Protokoll der Sitzung vom 16.03.2011

undemokratische EU-Politik von Frau Merkel ist schlicht und einfach unakzeptabel.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dass sie das Mauscheln mit dem Egomanen Sarkozy einer Einbeziehung von Bundestag und EUParlament vorzieht, ist alles andere als Vertrauensbildung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das sagen nicht nur wir allein, sondern auch Bundestagspräsident Lammert hat sich entsprechend geäußert. Die merkelschen Alleingänge sind natürlich auch angesichts der Fehler ihrer bisherigen Politik nicht zu rechtfertigen. Wir wissen ja, mit ihrer ständigen Blockadehaltung ist sie mitverantwortlich für die Zuspitzung der Krise.

Meine Damen und Herren, die Kritik am Formalen ist wichtig, darf aber in der Konsequenz nicht dazu führen, dass unverzichtbare inhaltliche Vereinbarungen unterbleiben. An der Stelle endet unsere Zustimmung zum Linken-Antrag.

Kommen wir zum Inhalt: Der Euro ist eines der wichtigsten EU-Integrationsprojekte, und ein richtiger europäischer Stabilitätsmechanismus kann natürlich zu seinem Erhalt beitragen und die Stabilität des Währungsraumes sichern. Deshalb sprechen wir uns z. B. für Eurobonds, begrenzt auf ca. 60 % der einzelstaatlichen Schuldenquote, aus.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Dage- gen haben wir auch nichts gesagt!)

Damit bleibt die Preisstabilität gesichert und der deutsche Beitrag sicherlich minimal. Wir brauchen auch eine stärkere Koordinierung und Überwachung der nationalen Haushaltspolitiken. Wir brauchen aus unserer Sicht ein geregeltes Verfahren für insolvente Eurostaaten, bei dem auch die privaten Gläubiger ihren Beitrag zur Umschuldung leisten und das deshalb vor allem auch präventiv wirkt.

Herr Kollege Klein, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Flauger?

Ja, gern.

Frau Flauger!

Vielen Dank, Herr Klein. - Herr Klein, weil Sie das gerade angesprochen haben: Haben Sie an irgendeiner Stelle meines Redebeitrags oder in unserem Antrag gehört bzw. gelesen, dass wir uns gegen Eurobonds oder vernünftige Mechanismen zur Stabilität des Euro stellen?

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das liest sich doch so!)

Herr Klein!

Nein, das habe ich nicht. Das habe ich aber auch gar nicht kritisiert. Ich stelle hier unsere Position zu dem von Ihnen vorgelegten Antrag vor.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Es klang so gegensätzlich!)

Warten Sie doch einfach meine Schlussfolgerungen ab, dann werden Sie sehen, dass ich dem Antrag in vielen Dingen durchaus positiv gegenüberstehe.

Kommen wir also zum „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“. Auch wir wollen eine EU-Wirtschaftsregierung, um den bekannten Geburtsfehler der Währungsunion zu heilen. Die gemeinsame Geldpolitik muss von einer abgestimmten Wirtschafts-, Finanz-, Arbeitsmarkts- und Sozialpolitik flankiert werden. Es sind keine Gleichschaltungen, aber minimale Harmonisierungen erforderlich, etwa bei den Steuersätzen oder den wesentlichen Sozialrechten. Ich erinnere nur an die sehr unfairen irischen Unternehmenssteuersätze.

Nicht funktionieren konnte natürlich der merkelsche Pakt für Wettbewerbsfähigkeit. Sie wollte schwächere Staaten zu einer einschneidenden Haushalts- und Sozialpolitik zwingen, aber ein wesentliches Element der makroökonomischen Ungleichgewichte in der EU, nämlich die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse, dabei einfach ignorieren. Das geht natürlich nicht. Es ist deshalb keine Überraschung, dass der Sondergipfel der Euroländer vor fünf Tagen diesem Konzept die Zähne gezogen hat, allerdings so gründlich, dass - da unterscheiden wir uns ein wenig in der Bewertung - nur noch eine leere Hülle mit unverbindlichen Selbstverpflichtungen übrig geblieben ist - wieder einmal eine Nichtlösung, die auch auf das Konto einer selbstherrlich und unsensibel agierenden Bundeskanzlerin geht.

Mein Fazit ist also: Man kann zu diesem Antrag eigentlich kein klares Ja und kein klares Nein formulieren. Die inhaltliche wie formale Komplexität der aktuellen Situation und Probleme entzieht sich eigentlich einer Entscheidungsmatrix, die auf zwei Antragsseiten passt. Wir wollen Ihrem Wunsch, eine sofortige Abstimmung vorzunehmen, natürlich nicht widersprechen. Aber unter den Vorraussetzungen, aufgrund Ihrer Alles-oder-Nichts-Haltung, aber auch aufgrund einiger Interpretationen in Ihrem Antrag kann ich nur ein Nein von uns ankündigen. Das müssten Sie dann entsprechend in Kauf nehmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Klein. - Für die CDUFraktion hat Herr Kollege Hilbers das Wort.

Verehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Über das, was hier von den Linken vorgelegt worden ist, können wir heute direkt abstimmen. Dem kann man aber nicht zustimmen. Ich will das begründen.

(Zuruf von der SPD: Warum denn das nicht?)

- Ich begründe das ja.

Es gibt in Europa seit einiger Zeit Krisen in einzelnen Mitgliedstaaten des Währungsverbundes. Immer wieder sind Turbulenzen an den Kapitalmärkten festgestellt worden, weil Mitgliedstaaten ihre Schuldenkrise nicht selbst lösen oder hinlänglich lösen konnten. Das ist keine Krise des Euro, sondern eine Krise in einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion. Die breite Diskussion, die seit Wochen und Monaten in unserem Land geführt wird, bedarf entschlossenen und entschiedenen Handelns.

Es ist in der Krise gelungen, den Euro zu stabilisieren und Vertrauen in diese wichtige Währung zurückzugewinnen. Der Rettungsschirm, im Wesentlichen von Angela Merkel auf den Weg gebracht, hat dazu geführt, dass Vertrauen zurückgewonnen worden ist und, wie gesagt, die Märkte stabilisiert werden konnten. Es ist für jeden klar, dass dieser Rettungsschirm der Verstetigung bedarf. Der Euro ist ein Grundpfeiler der europäischen Integration; das darf man dabei nicht vergessen. Wenn es um den Euro geht, geht es um wesentlich mehr als um

eine Währung. Es geht um die gemeinsame europäische Idee.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deutschland hat größtes Interesse an einem stabilen Euro, an einer stabilen Währung. Keine andere Nation kennt wie wir die leidvollen Erfahrungen aus Währungszusammenbrüchen. Wir brauchen deswegen ein klares Signal für einen stabilen Euro.

Eines ist, glaube ich, in dieser Krise auch klar geworden: Die Mechanismen, die wir bislang im Zusammenhang mit dem Euro haben, sind eindeutig zu gering, um in solchen Krisenzeiten wirksam steuern zu können. Es bedarf in einem Raum mit einer gemeinsamen Währung auch einer gemeinsam koordinierten Fiskal-, Finanz- und Wirtschaftspolitik. Gerade um diese Dinge müssen wir uns kümmern, Stichwort „europäische Wirtschaftsregierung“. In einem Gemeinsamen Markt muss die Gütermenge zur Geldmenge bzw. die Geldmenge zur Gütermenge passen. Staatsschulden müssen kontinuierlich gemeinsam gesteuert werden. Stabilität muss gewahrt werden. Wenn einige Länder über ihre Verhältnisse leben, führt das zu Zinserhöhungen, zu Währungsinstabilität und zu Inflation. Ist das Staatsdefizit mit Leistungsbilanzdefiziten gepaart, dann fallen die Auswirkungen umso deutlicher aus.

Die Eurozone kann also auf Dauer so nicht arbeiten; es bedarf einer Verstetigung. Bezüglich der Verbesserung dieses Mechanismus bedarf es einer zügigen Entscheidung.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Genau!)

Deshalb kann man hier nicht über das Verfahren diskutieren. Es geht jetzt in erster Linie darum, das Erreichte zügig zu stabilisieren und über die Befristung 2013 hinaus fortzusetzen. Man kann nicht so lange warten, bis man irgendwann langwierige Prozesse in Erwägung ziehen muss.

(Beifall bei der CDU - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Im Übrigen ist das vereinfachte Verfahren im Europäischen Vertrag eindeutig festgelegt worden, Frau Flauger. Es findet Anwendung auf die Dinge, die im dritten Teil des Vertrages stehen. Die Wirtschafts- und Währungspolitik gehört eindeutig dazu.

(Anhaltende Unruhe)

Herr Hilbers, einen kleinen Moment, bitte! - Ich weiß nicht, ob Herr Jüttner wiederholen könnte, was Sie gerade gesagt haben. Ich habe es auf jeden Fall akustisch nicht verstanden.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich habe nichts gehört!)

- Herr Jüttner schüttelt den Kopf; er konnte es auch nicht verstehen. - Ich bitte um ein bisschen mehr Ruhe. - Herzlichen Dank.

Einfach die Ohren aufmachen, Herr Jüttner!

Herr Hilbers!

Es geht beim vereinfachten Verfahren nur um Fragen, die im dritten Teil des Vertrags stehen. Dort ist die Wirtschafts- und Währungspolitik eindeutig aufgeführt.

Ferner ist festzustellen, dass es keine zusätzlichen Kompetenzen für die Europäische Union geben kann; die gibt es in diesem Fall nicht. Der Vertragstext ist hier eben vorgetragen worden. Der Vertrag gibt nur die Möglichkeit - das ist eben vorgetragen worden -, dass die Nationalstaaten das regeln. Er setzt also nur Standards fest, im Rahmen dessen die Nationalstaaten Regelungen zu treffen haben. Er greift also nicht in die Haushaltsautonomie und in die Gestaltungsfreiheit der Nationalstaaten ein. Er gibt nur gemeinsame Standards vor und schafft einen gemeinsamen Rahmen für ein gemeinsames Krisenmanagement. Das festzuhalten ist wichtig. Wir brauchen das für die Währungsstabilität.

Wir brauchen diesen Fonds, der unter speziellen Auflagen ein Eingreifen ermöglicht. Wir brauchen auch den Pakt für Wettbewerb und Beschäftigung. Da geht es eben nicht um Lohndumping. Man kann in einem gemeinsamen Währungsraum nur das gemeinsam verwirklichen, was sich dann auch erwirtschaften lässt, was, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, auch funktioniert. Wir haben es im Fall Griechenland erlebt: Wenn eine Nation über ihre Verhältnisse lebt, auch was Sozialleistungen und Lohnleistungen angeht, so führt das zwangsläufig dazu, dass die Währung durcheinander gebracht wird und es zu Turbulenzen kommt.

(Anhaltende Unruhe - Glocke der Prä- sidentin)

In einem gemeinsamen Währungsraum brauchen wir eine parallele Entwicklung, was die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt angeht.

(Victor Perli [LINKE]: Die Deutsche Bank ist schuld!)

Deshalb ist es gut, dass dieser Pakt auf den Weg gebracht worden ist. Das ist das Verdienst dieser Bundesregierung. Dafür gebührt Angela Merkel ganz besonderer Dank, weil sie das in Europa immer wieder angeschoben hat.