Protokoll der Sitzung vom 12.07.2006

(Beifall bei der CDU)

Deshalb müssen auch aus meiner Sicht für diesen Personenkreis die Arbeitsbeschränkungen überdacht werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Sehr richtig! Es liegt ein Antrag vor! Haupt- sache, Sie machen da mit!)

Meine Damen und Herren, in der Gruppe der Geduldeten nehme ich mit großer Sorge das Schicksal der Jugendlichen wahr, die für Entscheidungen und Handlungen ihrer Eltern eben nicht verantwortlich zu machen sind. Hier muss politisch gehandelt werden, damit in Deutschland aufgewachsenen, gut integrierten ausländischen Jugendlichen eine Perspektive zum Hierbleiben eröffnet wird,

(Zustimmung von Dr. Harald Noack [CDU])

wie wir es bereits als zusätzliche Option vorgeschlagen haben. Es geht mir nicht um das Auseinanderreißen von Familien, sondern es geht mir darum, den Jugendlichen eine Chance anzubieten, die sie nach dem Prinzip der Freiwilligkeit annehmen können. Ich meine, dass wir diejenigen, die 16, 17 oder 18 Jahre alt sind, die zum Teil hier geboren sind und die sich wirklich integriert und eine Chance haben, anschließend einen Ausbildungsplatz zu bekommen, nicht für die Handlungen ihrer Eltern bestrafen dürfen, sondern dass wir ihnen eine Option geben müssen. Deshalb setze ich mich auch mit Nachdruck für diese Option ein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weil dies sicherlich noch Gegenstand der Debatte werden wird, sage ich aber auch Folgendes: Es kann nicht sein, dass wir jemanden, der straffällig geworden ist, der getäuscht hat, deshalb amnestieren, weil seine Kinder hier geboren worden sind. Dieser Umkehrschluss darf meines Erachtens nicht gelten.

Es ist für jeden Innenminister eine sehr schwierige Entscheidung - das gilt auch für meinen Vorgänger und natürlich auch für alle meine Länderkollegen -, wenn er fünf-, sechs- oder siebenjährige Kinder aufgrund der Verfehlungen der Eltern zurückschicken muss. Aber, meine Damen und Herren, wir sind ein Rechtsstaat. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Asylrecht in unserer Gesellschaft nur dann akzeptiert wird, wenn wir diejenigen, die Verfehlungen begangen haben, wieder in ihr Herkunftsland zurückschicken. Die Entscheidung ist in jedem Einzelfall schwierig, aber eben auch unumgänglich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, in Niedersachsen haben im vergangenen Jahr 10 886 Menschen durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Wie bei allen integrationspolitischen Maßnahmen sollte auch mit Blick auf die Einbürgerung das „Fordern und Fördern“ die Richtschnur sein. Deshalb hat die Innenministerkonferenz auf Vorschlag Niedersachsens folgende Punkte beschlossen: höhere Anforderungen an die Deutschkenntnisse, Absenkung der einer Einbürgerung entgegenstehenden Vorstrafen, Teilnahme an einem Staatsbürgerkurs und Bekräftigung der feierlichen Einbürgerung mit einem Gelöbnis oder Eid.

Mit der Einbürgerung wird dokumentiert, dass sich die Eingebürgerten in unserer Gesellschaft sozial und wirtschaftlich zu Hause fühlen, eben integriert sind. Im Regelfall haben die neuen Staatsbürger ihre Sprachkenntnisse nachgewiesen, sie haben Kenntnisse über unser Staatswesen und vor allem über die Grundwerte des Grundgesetzes erworben, stehen wirtschaftlich auf eigenen Füßen. Sie sind damit willkommene Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Die Einbürgerung wird zu Recht als Krönung der Integration bezeichnet. Die Einbürgerung kann nicht am Anfang stehen, wie die französischen Beispiele deutlich machen. Deshalb muss ich dem Kollegen Integrationsminister aus Nordrhein-Westfalen, der es durchaus als Weg ansieht, die Einbürgerung zu Beginn anzubieten, auch vehement widersprechen.

Meine Damen und Herren, erstmals - 50 Jahre nach der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte durch die Bundesrepublik Deutschland - wird es auf Bundesebene einen Integrationsgipfel geben, zu dem die Kanzlerin einlädt und der von der Migrationsbeauftragten der Bundesregierung vor

bereitet wird. Diesen notwendigen Schritt begrüße ich ebenso wie die Einbeziehung der Länder und der kommunalen Spitzenverbände und wie auch die vorgesehene Beteiligung der MigrantenSelbstorganisationen.

Niedersachsen hat in vielen Bereichen der Integration bundesweit eine Vorreiterrolle eingenommen. Die Erfahrungen und Evaluationsergebnisse aus den Integrationsaktivitäten der Niedersächsischen Landesregierung wird Niedersachsen in die Erarbeitung eines bundesweiten Integrationsplanes mit einbringen. Das Erlernen der deutschen Sprache, die Perspektiven von Kindern und Jugendlichen, die Lebensgestaltung auf der Grundlage unserer Verfassung haben oberste Priorität. Diese Ziele dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, immer ausgerichtet an dem Grundsatz „Fördern und Fordern“.

Die Integration zugewanderter Menschen muss verbessert, und die Eigenverantwortlichkeit der Migranten und Spätaussiedler muss gestärkt und eingefordert werden. Der erfolgreiche Verlauf individueller Integrationsprozesse ist immer auch das Ergebnis eigener Leistungen des jeweiligen Migranten oder Spätaussiedlers. Nur durch persönliche Anstrengungen und im koordinierten Zusammenspiel der verschiedenen staatlichen und institutionellen Akteure sind die Herausforderungen der gesellschaftlich bedeutsamen Aufgabe Integration erfolgreich zu meistern.

Ich danke denen, die in diesem Sinne bisher viel geleistet haben. Auf dem sicherlich auch künftig nicht immer einfachen Weg brauchen wir die Unterstützung aller.

(Vizepräsidentin Silva Seeler über- nimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, Integration ist eine große Herausforderung und eignet sich deshalb aus meiner Sicht nicht für parteipolitische Profilierung.

(Beifall bei der CDU)

Auch die Vorgängerregierungen haben in diesem Bereich ohne Zweifel einiges auf den Weg gebracht. Wir haben allerdings neue Akzente gesetzt und die Rahmenbedingungen entscheidend verbessert, sodass wir heute mit Überzeugung feststellen können: Wir Niedersachsen haben in der Integration eine Vorreiterrolle. - Vielen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nächster Redner ist Herr Jüttner von der SPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat, das war eben Uwe Schünemann, der harte Hund der Ausländerpolitik. Herr Schünemann, heute Abteilung Kreidefressen?

Herr Schünemann, Ihren Versuch, sich als Integrationsminister neu zu erfinden, nimmt Ihnen niemand ab,

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

die SPD-Fraktion nicht, die Öffentlichkeit nicht und die Verbände und die Betroffenen überhaupt schon gar nicht. Die kennen Sie nämlich, Herr Schünemann.

(Beifall bei der SPD)

Sie sind der Ausländerminister, der seit Monaten, wie ich glaube, aus guten Gründen in der Kritik der Wohlfahrtsverbände, der Migrantenorganisationen und der Kirchen in Niedersachsen steht. Es muss doch wehtun, wenn Ihnen die Bischofskonferenz das Zeugnis „voll versagt“ ausstellt, Herr Schünemann. Aber mit Ihren Kürzungen beispielsweise in diesem Bereich geben Sie natürlich auch immer wieder Anlass für diese Kritik.

Es ist nicht nur der Ausländerminister, der hier zur Disposition steht. Sie haben auf die Integrationsfähigkeiten im Sport hingewiesen. Stimmt! Aber, Herr Schünemann, warum haben Sie zwischen 2003 und 2006 als Sportminister zugelassen, dass der Etat für Sportförderung um 39,2 % gekürzt wird? Warum? Das frage ich Sie.

(Beifall bei der SPD)

Sie wissen, was das heißt. Sie wissen, dass das z. B. bedeutet, dass ein Projekt wie „go sports tour“ auf der Strecke bleibt. Alles, was Sie hier Schönes beschreiben, hat mit Ihnen verdammt wenig zu tun - verdammt wenig!

(Beifall bei der SPD)

Sie weisen auf die Rolle der Kommunen in diesem Zusammenhang hin. Stimmt! Aber warum lassen Sie zu, dass den Kommunen die Mittel im kommunalen Finanzausgleich gestrichen werden, die ihnen Bewegungslosigkeit attestieren?

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Haben Sie einen Goldesel?)

Herr Schünemann, Sie und Integration - das ist, wie einen Schneemann zum Sommerbeauftragten zu haben. Das geht nicht gut, sage ich Ihnen. Das geht nicht gut!

(Beifall bei der SPD)

Ich teile uneingeschränkt Ihre Einschätzung, was die Arbeit der Ausländerbeauftragten angeht. Frau Erpenbeck hat unter Herrn Albrecht, in unserer Regierungszeit und auch bei Ihnen eine vorzügliche Politik gemacht. Das ist überhaupt gar keine Frage!

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, sie ist nicht nur eine ordentliche Ausländerbeauftragte, sie ist auch eine überzeugte Katholikin und eine kluge Autorin der Zeitschrift Salzkörner, wie wir heute in der HAZ lesen können. Nicht schlecht, Frau Specht - hätte ich beinahe gesagt. Ich glaube, es gibt viele gute Projekte in Niedersachsen. Es gibt Initiativen, es gibt Verbände, die gelungene Aktionen machen, wo gelungene Integration vorliegt. Das ist überhaupt gar keine Frage. Es lohnt sich auch, darüber zu berichten. Sie haben das sehr ausführlich getan. Mein Wahlkreis Linden/Limmer pulsiert geradezu, weil dort der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund überproportional ist. Dort ist eine hohe Attraktivität übrigens gerade wegen der kulturellen Vielfalt. Wir erleben dort praktisch, was die Befruchtung unterschiedlicher Kulturen im wahrsten Sinne des Wortes mitunter mit sich bringt. Es ist gut, dass das so ist. Aber ich glaube, mit der Landesregierung, mit Ihnen als Person hat kaum eines dieser Projekte auch nur ein bisschen zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Ich begrüße es ausdrücklich, dass Sie das Thema „Integration/Zuwanderung“ in Ihre Rede aufgenommen und als Notwendigkeit beschrieben haben. Möglicherweise ist es einer der Erfolge der großen Koalition, dass man an diesem Thema nicht mehr vorbei kann und dass beispielsweise

mit dem Integrationsgipfel möglicherweise zusätzliche Anregungen gegeben werden.

Aber, meine Damen und Herren, ich warne dringend: Wenn das Sonntagsreden bleiben, wird es gefährlich. Wir reden über ein Thema, in dem massiver sozialer Sprengstoff steckt. Wenn wir den nicht miteinander entschärfen, wird es in dieser Gesellschaft kompliziert.

Die Industrie hat - Sie haben darauf hingewiesen vor 50 Jahren nach Arbeitnehmern gerufen. - Es kamen Menschen. Wir kennen diesen Satz. Das Problem ist, dass er oft genug ignoriert worden ist. Es kamen übrigens vor allem gering Qualifizierte nicht weil die sich aufgedrängt haben, sondern weil die Industrie genau diese abgefragt hat. Nur, dass das klar ist. Das ist immer der Unterschied zwischen Deutschland und den traditionellen Einwanderungsländern gewesen.

Nach 1973 - seitdem ist die Zuwanderung von Arbeitnehmern weitestgehend beendet - kam die Familienzusammenführung, wofür es weiß Gott gute Gründe gibt. Es gab im Umbruch nach 1989 Wellen von Asylbewerbern - das ist auch keine Frage -, wo wir unter Gesichtspunkten der Humanität unter Druck waren. Es gab große Zuwanderung aus dem Bereich der Aussiedler. Dabei ist - ich sage das auch ganz deutlich - für uns unheimlich interessant, dass in den Reihen der Konservativen bei den Aussiedlern die Messlatte ganz anders gelegt wird - ganz anders, Herr Schünemann.

(Beifall bei der SPD)

Man kann auf den Gedanken kommen, dass es hier um das Wählerpotenzial geht.

(Zurufe von der CDU: Ja, ja!)

- Ja, ja. Vielen Dank für die Zustimmung.

Welche Problemlage haben wir gegenwärtig? - Wir hatten ja hier im letzten Monat die Debatte über Asylanträge, meine Damen und Herren. Wir hatten 1992 über 400 000 Asylanträge in Deutschland. Im Jahr 2000 hatten wir 78 000. 1992 hatten wir noch 600 000 ausländische Zuwanderer. Im Jahr 2000 waren es 86 000. Die Zahl geht eher weiter zurück.