Protokoll der Sitzung vom 16.03.2011

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Da sind wir aber traurig!)

Meine Damen und Herren, eines ist aus den Beratungen zu diesem Antrag allerdings deutlich geworden. Das Ministerium ist in den Gesprächen und Verhandlungsschritten mit den wichtigen Partnern im ÖPNV kaum weitergekommen. Nach wie vor warten alle auf die Umsetzung der EU-Verordnung 1370/07 für den Bereich der Ausgleichszahlungen. Deshalb will ich in diesem Zusammenhang noch auf ein paar Eckpunkte eingehen.

Die bisherige Form der Ausgleichszahlungen für die Ausgabe von verbilligten Schülermonatskarten gemäß § 45 a Personenbeförderungsgesetz hat sich sehr bewährt. Für die Verkehrsunternehmen, die die Aufgaben in Niedersachsen erledigen, ist das eine wichtige Planungsgrundlage für die Fahrleistungen und für die Aufrechterhaltung eines qualitativ hochwertigen ÖPNV. Es hat sich bewährt, die Mittel durch die Landesnahverkehrsgesellschaft auszahlen zu lassen und nicht jeweils auf die örtlichen Aufgabenträger zu übertragen. Nur so ist sichergestellt, dass diese Dienstleistung auch flächendeckend unter gleichen Voraussetzungen durchgeführt und finanziert wird. Es gibt damit auch eine Garantie, dass diese Mittel zweckgerichtet eingesetzt werden und keine Mitnahmeeffekte entstehen.

Wir sind nach wie vor allerdings auch der Meinung, dass das Volumen der Ausgleichszahlungen nicht reduziert werden darf, weil zusätzliche Aufgaben auf die Träger und Aufgabenerlediger zukommen. Gerade im ländlichen Raum ist das Mengengerüst ganz entscheidend für die integrierten Verkehre. Dort stellen die Schülerverkehre immerhin bis zu 70 % der Linienverkehre und damit das Rückgrat des ÖPNV dar. Sonst wäre die Reduzierung der ÖPNV-Leistungen in der Fläche die Folge, und das wollen wir nicht.

Wir alle wissen um die steigenden Anforderungen in der Schülerbeförderung. Ganztagsschulen und Schülerbeförderung im Sek.-II-Bereich sowie längere Schulwege durch Zusammenlegung von Schulen führen zu steigenden Aufwendungen der Unternehmen, wenn sie die Qualität der Fahrleistungen auch in Zukunft sicherstellen wollen.

Gleichzeitig wird die demografische Entwicklung dazu führen, dass in Zukunft erheblich weniger

Schülerinnen und Schüler von der Schülerbeförderung Gebrauch machen. Trotzdem müssen auch bei sinkenden Schülerzahlen viele Fahrtrouten und -takte weiterhin eingehalten werden. Die demografische Entwicklung gerade im ländlichen Raum stellt neue Anforderungen an die Mobilität der älteren Menschen. Wenn wir altersadäquate Mobilität neben dem Individualverkehr auch in Zukunft sicherstellen wollen, müssen wir jetzt die Weichen dafür stellen. Deshalb ist es schon jetzt notwendig, feste Budgets bei den 45-a-Mitteln mit den Verkehrsunternehmen zu verhandeln. Ansonsten verschlechtern wir die Dienstleistungen in der Fläche und schwächen die Mobilität für ältere und jüngere Menschen.

Bleibt die Bewertung aus beihilferechtlicher Sicht: Wie kann die Praxis für die Zukunft aussehen? - Seit 2006 besteht zwischen dem Land Niedersachsen und den jeweiligen Verkehrsunternehmen eine vertragliche Regelung, wonach auf Basis der bisher in umfangreichen Verfahren ermittelten durchschnittlichen Reiseweiten eine Überführung erfolgt bis hin zur Berücksichtigung von Fahrplankilometern, deren Leistungskorridor um nur 8 % über- bzw. unterschritten werden darf, ohne dass es zu Kürzungen oder zu Aufstockungen der Ausgleichszahlungen kommt.

Dieser Vertrag wird vonseiten des Wirtschaftsministeriums und der Landesnahverkehrsgesellschaft als nicht mehr zulässig im Sinne der Beihilferegelungen der EU gesehen. Von daher sind das Wirtschaftsministerium, die LNVG sowie die Verbände GVN und VDV seit geraumer Zeit dabei, ein Vertragsmodell zu entwickeln, das den Anforderungen des Beihilferechts entspricht und nach Möglichkeit zu keinen größeren Verwerfungen innerhalb des Landes Niedersachsen führt.

Grundsätzlich handelt es sich bei den 45-a-Mitteln um Mittel aus dem Personenbeförderungsgesetz des Bundes, auf die die Verkehrsunternehmen einen Rechtsanspruch haben. Basis dieses Rechtsanspruchs sind die Ermittlung der durchschnittlichen Reiseweiten für den Transport von Schülern, Studenten und Auszubildenden auf der einen Seite sowie die Berücksichtigung von Sollkostensätzen und Einnahmen auf der anderen Seite. Aus diesen wesentlichen Faktoren, die im Rahmen eines umfangreichen wissenschaftlichen Verfahrens ermittelt werden müssten, setzt sich dann der jeweilige Anspruch des Verkehrsunternehmens zusammen.

Die Größenordnung der Ausgleichszahlungen hat in den vergangenen Jahren im Land Niedersachsen 81 bis 85 Millionen Euro erreicht. Diese wurden an rund 150 bzw. 160 Verkehrsunternehmen geleistet.

Zur derzeitigen Situation: Nach dem Personenbeförderungsgesetz handelt es sich bei den Ausgleichszahlungen um einen Anspruch des jeweiligen Verkehrsunternehmens. Dies muss auch in Zukunft zwingend beibehalten werden. Eine Auszahlung der 45-a-Gelder an die Aufgabenträger führt automatisch zu Differenzen in der Zuordnung, da der allgemeine ÖPNV in der Fläche bereits heute ganz wesentlich von den Ausgleichszahlungen profitiert.

Des Weiteren müssen die demografischen Entwicklungen insbesondere bei den Schülerzahlen Berücksichtigung finden, da es sonst zukünftig zunehmend Problemlagen in den von starken Schülerrückgängen betroffenen Gebieten wie z. B. Südostniedersachsen geben wird.

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Ermittlung des aktuellen Sollkostensatzes. Hier erfolgte zuletzt eine Ermittlung auf Basis der Zahlen aus dem Jahr 1993. Es ist daher davon auszugehen, dass dieser Satz eine erhebliche Steigerung auf der Basis des Geschäftsjahres 2010 erfahren wird.

Weitere wesentliche Gesichtspunkte sind der Tatbestand der Konzentration z. B. der Schulstandorte sowie die Erweiterung der Unterrichtszeiten durch die Einführung von Ganztagsschulen. Ziel einer neuen Regelung bei Ausgleichsleistungen muss zusammengefasst sein:

Erstens. Ausgleichszahlungen sind weiterhin an die Verkehrsunternehmen zu zahlen.

Zweitens. Basis der zukünftigen Zahlungen müssen die heute existierenden Regelungen sein, sodass es in Niedersachsen zu keinen Verwerfungen kommt.

Drittens. Berücksichtigt werden müssen die demografischen Entwicklungen im Schülerverkehr, die Veränderungen der Schulstandorte und Schulzeiten.

Viertens. Die im Jahr 2009 veranschlagten Ausgaben in Höhe von 85 Millionen Euro müssen Richtschnur für die zukünftige Höhe der Ausgleichszahlung bleiben.

Fünftens. Es bleibt zu überlegen, ob die zukünftige Regelung nach § 45 a des Personenbeförde

rungsgesetzes nicht durch die EU notifiziert werden sollte, um sie auch beihilfefest zu machen.

Meine Damen und Herren, selbst die Regierungsfraktionen haben eingeräumt, dass unser Antrag den Sachverhalt richtig beschreibt und die richtigen Forderungen stellt.

(Johanne Modder [SPD]: Genau!)

Vor diesem Hintergrund finden wir es unverantwortlich, auf dem Rücken der Verkehrsunternehmen, der Kommunen, der Schülerinnen und Schüler sowie der übrigen Nutzer des ÖPNV einen gemeinsamen Beschluss zu verhindern, nur weil die Linke ihn mittragen möchte. Das verkennt die Realität, ist armselig, rückwärtsgewandt und zeugt von wenig Souveränität; nicht nur hier im Landtag.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Jo- hanne Modder [SPD]: Genau! Sehr gut! Albern ist das!)

Für die FDP-Fraktion hat Frau König das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Titel dieses Antrags ist falsch. Niemand hat je davon gesprochen, die Leistungen im ÖPNV zu kürzen. Ganz im Gegenteil: Diese so wichtige Finanzierung muss auf sichere berechenbare Füße gestellt werden und damit auch EU-rechtskonform ausgestaltet werden. Daher weiterhin die Gewährung von Ausgleichszahlungen.

(Ronald Schminke [SPD]: Das ist ge- nau das, was wir wollen!)

Wir von CDU und FDP haben vor ca. eineinhalb Jahren den Verhandlungspartnern VDV, GVN, LNVG und dem Wirtschaftsministerium mit auf den Weg gegeben - ohne zu großen Zeitdruck; das war im Übrigen die Forderung des GVN, der entsprochen wurde -, eine neue EU-rechtskonforme Lösung anzustreben. Dieser Lösung sind die Verbände schon sehr nahe gekommen. Das Gutachten der LNVG ist ein richtiger Schritt in diese gemeinsame Zukunft, dem sich alle Beteiligten angeschlossen haben. Hierzu soll eine Sollkostenuntersuchung für weitere Berechnungsgrundlagen der Antragsbeträge auf der Basis des § 45 a PBefG ermittelt werden. Welches System hierbei zum Tragen kommen soll, wird noch ermittelt und diskutiert.

Wichtig ist dabei für uns von CDU und FDP, dass wir die Richtung einfach wie bisher weiter fortschreiben und hierbei auch kleine und mittelständische Unternehmen mit ins Boot nehmen, ohne ein bürokratisches Monstrum aufzubauen oder eine Finanzierung im ÖPNV zu erschweren.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Dazu scheint das alte Modell der Berechnung eine der möglichen Basen zu sein. Diese auf die Konformität mit dem EU-Recht anzupassen, ist die Herausforderung in den nächsten Wochen. Dies soll auf der Grundlage des von der LNVG veranlassten Gutachtens gelingen.

Hierzu werden 44 Unternehmen in den unterschiedlichsten Kostengruppen untersucht. Der VDV und der GVN haben bereits 34 dieser Betriebe benannt und werden in den nächsten Tagen die 10 weiteren Unternehmen vorschlagen. Somit wird eine neue, kostenbasierte Grundlage ermittelt, die danach die Basis aktueller Verhandlungen sein wird. Hinzu kommen natürlich Veränderungen der Fahrbahnkilometer und eine neue Betrachtung der bisherigen Abschmelzung des Grundbetrages von bislang 1 %.

Die nächste Verhandlung in einer Woche wird weitere Erkenntnisse bringen. Der Antrag der SPD ist somit weder zeitlich passend noch inhaltlich auf dem Stand der Verhandlungen.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von der SPD: Sie haben es ein Jahr lang ver- zögert!)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun der Kollege Hagenah. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit November 2009, seit der Einbringung des vorliegenden Antrages, geht nun schon das Ringen um eine EU-rechtskonforme Weiterführung der Finanzierung der Schülerbeförderung. Der Antrag der SPD hat dabei klar den Rahmen vorgegeben und hätte schon damals genauso wie heute von allen Fraktionen verabschiedet werden können. Es verwundert deshalb schon sehr, warum sich CDU und FDP trotz ihrer wiederholten Beteuerungen, genau das umsetzen zu wollen, was in dem Antrag steht, einem gemeinsamen Beschluss

verweigern. Ich glaube daher nicht, Kollege Will, dass das nur an der drohenden gemeinsamen Beschlussfassung mit der Linken gelegen hat.

(Ronald Schminke [SPD]: Aber auch!)

Dazu ein kurzer Rückblick: Ausgangspunkt der Probleme ist neben den Nachfragen der EU das Kürzungspaket der Herren Koch und Steinbrück aus dem Jahr 2006, das auch von Niedersachsens CDU/FDP-Regierung mit provoziert worden ist. Sie von CDU und FDP waren es doch, die vorher jahrelang gegen die Vorgaben des Bundes verstoßen hatten und aus dem Regionalisierungstopf der Bahn das Geld für den Landesanteil an der Finanzierung der Schülerbeförderung herausgemopst hatten. Das gab dem Bund schließlich den Kürzungsvorwand. Das müssen wir erst einmal festhalten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Daraufhin wurden die hiesigen Verkehrsunternehmen von der Landesregierung mit der wiederkehrenden Drohung, in der Finanzierung der Schülerbeförderung noch weit tiefere Einschnitte zu machen, dazu gedrängt, nicht nur diese etwa 15-prozentige Kürzung durch die Große Koalition im Bund bei den Regionalisierungsmitteln mitzumachen, also die Schülerbeförderung entsprechend günstiger anzubieten, sondern zusätzlich bei dem Landeszuschuss auch noch jedes Jahr aufs Neue einen einprozentigen Abschlag zu akzeptieren.

Frau König, Sie kürzen also nicht in Zukunft, es droht nicht zukünftig die Kürzung, Sie kürzen schon, und scheinbar wissen Sie es nicht einmal, wenn Sie die Überschrift des SPD-Antrags anzweifeln.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Waren die Herren Koch und Steinbrück schon rücksichtslos und unsachgerecht, so sind Sie, CDU und FDP in Niedersachsen, es mit ihrer zusätzlichen Kürzung nach der Rasenmähermethode erst recht. Mit keiner anderen Methode wird die Sparschere so perfide angesetzt. Damit kommt ein enormer Reduktionsdruck auf die Personalkosten, den Service sowie das fahrende Material und damit unweigerlich nach und nach auch auf die Qualität und Sicherheit des Schülerverkehrs. Das verantworten Sie!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie drücken sich damit auch um jedwede qualitative Bewertung des Status quo. Sie legen sich nur scheinbar mit allen an, aber in Wirklichkeit mit niemandem. Das ist ein gefährlich bequemer Weg; denn darunter leidet vor allen Dingen das Verkehrsangebot in der Fläche, das dringend eine Modernisierung und eine echte Evaluation, besonders im Hinblick auf die fast überall zunehmenden Herausforderungen des demografischen Wandels, benötigen würde. Doch dazu fehlen CDU und FDP in Niedersachsen der politische Wille und wohl auch der Mut. Sie spielen nach außen den Biedermann - - -

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hoppenbrock?

Aber gerne.

(Zuruf von der SPD: Nichts! Es ist keine Zeit mehr!)

- Dann wird die Uhr angehalten.