Protokoll der Sitzung vom 23.06.2006

Herr Kollege Dürr, Sie haben jetzt für die FDPFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf den Zwischenruf des Herrn Kollegen Haase, dass ein Vergleich zwischen dem Unglücksreaktor von Tschernobyl und deutschen Reaktoren zulässig sei und dass der Sicherheitsstandard vergleichbar sei, will ich nur eines antworten:

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das habe ich nicht gesagt! Aber die grundle- gende Technologie ist vergleichbar! Sie ist nicht beherrschbar!)

Wenn die SPD-Fraktion in der Lage ist, einen international anerkannten Wissenschaftler zu benennen, der hier deutlich macht, dass der technische Standard mit deutschen Reaktoren vergleichbar ist, dann bin ich bereit, 20 Euro für die Landeskasse der SPD zu spenden, meine Damen und Herren. Aber das wird nicht der Fall sein.

(Karin Stief-Kreihe [SPD]: Warum so wenig?)

- Die helfen Ihnen vielleicht auch schon ein bisschen auf dem Weg dorthin.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Argumente - das merken wir hier - sind im Großen und Ganzen ausgetauscht. Die Grünen haben noch einmal ihr Lieblingsthema vorgebracht. Mir scheint freilich, dass sie in der Sache nichts dazu gelernt haben, wobei ein Teil der Überschrift - ich will zunächst auf den Antrag der Grünen eingehen -, der da lautet „Wettbewerb am Energiemarkt durchsetzen“, in der Sache durchaus richtig ist. Es scheint so, als hätten Sie endlich von der FPD im Niedersächsischen Landtag gelernt und verstanden, dass Wettbewerb eigentlich eine gute Sache ist. Allerdings ist es schade, dass Sie Ihrem neuen Anspruch während Ihrer Regierungszeit im Bund nicht gerecht geworden sind, meine Damen und Herren. Das sage ich auch in Richtung des Herrn Kollegen Dehde, der sich hier vorhin über den Wettbewerb ausgelassen hat. Wer sich hier hinstellt und von Wettbewerb redet, aber gleichzeitig dafür sorgt, dass es entgegen dem Votum des Bundeskartellamtes durch eine Ministererlaubnis zur Megafusion von E.ON und Ruhrgas gekommen ist, dem kann man in der Sache schlicht und einfach nicht mehr glauben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber es geht Ihnen in Wahrheit eben nicht um Wettbewerb, sondern eigentlich um die alte Leier: Die Kernenergie ist schlecht, und wer etwas anderes sagt, ist moralisch sowieso neben der Spur. Sie machen es sich in der Sache sehr einfach. Sie, meine Damen und Herren, setzen auf Verunsicherung, indem Sie der Desinformation Tür und Tor öffnen. Die Wahrheit ist: Ihr Energiekonzept - dabei unterscheiden sich Rot und Grün überhaupt nicht besagt: Sie wollen 20 % erneuerbare Energien und 80 % fossile Energieträger. Wenn man dann den Klimaschutz hoch hält, meine Damen und Herren, wirkt das einfach nur noch peinlich.

Zum Schluss möchte ich, weil ich mir angeschaut habe, was wir in der Januar-Plenardebatte zu diesem Thema gesagt haben, nur ganz kurz den Herrn Kollegen Meihsies aus der 81. Plenarsitzung vom 27. Januar zitieren. Er hat damals gesagt:

„Meine Damen und Herren, wir brauchen nur nach Schweden zu gucken, nach Finnland und nach Großbritannien zu gucken. Herr Sander, da wür

den Sie vieles lernen und Ihre Haltung in diesem Bereich ändern.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben nach Schweden geguckt - dort werden die Laufzeiten verlängert -, wir haben nach Finnland geguckt - dort werden neue Kernkraftwerke gebaut -, und wir haben nach Großbritannien geschaut - dort wird öffentlich darüber nachgedacht. Wir haben bereits gelernt. Lernen auch Sie endlich dazu.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt hat noch einmal Herr Janßen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bislang hat sich die Diskussion in diesem Hause wieder einmal vornehmlich auf die Atomkraft kapriziert. Es ist schon erschütternd, mit welcher Ignoranz die Regierungsfraktionen hier die Notwendigkeit der Atomkraft verteidigen. Sie tun immer noch so, als gingen ohne Atomkraft in Deutschland die Lichter aus. Meine Damen und Herren, die Preissteigerungen im Stromsektor gibt es, obwohl 17 AKWs in der Bundesrepublik am Netz sind. Das muss man sich einmal vor Augen führen.

(Annette Schwarz [CDU]: Die Preis- steigerungen haben wir aber nicht durch die AKWs!)

Meine Damen und Herren, mit dem Schwerpunkt auf der Erforschung und Entwicklung erneuerbarer Energien in Deutschland schaffen wir es dagegen, Deutschland an die Spitze einer weltweit nachgefragten und sinnvollen Zukunftstechnologie zu bringen. Sie wissen auch, dass eine ausreichende und kostengünstige Bereitstellung von Energie ohne Atomenergie möglich ist, wenn die politischen Rahmenbedingungen entsprechend gesetzt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie verschließen die Augen vor der Realität und halten an der Dinosauriertechnologie des letzten Jahrhunderts fest.

Herr Janßen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dürr?

Nein. Ich fände es gut, wenn sich Herr Dürr die Rede erst einmal anhören würde.

Die Energie-Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages hat bereits 2003 festgestellt - jetzt hören Sie gut zu, Herr Dürr -, dass bis 2050 der Anteil regenerativer Energien in Deutschland auf 50 % gesteigert werden kann, gleichzeitig der absolute Energieverbrauch, wenn man die entsprechenden Rahmenbedingungen setzt, um 50 % zurückgehen kann. Meine Damen und Herren, das hat zur Folge, dass 80 % der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 einsparbar sind. Dann hören Sie auf, immer davon zu reden, wir wollten 80 % des Stroms fossil erzeugen oder eine Steigerung auf 80 % vornehmen. Das ist einfach Quatsch. Nehmen Sie die Realitäten einmal zur Kenntnis!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das setzt - das habe ich eben schon ganz deutlich gesagt - natürlich den Willen und das Setzen von Rahmenbedingungen voraus, und dieser Wille, meine Damen und Herren von CDU und FDP, fehlt Ihnen. Wir haben in unserem Antrag zwei Bereiche angesprochen, in denen das Land Niedersachsen tätig werden muss. Das betrifft die absolut mangelhafte Wettbewerbssituation im Strombereich, insbesondere die Netzdurchleitungskosten der großen Übertragungsunternehmen. In diesem Bereich wird man nur dann dauerhaft akzeptable Kosten erreichen können, wenn Netz und Energieerzeugung auch eigentumsrechtlich voneinander getrennt und es einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Netzen gibt. Meine Damen und Herren von der FDP und insbesondere Herr Dürr, Sie sollten sich im Bundesrat dafür stark machen, dass das tatsächlich der Fall wird und es hier zu einer echten Wettbewerbssituation kommt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der zweite Aspekt betrifft den Bereich der Energieeinsparung. Niedersachsen muss zum Energiesparland Nummer eins werden - das haben wir gefordert -, und wir haben Maßnahmen dafür vorgeschlagen. Aber was machen Sie damit im Ausschuss? - Sie wollen dort

über diesen Aspekt erst gar nicht reden. Sie machen auch keinen Änderungsantrag. Nein, Sie sehen den Punkt Atomkraft, und das reicht Ihnen, um den gesamten Antrag abzulehnen. Das ist schon ein Stück ideologischer Verblendung. Ihr Motto lautet: Wir haben jetzt die Atomkraft und in 50 Jahren die Kernfusion. Regenerative Energien und Energieeinsparung sind für Sie lässliche Ergänzungen, aber Sie begreifen sie eben nicht als Alternative.

(Christian Dürr [FDP]: Da müssen Sie Ihre Anträge besser lesen!)

Hierin unterscheiden wir uns ganz grundsätzlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Verblüffend ist, was man dann in einer Pressemitteilung des Ministers Sander lesen kann: Niedersachsen zum Energiesparland machen. - Ja, eine salbungsvolle Sonntagsrede! Da hat sich jemand einer Überschrift bedient, ohne ein landesweites Konzept zur Energieeinsparung zu haben oder ohne auch nur die kleinsten Ansätze umzusetzen. Effizienzerhöhung und energetische Sanierung in Landesliegenschaften - Fehlanzeige! Initialförderung kommunaler Energiekonzepte - Fehlanzeige!

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Stärkung einer unabhängigen Energieberatung Fehlanzeige! - Man belässt es lieber bei allgemeinen Appellen, so auch gegenüber den niedersächsischen regionalen Stromversorgern. Die Preisaufsicht des Landes Hessen agiert, Niedersachsen appelliert. Herr Sander, Sie sind Minister und nicht Zuschauer. Sie halten das Heft des Handelns in der Hand, nicht das des Scheinhandelns. Handeln Sie, nutzen Sie Ihr Amt, und ersparen Sie uns solche Pressemitteilungen!

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, FDP und CDU können behaupten, dass unsere Vorschläge falsch seien. Aber dann sind sie gefordert, bessere Vorschläge zu machen. Ich tausche immer gern Argumente aus, wenn Sie denn welche haben.

(Bernd Althusmann [CDU]: Haben wir!)

Die Verweigerung der Diskussion, die Sie sich hier geleistet haben, ist an Ignoranz nicht zu überbieten.

(Zustimmung von Dorothea Steiner [GRÜNE])

Ich komme zum Schluss. Auch in Niedersachsen muss bei der Energieeinsparinitiative mehr herauskommen als ein Energiesparmobil. Niedersachsen muss endlich den Willen zeigen, hier tatsächlich zu handeln. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, bei dem letzten Beitrag ist es wieder sehr laut gewesen. Es ist verwunderlich, dass bei solch einem Thema offensichtlich niemand zuhört.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Nach der jetzigen Planung wird die heutige Sitzung gegen 16 Uhr enden. Es wird entsprechend länger, wenn ich die Sitzung häufiger unterbrechen muss, damit hier Ruhe einkehrt.

Ich erteile nun Herrn Minister Sander das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegenden Anträge zu dieser Problematik beweisen wieder einmal, wie wirklichkeitsfern in diesem Lande die Energiepolitik diskutiert wird, insbesondere vor dem Hintergrund der heraufziehenden internationalen Konflikte und der Verteuerung der Energie.

Vielleicht können wir es irgendwann doch noch schaffen, das Thema Endlagerung von der Kernenergie zu trennen und gemeinsam ein Konzept für die Energiepolitik für dieses Land zu erstellen.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Herr Mi- nister, das geht nicht! Das wissen Sie!)

- Herr Kollege Haase, das geht. Sie brauchen nur auf die Kräfte in Ihrer Partei zu hören, die, insbesondere weil sie sehr viel wirtschaftlichen Sachverstand haben, nicht ganz unwesentlichen Einfluss haben. Ich darf mit Genehmigung der Präsidentin eine Zeitung hochhalten. Herr Vahrenholt kämpft vehement und sagt: Wir können es uns gar nicht erlauben, vorzeitig aus der Kernenergie auszusteigen. - Dafür gibt er eine sehr interessante und nachvollziehbare Begründung, nämlich: Wenn

wir in Deutschland zu einem Energiemix kommen wollen,

(Walter Meinhold [SPD]: Da sind wir doch schon!)