Dann haben Sie dem Druck wieder nicht Stand gehalten. Das war nicht unser Druck, dem Sie ausgesetzt waren. Es waren die Kirchen, die bei Ihnen vorstellig geworden sind. Auch die Organisationen sind bei Ihnen vorstellig geworden. Sie haben gesagt, Sie können Menschen, die schon so lange hier sind - es gibt noch kein Bleiberecht -, nicht auf diese Art und Weise abschieben. Wir haben diese Diskussion im Petitionsausschuss geführt. Ich weiß auch von vielen Mitgliedern von CDU und FDP, dass auch sie diesem Druck nicht mehr standhalten konnten. Deshalb beschließen wir heute eine Härtefallkommission. Wenn Sie jetzt wieder eine Härtefallkommission einrichten, die an so hohe Hürden gebunden ist - Sie müssen zwischen Zulassungs- und Ausschlusskriterien unterscheiden -, werden Sie wieder - ich wiederhole mich jetzt - Druck haben mit der Folge, dass wir wieder darüber diskutieren müssen. Auch wir sind es langsam leid.
Die CDU-Fraktion hat ebenfalls um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich erteile Herrn Gansäuer das Wort für zwei Minuten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass wir eine solche Debatte führen. Hier geht es schließlich um viele Menschen, die auf uns schauen, um viele Betroffene, um viele, denen die Schicksale dieser Menschen nicht gleichgültig sind. Die Briefe, die ich bekomme, und die Gespräche, die ich mit den Kirchen führe, zeugen davon, mit welch großer Ernsthaftigkeit um diese Fragen gerungen wird. Ich möchte von mir aus noch einmal sagen - es gibt sicherlich unterschiedliche Bewertungen -: Die Art
und Weise, in der die Grünen dieses Thema behandeln, halte ich für allemal angenehm, auch wenn ich in vielen Fragen nicht der Meinung der Grünen bin. Die Tatsache, dass Frau Polat und Frau Langhans in den Kosovo gefahren sind, um sich über die wirkliche Situation der Menschen dort zu informieren, dann hier hergekommen sind und einen Bericht abgefasst haben, den ich leider noch nicht ganz lesen konnte, macht deutlich, dass sie sich mit der Problematik sehr ernsthaft befasst haben, auch wenn man am Ende möglicherweise zu unterschiedlichen Bewertungen kommt.
Mit der Art und Weise, Herr Bachmann, in der Sie hier vortragen - Sie müssten sich das im Fernsehen vielleicht einmal ansehen -, schaden Sie Ihrem Anliegen eher, als dass Sie ihm nutzen. Ich muss das einfach einmal so deutlich sagen.
Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben. Ich war in der vorletzten Woche in Berlin und habe dort mit der EKD gesprochen. Wir haben unendlich viele Gespräche mit den Kirchen geführt. Alle Kollegen - egal, wo sie stehen - sind von dieser Problematik menschlich wirklich tief getroffen; denn niemandem macht es Spaß, selbst straffällig Gewordene abzuschieben, weil wir ganz genau wissen, dass in den jeweiligen Heimatländern im Zweifel viel schwierigere gesellschaftspolitische und sozialpolitische Bedingungen herrschen als bei uns.
Abschließend möchte ich noch eines sagen: Die Art und Weise, in der hier in „böse“ und „nicht böse“ unterteilt wird, wird der Sache und unserer Geschichte, verehrter Herr Jüttner, nicht gerecht. Jede Fraktion hier im Hause hat schon Regierungsverantwortung getragen. Verehrte Frau Polat, ich muss es einfach einmal so feststellen: Zu der Zeit, zu der Rot-Grün regiert hat, hat es sicherlich viel mehr Asylbewerber gegeben als heute. Das ist korrekt. Deshalb weise ich darauf auch gleich präventiv hin. Dennoch stimmt meine Feststellung: Es sind noch nie so viele Menschen abgeschoben worden wie zu der Zeit, als Sie mit an der Regierung beteiligt waren. Allein im Jahr 1993 waren es 4 720 Menschen. Im letzten Jahr waren es 1 336. Die Argumentation halte ich für reichlich platt. Sie reicht mir auch nicht; denn es geht hier, wie Sie richtig gesagt haben, um Einzelschicksale.
Ich bitte jetzt Sie alle, zunächst einmal den endgültigen Entwurf abzuwarten, um dann - bis auf einige Beiträge fand ich die heutige Diskussion ja auch in Ordnung - in Ruhe darüber zu reden, was an dem Entwurf abseits der Vorstellungen des Innenministers noch zu verbessern ist. Ich würde mich sehr darum bemühen, hier eine Einvernehmlichkeit herzustellen.
Eine letzte Bemerkung: Das Gesetz, das wir im Deutschen Bundestag gemeinsam beschlossen haben, ist von einem Mann aktiv begleitet worden. In seinem Vorwort heißt es, dieses Gesetz sei ein Sieg der Vernunft über die Parteitaktik. Das steht wörtlich so darin. In den bisherigen Debatten hier in diesem Hause habe ich davon aber leider nur sehr wenig gemerkt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gansäuer, im Namen meiner Fraktion möchte ich Sie darum bitten, Ihren erhobenen Zeigefinger in Zukunft sein zu lassen. Wir sind es wirklich leid.
Sie haben in der gestrigen Debatte Ausgrenzungspolitik betrieben. Sie tun dies heute wieder. Wir halten das für nicht in Ordnung. Ich halte das schon bei einem normalen Abgeordneten für unangemessen, bei einem Präsidenten aber erst Recht. Ich sage Ihnen das.
Frau Merk hat den Plenarsaal verlassen - sie ist inzwischen wieder da -, weil sie diese Art der Auseinandersetzung körperlich nicht aushalten konnte.
Deshalb möchte ich Ihnen einen Hinweis geben. Als in den 90er-Jahren hunderttausende Menschen zugewandert sind, hat diese Gesellschaft eine ganz komplizierte Debatte darüber geführt, welche Integrationsleistung sie erbringen kann und ob sie in der Lage ist, dort, wo es sachlich gerechtfertigt ist, möglichst schnell abzuschieben. Das war übrigens Ihre Forderung. Ich habe sie auch immer für richtig gehalten: Prüfen und dann, wenn es notwendig und berechtigt ist, sofort abschieben. So ist damals verfahren worden. Weil hunderttausende kamen, sind auch vergleichsweise viele abgeschoben worden. Ihnen waren es zu wenig, aber es waren eine ganze Menge.
Diesen Sachverhalt auf die gleiche Ebene zu stellen, ist absolut unangemessen, meine Damen und Herren. Lassen Sie solche Geschichten!
Meine Damen und Herren, zunächst eine Bemerkung zum Verfahren und zur Geschäftsordnung. Mir liegt jetzt noch eine Wortmeldung von der FDP vor, die aufgrund der letzten Rede von Herrn Innenminister Schünemann auch zwei Minuten zusätzliche Redezeit beantragt hat. Weiterhin liegen mir zwei Wortmeldungen zu persönlichen Bemerkungen nach § 76 der Geschäftsordnung vor, und zwar von Herrn Plaue und von Herrn Gansäuer. Wir arbeiten diese Wortmeldungen jetzt in dieser Reihenfolge ab. Bitte schön, Herr Bode!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, es gibt einige wenige Themen, bei denen man im Landtag fernab von dem politischen Alltagsstreit, den man vielleicht hat, fraktionsübergreifend zu einer Konsensfindung kommen sollte und auch einstimmig oder einmütig eine Linie vertreten sollte. Die Frage des Ausländerrechts, der Zuwanderung und des Umgangs mit menschlichen Einzelschicksalen gehört, wie ich denke, dazu. Man sollte bei diesem Thema nicht gegenseitig mit dem Zeigefinger aufeinander zeigen, sondern ei
nen gesamtgesellschaftlichen Konsens finden und ihn umsetzen. Wir haben uns gemeinsam mit Ihnen bemüht, diesen Konsens in der Frage des Umgangs mit menschlichen Einzelschicksalen herzustellen. Wir haben unterschiedliche Verfahren gefunden und sind jetzt bei dem letzten Punkt, dessen Umsetzung Sie auch immer wieder eingefordert haben, angelangt, nämlich bei der Einsetzung einer Härtefallkommission. Ich hatte mir eigentlich vorgestellt und gehofft, dass wir heute gemeinsam und einstimmig die Bitte an die Landesregierung richten, diese Härtefallkommission einzurichten. Uns liegt inzwischen der Verordnungsentwurf vor. Wenn Sie ihn lesen, werden Sie feststellen, dass die Kriterien - über nichts anderes haben wir diskutiert -, wenn man sie mit denen aus anderen Ländern vergleicht, nicht schlechter oder besser sind. Sie sind vielmehr so, wie sie in allen anderen Ländern auch sind und wie sie das Gesetz vorsieht. Von daher ist meine eindringliche Bitte: Hören wir alle gemeinsam auf, mit dem erhobenen Zeigefinger aufeinander zu zeigen! Stimmen wir heute diesem Entschließungsantrag in der geänderten Form einstimmig zu und setzen wir damit ein Zeichen für die Betroffenen! - Vielen Dank.
Bevor ich jetzt Herrn Plaue das Wort erteile, möchte ich Ihnen noch einmal kurz vorlesen, um was es in § 76 der Geschäftsordnung geht. Dort heißt es:
„Das Mitglied des Landtages darf in der persönlichen Bemerkung nur Angriffe zurückweisen, die in der Aussprache gegen es gerichtet wurden, oder eigene Ausführungen berichtigen. Es darf nicht länger als fünf Minuten sprechen. Bei Verstößen...“
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Innenminister hat in dieser Debatte das Parlament oder Teile des Parlaments und die Art, wie das Parlament diskutiert, mit dem
Begriff „Klamauk“ belegt. Ich habe an einigen Sitzungen des Petitionsausschusses teilgenommen, in denen über diese Fragen, um die es hier geht, diskutiert worden ist. Ich habe auch fast jede Debatte hier im Landtag bis zum Ende verfolgt, in der es um diese Fragen ging. Es gab hier sehr ernsthafte, sehr leidenschaftliche, manchmal auch emotionale, aber sehr zielgerichtete Diskussionen.
(Bernd Althusmann [CDU]: Wo ist der persönliche Angriff? Abtreten! Das ist keine persönliche Bemerkung!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb lasse ich es mir als Angehöriger des Parlaments nicht gefallen, wenn ein Mitglied der Landesregierung, also der Exekutive, das Parlament auf diese Weise beleidigt. Ich weise das zurück.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, ich möchte Sie jetzt einmal ganz persönlich ansprechen. Sie haben hier Vorwürfe gegen mich erhoben. Sie gipfelten in der Begrifflichkeit des Zeigefingers. - Ganz nebenbei: Ihr Zeigefinger war optisch höher als meiner. - Ich muss Ihnen offen sagen: Ich weise das entschieden zurück. Bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen: Wer bei meiner Einlassung nicht bemerkt hat, dass ich hier versuche, Brücken zu bauen, der hat nun wirklich - Entschuldigung! - jede Sensibilität abgelegt, die vielleicht auch Politiker noch haben sollten.
Zweitens. Lieber Herr Jüttner, jeder in diesem Kreis weiß - das kann er bewerten, wie er will -, dass mein Engagement in meiner Kirche und für meine Kirche mein ganzes Leben geprägt hat.
Deshalb ist mir dieses Thema auch so wichtig. Daher sage ich Ihnen abseits meines Präsidentenamtes: Vor diesem Hintergrund wird mich niemand in diesem Hause daran hindern, zu solchen Fra
gen von diesem Pult aus Stellung zu nehmen, ganz davon abgesehen, dass alle meine Vorgänger - die Reden kann ich Ihnen gerne liefern - in anderen Fragen das Gleiche getan haben. So hat dies Rolf Wernstedt z. B. in schulpolitischen Fragen getan. Daran können wir uns alle erinnern. Ich will es jetzt einmal bösartig formulieren: Es wird Ihnen nicht gelingen, mir einen Maulkorb umzuhängen. Wenn es um solche Fragen geht, werde ich hier meine Meinung sagen. Das erwarten auch meine Wähler von mir.
Eine letzte Bemerkung. Verehrter Herr Jüttner, ich habe auf anderen Wegen schon gehört, was sich da so tut. Wenn Sie Kritik an meiner Amtsführung haben - bisher ist eine solche von Ihren Kolleginnen und Kollegen im Präsidium noch nicht geäußert worden -, dann lassen Sie es mich bitte wissen. Wir reden dann entweder persönlich darüber, oder Sie schreiben mir und wir reden dann darüber. Es ist mir sehr ernst damit, dass ich dieses Amt so ausübe, wie es alle meine Vorgänger getan haben. Abseits dieser Feststellung sei gesagt, dass Sie mir die Möglichkeit zur Darstellung meiner politischen Überzeugung insbesondere an dieser Stelle nicht dadurch werden nehmen können, dass Sie mir vorschreiben, wann ich hier zu reden habe.