Herr Ministerpräsident McAllister, in der Presse steht heute über Sie zu lesen, dass Sie als bekennender Kernkraftskeptiker gelten.
Über den Antiatomkraftprotesten der letzten Tage steht die Überschrift: Aus Trauer wird Power, aus Wut wird Mut. - Wir sagen: Abschalten und aussteigen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit großer Sorge blicken wir auf die Folgen des Erdbebens vor der Küste Japans. Am vergangenen Wochenende wurden weite Teile des Landes in Chaos, Verwüstung und Trauer gestürzt. Deutschlands Unterstützung, auch vor Ort, ist ein deutliches Zeichen unserer Solidarität und Ausdruck unseres Mitgefühls für die vielen Opfer. Wir sagen gemeinsam: In diesen dramatischen Stunden stehen wir alle an der Seite der Japaner.
Das Wichtigste in den nächsten Tagen und Wochen sind die Rettungs- und Hilfsmaßnahmen in Japan. Familien sind auseinandergerissen worden. Tausende Menschen werden nach wie vor vermisst.
Zu dem Erdbeben und dem Tsunami ist nun auch ein nuklearer Unfall hinzugekommen. Es ist gerade dieser nukleare Unfall, der uns hier in Deutschland und in Niedersachsen in diesen Tagen so bewegt. Mich erfüllen die dramatischen Bilder aus Japan ebenso mit tiefer Sorge wie Sie alle.
Auch wenn wir gut beraten wären, einen kühlen Kopf zu bewahren, fällt es uns allen schwer, sich nicht von der emotionalen Dramatik der Bilder überwältigen zu lassen. Die Wahrheit ist, meine Damen und Herren: Wir brauchen jetzt Zeit, um die Dinge zu bewerten und für Deutschland Konsequenzen zu ziehen. Das Moratorium der Bundesregierung - das will ich deutlich sagen - und die Abschaltung von sieben Kernkraftwerken sind daher genau die richtigen und notwendigen Sofortmaßnahmen.
(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Hans-Henning Adler [LINKE]: Die Menschen wollen die vollständige Abschaltung!)
Wir dürfen eines nicht aus den Augen verlieren: Es geht jetzt nicht um Laufzeiten, sondern es geht einzig und allein um die Sicherheit hier und heute.
Was nützt uns der Automausstieg bis 2020, wenn - wie in Japan - unvorhergesehene Extremereignisse eine Katastrophe auslösen? Auch wenn derzeit alle ein solches Erdbeben in Deutschland ausschließen, was bringt uns jetzt eine Laufzeitdebatte, wenn Naturkatastrophen und andere Zwischenfälle jeden Tag geschehen können?
Wer es ernst meint mit den Sicherheitsbedenken, der darf jetzt gerade nicht über einen Atomausstieg entweder bis 2022 oder bis 2030 reden. Was wir brauchen, ist eine schnelle Überprüfung der Sicherheitsstandards im Hinblick auf Ereignisse, die wir uns bisher nicht vorstellen konnten. Meine Damen und Herren, genau das macht unsere Bundesregierung.
(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Also es geht weiter! Sagen Sie es doch mal so deutlich! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)
Rot-Grün hat im Rahmen des Atomkompromisses Sicherheitsanforderungen neu formuliert. SchwarzGelb hat diese im Rahmen der Laufzeitverlängerung weiter verschärft.
Diese Sicherheitsanforderungen, die klar definiert worden sind, werden von den deutschen Anlagen erfüllt. Jetzt ist es nötig, meine Damen und Herren, diese Anforderungen zu überprüfen und, wenn nötig, entsprechend zu erhöhen. Die Ereignisse in Japan verdeutlichen ja gerade, dass es nicht mehr nur darum geht, dass die Anforderungen erfüllt werden. Das, meine Damen und Herren, war bei den deutschen Kernkraftwerken bisher der Fall. Jetzt geht es um die Sicherheitsanforderungen selbst und darum, diese zu überprüfen.
Das sofortige Moratorium gibt uns die Möglichkeit, die Sicherheit jedes einzelnen Kernkraftwerkes auf den Prüfstand zu stellen und die neuen Erkenntnisse einfließen zu lassen. Gerade weil Sicherheit
Es muss also klar sein: Erstens. Laufzeiten und Sicherheit im Hier und Heute sind unabhängig voneinander. Zweitens. Alter und Sicherheit sind nicht unbedingt äquivalent. Drittens. Es geht nicht um die Laufzeit - einzig die Sicherheit ist entscheidend.
Jede einzelne Anlage muss - übrigens unabhängig von ihrem Alter - untersucht werden. Bei jeder einzelnen Anlage in Deutschland geht es um die Frage: Ja oder Nein? - Deswegen ist das Moratorium so richtig und wichtig.
Richtig ist auch: Nach dem Beschluss von RotGrün aus dem Jahr 2000 wären die Kraftwerke in Biblis und Neckarwestheim bereits vom Netz. Das heißt aber im Umkehrschluss: 14 Kernkraftwerke in Deutschland wären auch heute nach wie vor in Betrieb.
Ich hoffe - und das will ich vor dem Hintergrund der Reden der Kollegen Schostok und Wenzel deutlich sagen - und gehe sogar fest davon aus, dass selbst eine rot-grüne Bundesregierung jetzt die gleiche Sicherheitsüberprüfung veranlassen würde, wie es unsere Bundesregierung gemacht hat, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN - Glocke des Präsidenten)
Wir alle wissen, dass die Erneuerbaren die Kernkraft zurzeit nicht komplett ersetzen können. Frau Höhn hat das gestern im Fernsehen - wie ich meine, auch zu Recht - gesagt und hinzugefügt: Sofort alle Kernkraftwerke auszuschalten, geht natürlich nicht.
Der sofortige Ausstieg ist aber zurzeit nicht nur aus Gründen der Versorgungssicherheit und der Wirtschaftlichkeit nicht möglich, er ist zurzeit auch technisch nicht möglich. Die Kernkraft leistet derzeit die Hälfte der Grundlaststromversorgung in Deutschland. Das können die erneuerbaren Ener
Meine Damen und Herren, wenn wir ehrlich sind, dann deutet sich dadurch unter Umständen auch die Notwendigkeit des Baus neuer Kohlekraftwerke an.
Niedersachsen hat seit 2003 bereits enorme Anstrengungen bei den Erneuerbaren unternommen. Allein von 2004 bis 2008 wurden Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich der erneuerbaren Energien mit über 30 Millionen Euro gefördert. Wir werden das jetzt noch stärker forcieren, meine Damen und Herren.
Neben den Sicherheitsmaßnahmen, die derzeit von der Bundesregierung ergriffen werden, ist es schon jetzt notwendig, dass alle politischen Kräfte in Deutschland konkrete Vorschläge dazu machen, was anstatt der Kernkraft geht. Jetzt ist nicht die Zeit, zu sagen, was nicht geht. In den kommenden drei Monaten müssen wir alle gemeinsam sagen, was geht, meine Damen und Herren.
Wir haben zwar den gesetzlichen Rahmen geschaffen, der zu einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien geführt hat, insbesondere mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz in 2000.
Aber wir haben in den vergangenen zehn Jahren der Geschichte der erneuerbaren Energien in Deutschland die Grundlastfähigkeit vernachlässigt - das müssen wir alle gemeinsam selbstkritisch zugeben -, ob Rot-Grün zu seiner damaligen Regierungszeit oder die jetzige Bundesregierung.
Wir waren uns all die Jahre so sicher, dass wir uns auf andere Energieträger verlassen können. Diese Verlässlichkeit droht jetzt mit den Ereignissen in Japan verloren zu gehen.
Wir müssen die Instrumente zur Förderung der erneuerbaren Energien viel mehr auf Versorgungssicherheit ausrichten, damit sie eine echte und vor allem sichere Alternative werden. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein, meine Damen und Herren.