Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

Nun zu dem, was fehlt. Nicht zuletzt hat der Bundesgesundheitsminister eine Diskussion über eine Neudefinition des Pflegebegriffs angestoßen. Das wird viel Geld kosten. Wir müssen es aber schaffen, dass auch die Demenz mit in die Pflege hineinkommt. Viele Demente erfüllen die Tatbestände des Pflegebegriffs nicht. Sie können sich selber waschen usw. Trotzdem aber sind sie hilfebedürftig. Da sind Initiativen, um die wir uns kümmern müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Riese, Sie haben drei Wünsche nach Kurzinterventionen verursacht. Herr Kollege Hum

ke, Frau Kollegin Mundlos und Herr Kollege Schwarz. - Herr Humke, bitte! Ich stelle das Mikrofon nach 90 Sekunden ab.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Riese, ich möchte zu einem Aspekt Ihres Redebeitrags Stellung beziehen, und zwar zu Ihrer These, wir würden diesen Beruf immer schlechtreden. Ich fasse es einmal so zusammen.

Wenn wir hier über bestimmte Arbeitsbedingungen in diesem Beruf sprechen, dann tun wir dies auch vor dem Hintergrund eigener persönlicher Erfahrungen. Ich sage Ihnen: Ich habe achteinhalb Jahre in der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung gearbeitet. 24 Stunden rund um die Uhr; 17 Stunden davon wurden bezahlt. Zwei Stunden Pause, den Rest durfte man dann auch schlafen. Achteinhalb Jahre. Natürlich hat man auch einen entsprechenden Ausgleich bekommen. Ich sage Ihnen aber: Ich habe das zu einem Lohn machen können, von dem ich leben konnte.

Wenn Sie jetzt sagen, wir würden das schlechtreden, dann ist das falsch; denn jetzt werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Menschen zu Bedingungen arbeiten müssen, die bei weitem nicht zu dem Verdienst führen, den ich hatte. Bei mir waren es seinerzeit nur 1 300 bis 1 400 Euro netto. Davon konnte ich zur damaligen Zeit aber auch einigermaßen leben.

Diejenigen, die jetzt auf den Markt kommen, arbeiten noch für einige Hundert Euro weniger. Wir brauchen stattdessen, um das nicht schlechtzureden, sondern attraktiver zu machen, eine gute Ausbildung und eine gute Bezahlung, um uns wappnen zu können mit Blick auf den demografischen Wandel, um tatsächlich arbeitsfähige Menschen zu finden, um - - -

(Der Präsident schaltet dem Redner das Mikrofon ab)

Wie besprochen, Herr Humke.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist so nach 90 Sekunden! - Patrick-Marc Humke [LINKE]: Gehen Sie erst einmal richtig arbeiten! - Weitere Zurufe)

- Meine Damen und Herren! Ich würde bitten, dass diese Diskussion nicht weiter fortgesetzt wird, Herr Kollege Humke. - Frau Mundlos, bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Riese hat gesagt, dass es völlig normal ist, dass sich die Menschen an den Rahmenbedingungen orientieren. Herr Riese, ich habe Sie so verstanden, dass Sie aufmerksam zugehört haben, dass insbesondere Frau Helmhold mit Blick auf die Qualität und die Professionalität keine Abstriche bei der Fachkräftequote will. Hervorgehoben hat sie gesellschaftliche Anerkennung und Verbraucherschutz.

Ich habe Sie so verstanden, dass sich sowohl die FDP- als auch die CDU-Fraktion darin einig sind, diese Punkte konsensual mitzutragen, mit zu fördern, und dass diese Landesregierung mit den beiden sie tragenden Fraktionen alles tun wird, um diese Ziele zu erreichen und für die beteiligten Menschen abzusichern. Das alles soll zielführend, kraftvoll und engagiert, wie auch in der Vergangenheit, geschehen. So habe ich Sie verstanden.

Ich würde Sie bitten, das noch einmal mit einem Satz zu unterstreichen, damit die Herren auf der anderen Seite das auch verstehen.

(Beifall bei der CDU - Björn Thümler [CDU]: Sehr schön! Die wollen ohne- hin nicht zuhören!)

Meine Damen und Herren, jetzt kommt der Kollege Schwarz von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Riese, ich halte hier keineswegs jeden Monat die gleiche Rede. Im vergangenen Monat habe ich hierzu gar nicht geredet. Wenn Sie die Rede vom Januar lesen, werden Sie feststellen, dass sie deutlich anders war.

Zu zwei Punkten wollte ich Ihnen doch etwas sagen. Das ist durch Frau Mundlos noch einmal verstärkt worden. Es geht um alternative Wohnformen und das Heimgesetz.

Unabhängig davon, dass Sie das Heimgesetz vier Jahre lang verschleppt haben, wird, wenn Sie sich mit dem durchsetzen, was Sie in den letzten Beratungen zum Heimgesetz zu alternativen Wohnformen angedeutet haben, zukünftig kein einziger Bewohner einer alternativen Wohnform auch nur ansatzweise unter den Schutz des Heimgesetzes gestellt. Das wollen wir nicht vergessen. Es war eine desaströse Vorstellung, wie Sie den Schutz

gedanken dort vorgetragen haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Einen zweiten Punkt will ich ansprechen. Nach einer aktuellen Untersuchung der Uni Bremen ist die Motivation zur Wahl eines Pflegeberufes bei Schülerinnen und Schülern außerordentlich gering ausgeprägt. Nur 1,9 % der Jungen und knapp 10 % der Mädchen könnten sich vorstellen, in einen Pflegeberuf zu wechseln. Das hat etwas mit dem zu tun, was Frau Helmhold gesagt hat. Die Akzeptanz und die Rahmenbedingungen in diesem Land sind in den letzten Jahren so kaputt gemacht worden,

(Zuruf von Heidemarie Mundlos [CDU])

dass junge Leute kaum noch zu motivieren sind. Deshalb sage ich Ihnen,

(Norbert Böhlke [CDU]: Wo kamen denn die Krankenschwestern her? Aus Asien!)

Sie sind dafür verantwortlich, vernünftige Rahmenbedingungen zu schaffen,

(Beifall bei der SPD)

damit wir wirklich - - -

(Der Präsident schaltet dem Redner das Mikrofon ab)

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Riese kann jetzt auf die Vorhaltungen antworten. Bitte schön!

Ganz herzlichen Dank. - Ich möchte mit Frau Mundlos beginnen, dies aber zusammenfassen mit dem ersten Punkt von Herrn Schwarz. Genau dafür diskutieren wir ja hier zum Heimgesetz, um fein abzuwägen, wie weit der Schutzgedanke reichen muss, aber wie weit er nicht gehen darf, um bestimmte neue Entwicklungen nicht zu behindern. Wir sind erst am Anfang dieser Diskussion. Sie wird uns noch in einigen Sitzungen beschäftigen. Genau das müssen wir fein abwägen. Denn es kann leicht geschehen, dass wir den Schutzgedanken doch so weit ausdehnen, dass wir bestimmte Entwicklungen verhindern. Darauf haben uns die Verbände hingewiesen.

Zur Motivation, verehrter Herr Schwarz. Ich wusste gar nicht, dass Sie so viele Zuhörer haben. Ich

treffe tatsächlich junge Menschen, die diesen Beruf mit Begeisterung beginnen und die offenbar Ihre Reden nicht gehört haben. Es gibt aber offenbar doch viele, die davon abgeschreckt worden sind.

Herr Humke hat die europäische Freizügigkeit angesprochen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich meine nicht, dass wir als Niedersächsischer Landtag einen Beitrag dazu leisten sollten, die soziale Marktwirtschaft und den europäischen Austausch zu beenden. Die europäische Freizügigkeit wird auch in diesem Berufsfeld nur von solchen Menschen genutzt werden, die das wollen und die genau wissen, worauf sie sich einlassen, um mit dieser Qualifikation unseren Pflegebedürftigen zu helfen.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für die Landesregierung hat sich Frau Ministerin Özkan zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen einen Schulterschluss der Akteure in der Altenpflege, um die Weichen für eine gute Pflege in Niedersachsen auch in Zukunft zu stellen. Darin sind wir uns hier, aber auch außerhalb des Parlaments mit den Akteuren einig, die die Altenpflege maßgeblich mitgestalten. Deshalb haben wir bereits Ende Februar gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege vereinbart, einen Pflegepakt für Niedersachsen auf den Weg zu bringen. Die Beteiligten, mit denen ich gesprochen habe, ob in der Landesarbeitsgemeinschaft oder auch andere, haben dies einhellig begrüßt.

Auch bei der Sitzung des Landespflegeausschusses am 4. April werde ich mit den Pflegekassen, den kommunalen Vertretern und Anbieterverbänden über gemeinsame Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Pflege sprechen. Dies hatte ich Ihnen in den letzten Plenardebatten bereits angekündigt, nicht nur im Februar, sondern auch im Januar. Ich habe die Mitglieder des Landespflegeausschusses gebeten, dazu eigene Vorschläge zu entwickeln. Wir wollen damit die Akteure einbinden. Jeder soll sich mit seinen guten Ideen und entsprechenden Vorschlägen einbringen können.

Der vorliegende Antrag, meine Damen und Herren, ist deshalb zeitlich schon überholt. Lassen Sie uns aber dennoch weniger polemisch und stärker sachlich im Ausschuss darüber diskutieren, über die Fortschritte, aber auch über die Herausforderungen, die noch vor uns stehen.

Herr Schwarz, ich würde mich freuen, wenn Sie im Ausschuss uns oder mir oder meinen Mitarbeitern im Sozialministerium einmal die Rechts- und Fachaufsicht erklären würden, die wir auf diesem Gebiet haben. Denn das wird hier immer wieder angeführt.

Wir können im Ausschuss auch gerne darüber diskutieren - das ist auch eine Zahl, die Fakt ist -, dass in der Schiedsstelle - das ist nun einmal der Rechtsweg - aktuell nur 2 Fälle von 400 Verhandlungen vorliegen. Wir können hierbei also nicht von falschen Parametern sprechen. Die Akteure nutzen die Schiedsstelle, wie gesagt, nur in 2 Fällen.

Die Caritas und die Diakonie - auch darüber können wir im Ausschuss sprechen - liegen mit ihren Pflegesätzen um 15 % über dem Landesdurchschnitt und damit im Bundesdurchschnitt West. Auch die Aussagen zu den Pflegesätzen sollten wir im Ausschuss genauer diskutieren.

Mein Ziel ist vor allem die Mobilisierung von weiterem Fachkräftenachwuchs in der Pflege:

(Zustimmung bei der CDU)

Auf allen Ebenen laufen seit Jahren entsprechende Kampagnen. Auch das wissen Sie. So haben wir die Kampagne der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege „Typen gesucht“ nicht nur finanziell unterstützt, sondern wir haben uns auch selbst eingebracht, der Kultusminister und ich. Unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten wollen wir gerade die sozialen Berufe bei den jungen Menschen in ein anderes Licht rücken und die Typen, die wir brauchen, nämlich junge Menschen, damit tatsächlich ansprechen.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Landesregierung hat mit dem Pflegepaket einen eigenen, äußerst erfolgreichen Weg eingeschlagen. Natürlich - das habe ich der letzten Plenardebatte auch gesagt - müssen wir weitermachen. Wir müssen insbesondere den guten Weg bei der Erhöhung der Zahl der Schüler - die Zahl ist genannt worden: 1 000 Auszubildende mehr - weiter fortsetzen. Dafür müssen wir uns gemeinsam mit allen Akteuren anstrengen, um diese Nachwuchsgewinnung erfolgreich weiterzuführen.

Ich möchte hier auch noch einmal deutlich machen, dass wir künftig besonders qualifizierten Schülerinnen und Schülern durch ein Zusatzangebot die Möglichkeit einräumen wollen, während dieser Ausbildung auch die Fachhochschulreife zu erwerben. Auch das ist etwas, was dazu beitragen wird, zusätzliche junge Menschen zu gewinnen.

(Beifall bei der CDU)

Die Kosten der Umschulung im dritten Ausbildungsjahr haben Sie eben schon genannt. Auch das wird weiterhin dafür sorgen, dass wir die Zahl der Umschüler steigern können. Außerdem wird unter aktiver Mitwirkung Niedersachsens auf Bundesebene längst über die Vereinheitlichung der Ausbildungsgänge in der Kranken- und Altenpflege beraten. Da bringen wir uns intensiv ein. Aber auch die übrigen Akteure, die Verbände, haben sich dort positioniert.