003 versprochen, dass es ein beitragsfreies Kita-Jahr gibt? Da ist bis heute nichts passiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben Ihnen im kalten Februar einen Antrag vorgelegt, mit dem wir Sie aufgefordert haben, dass doch bitte Sie ein Finanzierungskonzept vorlegen; denn nach zwei Jahren Regierungsarbeit kann man das wohl langsam erwarten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir haben im Februar den Antrag der Grünen an die Ausschüsse überwiesen. Ich weiß aber nicht, ob es Ihnen zu heiß geworden ist. Dieser Antrag der Grünen ist nämlich bis zum heutigen Tag in der

Versenkung verschwunden. Daher frage ich Sie ernsthaft: Wollen Sie das Thema „Beitragsfreier Kindergarten“ einfach aussitzen, um für die nächste Landtagswahl noch einmal ein kleines Leckerli zu haben? Das hätte ich gerne einmal gewusst. Sie werfen der SPD vor, dass sie jetzt zur Kommunalwahl blanken Populismus betreibe. Aber das, was Sie hier machen, zieht sich richtig hin. Sie machen vor jeder Wahl dieselbe Ankündigung, und wann kommt endlich etwas?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zur Antwort auf die Kurzintervention erteile ich Frau Vockert das Wort. Bitte!

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Zu sagen, was es kostet, ist noch kein Finanzie- rungskonzept!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Konzept der SPD steht eindeutig, was es kostet. Darin steht aber nicht, wie es finanziert wird.

(Zurufe von der SPD: Doch!)

Im Antrag der Grünen, den ich mitgebracht habe, steht, dass wir uns mit dem Ehegatten-Splitting, mit der Individualbesteuerung usw. auseinander setzen sollen. Das heißt, Sie fordern vom Land etwas ein. Der Bund soll in irgend einer Form tätig werden, um uns das Geld zu geben.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das ist un- solide!)

Wenn Sie so Finanzpolitik machen, dann werden Sie auch weiterhin in diesem Land scheitern. Mit uns ist das nicht zu machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nächster Redner ist Hans-Werner Schwarz von der FDP-Fraktion.

(Walter Meinhold [SPD]: Freiheit für Kitas! Beitrittsfreiheit!)

Das war Herr Plaue, glaube ich.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Nein, Herr Meinhold war das!)

- Ach, Herr Meinhold.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Große Un- terschiede gibt es da nicht! - Heiter- keit)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Jüttner, Sie sprechen von einem Handlungsdefizit. Ich bin der Meinung, dass Frau Vockert gerade ausführlich dargelegt hat, dass die von CDU und FDP geführte Landesregierung in den letzten drei Jahren viel mehr gemacht hat als das, was bei Ihnen in den Jahren zuvor stattgefunden hat.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dieses Handlungsdefizit hätten Sie schon längst aus dem Weg räumen können. Dann hätten wir es heute nicht mehr.

Ich möchte Sie, Herr Jüttner, auch bitten, dass Sie mit den Zahlen hier fair umgehen sollten. Ich verweise darauf, dass bei uns in der Bundesrepublik die Sollvorstellung der OECD, dass ca. 1 % des Bruttoinlandsproduktes für den Bereich der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für die Kinder bis zum Schuleintritt investiert werden soll, in der Tat nicht annähernd erreicht wird. Wir liegen bei 0,5 %. Das ist aber kein Niedersachsen-typisches Problem, sondern dieses Problem betrifft die gesamte Bundesrepublik.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ändert aber am Problem nichts!)

Erwecken Sie deshalb bitte nicht den Eindruck, dass das allein hier in Niedersachsen ein Problem sei. Darum bitte ich Sie herzlich. Da muss man Ehrlichkeit an den Tag legen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist wissenschaftlich gesichert, dass eine gute frühkindliche Bildung für möglichst alle Kinder gesellschaftlich bedeutsame Vorteile mit sich bringt: selteneres Schulversagen, höhere und frühere Bildungsabschlüsse, geringerer sonderpädagogischer Förderungsbedarf, bessere Gesundheit und Ernährung usw. Deshalb sagen wir als FDP: Ein

beitragsfreies Kita-Jahr ist grundsätzlich eine gute Idee, muss aber solide finanziert werden. Das ist heute in der Tat nicht ganz einfach. Das wissen Sie von der Opposition ganz genau.

Allerdings, Herr Jüttner, war vorgestern in der Bild die Schlagzeile zu lesen: Jüttner fordert mehr Geld für Kitas. - Im Text wurde es dann allerdings auf den Punkt gebracht. Dort steht: Wie seine Forderung finanziert werden soll, sagte Jüttner allerdings nicht. - Am nächsten Tag stand dann dort - das haben Sie offensichtlich schnell bemerkt -, dass Sie das Ganze über die Mehrwertsteuer finanzieren wollen, die dem Land Niedersachsen zufließen wird. Ich möchte aber darauf verweisen, dass man jeden Euro nur einmal ausgeben kann. Deshalb kann man nicht alles, was uns zufließt, dafür verbraten.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das stimmt!)

Es ist unumstritten, dass im frühkindlichen Alter die Grundlagen gelegt werden können, die sowohl die Chancengleichheit als auch den Lernerfolg der Kinder insgesamt verbessern. Deswegen unterstützen wir die Suche nach einer geeigneten Finanzierung für ein beitragsfreies Kita-Jahr. Allerdings muss auch klar sein, dass das Jahr vor der Schule beitragsfrei sein muss und nicht, wie von der SPD gefordert, das erste Kita-Jahr. Sie haben mittlerweile umgedacht und gesagt: Das stellen wir frei; man soll sich aussuchen, ob das erste oder das dritte Kita-Jahr beitragsfrei ist. - Nein, das Jahr direkt vor der Schule muss es sein! Denn dann kommen wir auch nicht in Schwierigkeiten.

(Beifall bei der FDP)

Die volkswirtschaftliche Kosten/Nutzen-Analyse hat ja ergeben, dass 1 Euro Investition einen Output von 4 Euro ergibt. Deshalb wäre es in der Tat wichtig, dauerhaft eine Umverteilung der Bildungsmittel vom tertiären Bereich in den Elementarbereich vorzunehmen. Wir müssen in Deutschland, in Niedersachsen unsere Bildungsinvestitionen vom Kopf auf die Füße stellen. Das heißt, nebenbei bemerkt, auch, dass Sie endlich die Studienbeiträge akzeptieren sollten. Das würde ich Ihnen ganz gerne auf die Fahnen schreiben.

Die Kommunen werden ein beitragsfreies Kita-Jahr nicht allein finanzieren können.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Das DIW in Berlin kommt gar zu dem Schluss, dass sich die Kinderbetreuung unter rein fiskalischen Gesichtspunkten für die Kommunen nicht lohnt, da der weitaus größte Teil der induzierten Steuereinnahmen in die Kassen der Länder und des Bundes bzw. der Sozialversicherungsträger fließt. Natürlich haben die Kommunen insgesamt ein großes Interesse an Kinderbetreuung; denn das macht sich als Standortfaktor bei jungen Familien sehr deutlich bemerkbar.

In Niedersachsen haben wir gerade das Konnexitätsprinzip eingeführt. Das heißt, jede Ebene ist für ihre Beschlüsse finanziell selbst verantwortlich. Sie von den Grünen fordern in Ihrer Pressemitteilung vom letzten Freitag, dieses Kita-Jahr durch die Abschaffung des Ehegattensplittings zu finanzieren. Sie machen sich immerhin über die Finanzierung Gedanken. Ihr Einfluss auf diese Bundesmittel ist allerdings sehr gering, wenn überhaupt vorhanden. Diese Mittel sind genauso wie die Mehrwertsteuer auf Bundesebene bereits mehrfach verplant. Ein bisschen mehr Realismus wäre an dieser Stelle hilfreich.

Bei den Landesmitteln wird es insgesamt schwierig. Das wissen Sie. Wir erinnern daran, dass die Regierung Schröder seinerzeit das Vorschulangebot aus Kostengründen abgeschafft hat. Gleiches gilt im Übrigen für das Modellprojekt der Eingangsstufe in Grundschulen, das aus Kostengründen trotz des pädagogischen Erfolgs nicht weitergeführt wurde.

Wir würden uns freuen, wenn unsere Landesregierung die wichtige frühkindliche Bildung in ihre Haushaltsberatungen mit einbezieht. Wenn sich für das Land eine Finanzierungsmöglichkeit für das beitragsfreie dritte Kita-Jahr abzeichnet, unterstützen wir das gerne als konsequente Forderung im Hinblick auf unseren politischen Schwerpunkt im Bereich der Bildung. Wenn wir es dann schaffen, dieses dritte Kita-Jahr kostenfrei anzubieten, haben wir mittelfristig nichts dagegen, die Beitragsfreiheit nach und nach auf die restliche frühkindliche Betreuung zu erweitern und auch einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz festzulegen. Bis dahin haben wir aber noch einen sehr weiten Weg vor uns.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Voigtländer gemeldet. - Er zieht zurück. Dann erteile ich dem Kollegen Jüttner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schwarz, unter Fachleuten ist es sehr strittig, ob vernünftigerweise das erste oder das dritte KitaJahr beitragsfrei sein sollte. Das war für uns die Veranlassung, das den Kommunen freizustellen, auch um kommunale Politik nicht zu konterkarieren. Ich glaube, das ist eine kluge Vorgehensweise.

(Beifall bei der SPD)

Sie fragen nach der Finanzierung. Ich möchte Ihnen die Zahlen aus dem Finanzministerium von Herrn Möllring nennen: Im Jahr 2007 wird es Mehreinnahmen des Landes aus Bundesmitteln in Höhe von 628 Millionen Euro geben. Davon nehmen wir 37,5 Millionen Euro. Das ist wenig. Das ist der erste Schritt. Priorität für uns hat die Bildung.

(Beifall bei der SPD)