Protokoll der Sitzung vom 12.07.2006

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie uns die konkreten Zahlen nennen. Das Ministerium kann sich doch nicht in Schweigen hüllen und sagen, das wisse es nicht. Das Parlament hat ein Anrecht auf Ihre Auskünfte.

Dann möchte ich gerne von Ihnen wissen: Wie stellen Sie sich denn die Zukunft der Hauptschulen vor, wenn die Zahl der Anmeldungen durch die Eltern immer weiter zurückgeht? Wollen Sie diese Schulform krampfhaft aufrechterhalten, oder welche Konzepte haben Sie? Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Anmeldeverhalten der Eltern?

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Korter. Ihnen ist bewusst, dass das zwei Fragen waren. - Für die Landesregierung Herr Minister Busemann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf diese drei bis sechs Fragen vielleicht doch eine kurze Antwort: In der Stadt Hannover scheint es Usus zu sein, dass man mit vorgezogenen Anmeldedaten meint einschätzen zu können, wohin die Reise geht. Die Erfahrung aber lehrt, dass die tatsächlichen Anmeldezahlen am ersten Schultag andere sind und insbesondere im Hauptschulbereich höher sind.

Ein ordentlicher Kultusminister und eine ordentliche Schulbehörde lassen sich nicht auf Spekulationen ein, sondern sagen am Stichtag, wie die Verhältnisse sind. Das ist der Redlichkeit geschuldet.

(Beifall bei der CDU)

Sonst werfen Sie mir in der nächsten Plenarsitzung im September vor, ich hätte hier mit falschen Zahlen operiert. In die Ecke kriegen Sie mich aber nicht!

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Das kann doch überhaupt nicht sein, was er hier erzählt!)

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Janßen!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Busemann, ich gehe davon aus, dass Sie als zuständiger Kultusminister bereits jetzt zumindest Trends erkennen können. Es kann doch nicht angehen, dass Sie warten, bis die Anmeldungen landesweit abgeschlossen sind. In vielen Teilregionen sind sie bereits erfolgt. Mindestens diese Daten müssten Ihnen eigentlich vorliegen.

Die Trends, die veröffentlicht wurden, weisen alle in eine bestimmte Richtung. Ich gehe davon aus, dass der weitsichtige Kultusminister sich schon seine Gedanken darüber gemacht hat, wie er mit dem sich abzeichnenden Problem umgehen will.

Ich frage Sie also noch einmal konkret: Welche Möglichkeiten wollen Sie den Schulträgern zur Verfügung stellen, wenn absehbar ist, dass die Hauptschule in zahlreichen Gemeinden nicht als eigenständige Form fortgeführt werden kann?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung Herr Minister Busemann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Janßen, wenn Sie mich nur nach den Trends fragen, dann will ich dazu auch etwas sagen. Also: Wir können für den Hauptschulbereich insgesamt eine Bildungsbeteiligung von 20 % bis 21 % verzeichnen. Einige Standorte sind schwach ausgelegt, andere Standorte ragen deutlich in die 20 % hinein.

Wir rechnen für den neuen fünften Jahrgang mit einem Anmeldeverhalten zwischen 15 % und 20 %, eher unter 20 %. Aber das ist, wie gesagt, eine ganz vorsichtige Prognose.

Darauf müssen sich die Schulträger gerade an den Standorten mit schwacher Hauptschulbeteiligung einstellen. Es ist ja kein Geheimnis, dass eine schwache Hauptschulbeteiligung dort zu verzeichnen ist, wo es breite Gesamtschulangebote gibt. Dort muss der Schulträger möglicherweise eine besondere Regelung finden.

Nun schreibt der Kultusminister den Schulträgern natürlich nicht vor, wie sie sozusagen in Wahrung ihrer Selbstverwaltungshoheit diese Belange zu beordnen haben. In städtischen Gebieten haben die Schulträger viele verschiedene Möglichkeiten. In ländlichen Bereichen übrigens auch, abseits von Beteiligungsquoten. In meiner emsländischen Heimat gibt es z. B. verbundene Systeme - die sind gesetzlich abgesichert -, die sehr erfolgreich arbeiten.

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Körtner. Bitte!

Glauben Sie, dass sich die Probleme der Hauptschule allein dadurch lösen lassen, dass die Hauptschülerinnen und Hauptschüler zu Einheitsschülerinnen und Einheitsschüler umetikettiert werden? Lassen sich durch Einheitsschulsysteme die Probleme der Hauptschule lösen?

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Busemann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Körtner, gestatten Sie mir zunächst eine kleine Korrektur: Es geht hier nicht um die Schule als Gebäude und System, sondern um die Schülerinnen und Schüler, die dort begabungsgerecht

beschult werden sollen. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen einmal sagen, wie ich das alles wahrnehme. Immer, wenn es Halbjahreszeugnisse gibt, kommt in den Medien wie von Geisterhand die große Stimmungsmache gegen die Hauptschule auf. Dann wird auf einmal gesagt, wie schlimm das da alles ist und dass die Eltern ihre Kinder nicht auf die Hauptschule schicken wollen.

Als im Frühling dieses Jahres bundesweit über die Rütli-Schule in Berlin diskutiert und ich gefragt wurde, ob es solche Fälle auch in Niedersachsen gibt, konnte ich erklären, dass es sie hier schon aufgrund der hiesigen Struktur nicht gibt. Wir haben in Niedersachsen natürlich unsere eigenen Probleme, aber die sind eben nicht von der Art und Weise wie die an der Rütli-Schule. Ich weise bei solchen Gelegenheiten gerne darauf hin, dass wir in unseren Hauptschulen Sozialarbeiter haben. So etwas war Berlin bis vor kurzem fremd. - Damit will ich sagen: In dieser schwierigen Diskussionslage konnte ich für unsere Hauptschülerinnen und Hauptschüler eine Lanze brechen.

Meine Damen und Herren - egal, von welchem Flügel dieses Parlamentes -, nehmen Sie mir bitte eines ab: Trotz meiner Arbeitsbelastung komme ich durchaus im Lande herum. Gerade in den letzten Monaten habe ich eine Reihe von Schulgebäuden eingeweiht. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben an unseren Hauptschulen so tolle junge Leute,

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

dass ich den Eindruck habe, dass wir hier im Landtag eine Phantomdebatte führen. Die jungen Leute an den Hauptschulen spielen Theater, nehmen an Arbeitsgemeinschaften teil, treiben Sport und machen Musik, liefern ordentliche Arbeitsergebnisse ab und finden durchweg ihren Weg ins duale Ausbildungssystem. Für diese jungen Leute tut es mir Leid, dass bei dieser Diskussion nicht nur eine Strukturvariante diskreditiert wird, sondern auch die jungen Leute höchstpersönlich.

Im Mittelpunkt unserer Schulpolitik und unserer schulpolitischen Betrachtungen steht das Individuum und nicht eine abstrakte Struktur oder Ideologie. Deshalb müssen wir immer überlegen, wie unser Schul- und Bildungssystem der einzelnen Schülerin oder dem einzelnen Schüler weitestgehend gerecht werden kann. Dabei ist klar, dass wir

bei 1,2 Millionen Schülern nicht 1,2 Millionen verschiedene Schulen haben können.

Während wir uns also dieser Herausforderung stellen, kritisieren Sie nur. Sie sagen, die und die Hauptschule hat nicht genügend Anmeldungen, und deswegen muss man sie schließen. Gleichzeitig erwecken Sie den Eindruck, dass mit einer Gesamtschule das Heil ausbrechen würde. Ich sage Ihnen: Das wird mitnichten so sein. Die jungen Hauptschülerinnen und Hauptschüler mit all ihren Stärken, aber zugegebenermaßen auch mit all ihren Schwächen brauchen in jeder Variante - egal, welches System man präferiert - eine begabungsgerechte Beschulung, eine Berufsorientierung, mehr Förderunterricht, die Unterstützung von Sozialarbeitern und anderes mehr. Das Problem, das wir dort haben, lässt sich nicht über Strukturdiskussionen und schon gar nicht über die Einheitsschule lösen, sondern nur dadurch, dass man den jungen Menschen individuell gerecht wird. Und das können wir - Prozentzahl hin, Prozentzahl her am besten in unserem gegliederten Schulwesen unter Beibehaltung der Hauptschule leisten.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Pfeiffer. Bitte!

Wir haben gehört, dass wir schon eine ganze Menge an individuellen Fördermaßnahmen in unser Schulsystem integriert haben. Ich frage die Landesregierung: Wie viele Lehrerstellen haben wir inzwischen in dieses System integriert?

Danke schön. - Für die Landesregierung Herr Minister Busemann!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Pfeiffer, wenn man die Hauptschule nicht isoliert betrachtet, sondern den Förderbedarf insgesamt sieht - von der Sonderpädagogik bis hin zur Hochbegabtenförderung -, dann haben wir 2 000 Lehrerstellen aufgesattelt.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Herr Kollege Albrecht. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Landesregierung nicht auf ihre hellseherischen Fähigkeiten hin überprüfen, wie es die Kollegen getan haben, sondern ich frage nach den derzeitigen Zahlen des laufenden Schuljahres.

Wie hat sich für die Landeshauptstadt Hannover der Übergang von den Grundschulen auf die verschiedenen weiterführenden Schulformen für das laufende Schuljahr dargestellt? Ich denke, dazu dürfte es konkrete Zahlen geben.

Vielleicht können Sie auch - das ist hier eben schon angeklungen - die Anmeldungszahlen bei den Integrierten Gesamtschulen für das laufende Schuljahr nennen. Wie viele Schülerinnen und Schüler sind bei ihrer Anmeldung an den Integrierten Gesamtschulen in Hannover jeweils für die verschiedenen Schulformen empfohlen gewesen?

(Zustimmung bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das waren fünf Fragen! - Zuruf von Walter Meinhold [SPD])

Danke schön. - Für die Landesregierung Herr Minister Busemann, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Meinhold, auf eine Dringliche Anfrage bereitet sich ein Minister pflichtgemäß immer vor.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber er stößt an natürliche Grenzen. Wenn Hellseherei abgefordert wird, dann muss er das auch ehrlich bekennen. Man ist eben nicht auf alles vorbereitet.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Nur auf die Fragen der eigenen Leute!)

Deswegen kann ich die Frage von Herrn Albrecht nur in einem Bereich ganz präzise beantworten und hinsichtlich des Vergleichs mit dem angesprochenen Jahr nur in etwa Auskunft geben.

Ich will Ihnen sagen, wie sich die Hauptschulquoten im laufenden Schuljahr 2005/2006 auswirken. Ich habe eingangs gesagt, dass der Landesdurchschnitt bei ca. 20 % liegt.

Eine niedrige Hauptschulquote haben wir in der Landeshauptstadt Hannover mit 8,9 %, in der Region Hannover mit 9,7 %, in der Stadt Braunschweig mit 9,8 %, im Landkreis Osterholz mit 10,2 % und in der Stadt Oldenburg mit 11,0 %. Es fällt auf: Das alles sind Standorte mit hoher Gesamtschuldichte.

Eine besonders hohe Hauptschulquote weisen hingegen der Landkreis Soltau-Fallingbostel mit 22,3 %, der Landkreis Celle mit 22,4 %, der Landkreis Leer mit 24,2 %, der Landkreis Friesland mit 24,4 % und der Landkreis Cloppenburg mit 26,5 % auf.